Was KI für die Arbeit in der Apotheke bedeuten könnte |
Generative KI als Werkzeug: Auch für Apothekenteams bietet sie viele Möglichkeiten, künftig die Arbeit in der Apotheke zu erleichtern und zu bereichern. / Foto: Adobe/ipopba
Auf künstlicher Intelligenz (KI) basierende Programme wie beispielsweise ChatGPT, Midjourney oder DALL-E, sind aktuell in aller Munde. Sie bedienen sich einer Technologie namens »generative KI«. Diese zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass sie natürlich wirkende Texte oder Bilder erschafft, die schwer bis gar nicht von menschgemachten zu unterscheiden sind. Einziger menschlicher Input hierbei sind sogenannte »Prompts« - kurze, prägnante Eingabeaufforderungen an die KI, woraufhin diese dann ihre Ergebnisse generiert. Es ist naheliegend, dass generative KI große Auswirkungen auf die Arbeitswelt haben wird. Vor allem kreative Berufe wie Texter oder Grafikdesigner spüren die Auswirkungen bereits heute. Aber wird es auch Auswirkungen auf die zukünftige Arbeit in der Apotheke geben?
In der Geschichte haben neu aufkommende Technologien immer wieder etablierte Berufe verdrängt. Man denke nur an Kutscher oder Waffenschmiede, beides in vergangenen Epochen hoch angesehene Berufe. Inzwischen sind beide marginalisiert. Ganz verschwunden sind sie nie. An ihrer Stelle gibt es heute neue Jobs innerhalb der Transport- und der Verteidigungsindustrie, die ihrerseits selbst zu riesigen, diversifizierten Wirtschaftszweigen wurden. Mit vielen neuen Berufen, die sich unsere Vorfahren gar nicht vorstellen konnten. Warum sollte dieser stete Wandel an Apotheken vorbeigehen?
Viele der den Apotheken bevorstehenden Änderungen zeichnen sich seit einigen Jahren ab. Die Relevanz persönlicher Beratung und Kommunikation nimmt in gleichem Maße zu, wie die Digitalisierung voranschreitet – und mit ihr die Anforderungen an Grundkenntnisse von Informationstechnologie (IT). Generative KI kann diese Trends beschleunigen. Um einigermaßen präzise Aussagen über hierdurch neu entstehende Jobs in Apotheken treffen zu können, lohnt sich ein Blick auf die erwartbare künftige »Patient Journey« , also dem idealtypischen Weg eines Patienten durch das Gesundheitssystem. Wo kann generative KI hier sinnvoll zum Einsatz kommen?
Das Terminmanagement in Arztpraxen wird zunehmend automatisiert. Sprachassistenten könnten unter anderem Gespräche, zwischen Arztpraxis und Patientinnen und Patienten mithören – Zustimmung der Beteiligten vorausgesetzt. Bereits während des Gesprächs könnte generative KI sämtliche Informationen im Patientendossier festhalten, Verordnungen in Form von E-Rezepten erstellen und auf Servern der Gematik sowie im Medikationsplan ablegen.
Dadurch werden mehr Informationen als bisher verfügbar sein. In der Apotheke könnte vor dem Eintreffen der Patienten eine KI die Medikation im Hintergrund prüfen und das Apothekenteam bei Wechselwirkungen oder Unverträglichkeiten warnen. Mit Diensten wie dem E-Rezept und der elektronischen Patientenakte (EPA) würden solche Checks selbst dann funktionieren, wenn nicht alle Arzneimittel in derselben Apotheke gekauft wurden. Hierin liegt ein großer Vorteil für die Patientensicherheit. Sprachassistenten könnten auch am HV mitlaufen und Hinweise, Tipps und Tricks aus dem apothekerlichen Beratungsgespräch für Patientinnen und Patienten in leicht verständliche Sprache übersetzen. Dies könnte dann beispielsweise als Audio- oder Video-Clip auf deren Mobilgeräten gespeichert werden. Sollten in der Apotheke Anpassungen der Medikation oder Substitutionen als notwendig angesehen werden, so könnte die mithörende generative KI sogar automatisch eine Korrektur der Verordnung samt Protokollierung und Mitteilung in Richtung Arzt vornehmen. Das wiederum würde die Apothekenteams deutlich entlasten.
Sogar bei Patienten, deren betreuenden Angehörigen oder Pflegediensten könnten Sprachassistenten mit generativer KI laufen. Vor allem Folgerezepte oder Hilfsmittelbestellungen könnten dort einfach durch Prompts ausgelöst werden. Generative KI hat also das Potenzial, den Aufwand für Dokumentation und Administration in Apotheken massiv zu reduzieren. Das ohnehin knappe Personal könnte seine Arbeitszeit verstärkt in Kommunikation sowie in Beratung und Versorgung der Kunden investieren.
