Was mit der Gesichtserkennung möglich ist |
Christina Hohmann-Jeddi |
21.05.2024 13:00 Uhr |
Einen speziellen Ansatz zur Diagnosehilfe für seltene Erkrankungen stellte der Humangenetiker und Physiker Professor Dr. Peter Krawitz vom Institut für genomische Statistik und Bioinformatik der Universität Bonn auf dem DGIM-Kongress vor. Die App GestaltMatcher nutzt Gesichtserkennungssysteme, um spezifische Merkmale in einem Gesicht zu erkennen, die auf seltene Erkrankungen hindeuten. Das System baut dabei auf Systeme auf, die etwa beim Öffnen von Smartphones genutzt werden. »Bei vielen seltenen Erkrankungen liegen charakteristische Gesichtsmerkmale, sogenannte Dysmorphien der Facies, vor«, erklärte Krawitz. Vor allem ist dies bei neuronalen Entwicklungsstörungen der Fall, weil es gemeinsame genregulatorische Grundlagen der Entwicklung von Gehirn und Gesicht gibt.
Die App GestaltMatcher nutzt KI, um Diagnosevorschläge zu machen. Das funktioniert wie folgt: Ein Porträtfoto wird in einem speziell auf Facies trainiertes neuronales Netz für Gesichtserkennung prozessiert, um die Merkmalskombination dann in einem 320-dimensionalen Merkmalsraum zu projizieren. »Der Fall, der in diesem Merkmalsraum am nächsten an dem untersuchten Fall liegt, hat vermutlich die gleiche molekulare Diagnose«, sagte Krawitz.
Der GestaltMatcher kann inzwischen 1000 Syndrome erkennen. In 50 bis 70 Prozent der Fälle schlägt die App bei seltenen und ultraseltenen Erkrankungen die richtige Diagnose in den Top-5-Diagnosevorschlägen vor. Der GestaltMatcher sei bereit für die Anwendung für Mediziner, sagte der Humangenetiker. Derzeit versuche man, die verschiedenen Ethnien stärker in die Datenbasis mit einzubeziehen.