Damit eine solche Vision allerdings Realität wird, muss das Vertrauen in generative KI noch wachsen. Gerade von ChatGPT ist bekannt, dass es nicht immer nur die Wahrheit erzählt. Auch medizinische und pharmazeutische Fachsprache sitzt noch nicht perfekt. Bald werden diese Hürden jedoch genommen sein. Dann ist generative KI vom technischen Aspekt her einsatzbereit für die oben geschilderten Zwecke. Der Rest ist ein Lernprozess, wie mit den ersten Warenwirtschaftssystemen vor etwas mehr als 30 Jahren.
Generative KI kann dafür sorgen, dass in Apotheken Mensch und Maschine noch enger zusammenarbeiten. Aufgaben können so lange an KI delegiert werden, bis in der Kette an logisch aufeinanderfolgenden Schritten im Rahmen einer Beratung wieder menschliche Intervention notwendig ist. Daraus könnten im Apothekenumfeld die folgenden Jobs neu entstehen:
1. KI-Entwickler: Heute bereits wird händeringend nach Entwicklern für Warenwirtschaft gesucht. Diese müssen nicht nur technisch versiert sein, sondern auch Prozesse in Apotheken kennen und verstehen. Ähnlich wird es sehr bald mit Entwicklern von KI-Technologien sein. Sie müssen in der Lage sein, generative KI-Modelle für den Einsatz in Apotheken zu erstellen und mit anderen Systemen zu verknüpfen. Schließlich dürfen bei der Datenübergabe von der Apotheke in einen anderen Sektor (oder zurück) keine Informationen verloren gehen oder gar falsch übermittelt werden. Solche Rollen werden sich eher im Umfeld von IT-Unternehmen (Warenwirtschafts- und E-Commerce-Anbieter, oder Gedisa und NGDA) finden, wirken sich aber unmittelbar auf die Arbeit in Apotheken aus.
2. KI-Trainer: Ebenso werden spezialisierte Mitarbeiter benötigt, die in der Lage sind, generative KI-Modelle für bestimmte Aufgaben zu trainieren und zu validieren. KI beruht auf »Machine Learning«: Dabei werden Algorithmen auf große Datenmengen angewendet, um Muster und Zusammenhänge in den Daten zu identifizieren und zu lernen, wie daraus Entscheidungen oder Vorhersagen getroffen werden können, ohne sie extra programmieren zu müssen. KI-Trainer müssen falsche und richtige Ergebnisse kennzeichnen. So unterstützen sie die KI, sich eigenständig kontinuierlich zu verbessern.
3. KI-Auditoren: Die Anwendung von KI in der Apotheke bringt viele ethische und rechtliche Herausforderungen mit sich. KI-Modelle und von ihnen erzielten Resultate müssen überprüft und ihre Konformität mit den geltenden Gesetzen, Regulierungen und berufsständischen Standards gewährleistet werden. Da auch die intersektorale Datenübermittlung immer wichtiger wird, müssen Auditoren auch fit im Datenschutz sein. Eine solche Rollen könnte in Apotheken selbst verankert werden.
4. KI-Integratoren: Darüber hinaus werden Spezialisten benötigt, die KI-Technologien in die bestehende IT-Infrastruktur integrieren. Sie verantworten, dass alle Systeme reibungslos miteinander funktionieren, was schon bei deutlich geringerer Komplexität eine große Herausforderung ist. KI wird in Apotheken nicht von heute auf morgen alles ersetzen. Vielmehr werden mehr und mehr Systeme, die auf generativer KI basieren, an vorhandene Systeme angedockt. Die Integratoren brauchend dafür ein fundiertes technisches Grundwissen, müssen aber die Prozesse in Apotheken ebenfalls sehr gut kennen. Ihre Rolle wird zentral für den Erfolg von generativer KI in Apotheken.
5. KI-Manager: Apothekeninhaber benötigen ein grundsätzliches Verständnis für die Bedeutung von KI-Technologien im gesamten Gesundheitswesen. Sie müssen ihre Apothekenstrategie unter Berücksichtigung der Vor- und Nachteile generativer KI aus einem heilberuflichen Selbstverständnis heraus entwickeln. Die Bedürfnisse der eigenen Apotheke gilt es dabei in Einklang zu bringen mit den Anforderungen der Patienten. Nur wer das versteht, kann von generativer KI auch nachhaltig profitieren.
Generative KI ist ein beeindruckendes Werkzeug. Apotheken sollten sich daher schnellstmöglich damit auseinandersetzen. Am besten gelingt das, indem man selbst übt, Prompts zu formulieren. Wer ChatGPT fragt, ob man Aspirin und Marcumar gleichzeitig einnehmen darf, bekommt nicht nur eine gute Antwort, sondern vor allem ein Gefühl dafür, wie generative KI tickt. Danach gilt: üben, üben, üben. So erweitert man sein Verständnis über die Funktionsweise generativer KI und deren Limitierungen. Auf dieser Basis lässt sich schließlich die eigene KI-Strategie entwickeln.
Das Papier-Rezept ist ein Auslaufmodell. Mit dem E-Rezept sollen alle Arzneimittel-Verordnungen über die Telematikinfrastruktur abgewickelt werden. Wir berichten über alle Entwicklungen bei der Einführung des E-Rezeptes. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite E-Rezept.