Was ist neu bei der Therapie? |
Typisch für das Restless-Legs-Syndrom sind Missempfindungen, Kribbeln, Schmerzen und Spannungsgefühle in den Beinen – vor allem in Ruhezeiten. / Foto: Getty Images/Sergey Borodin/EyeEm
Ruheloses Umherwandern, um Missempfindungen, Kribbeln, Schmerzen und Spannungsgefühle in den Beinen zu lindern: Das ist – besonders in den Abend- und Nachtstunden – ein typisches Bild bei Menschen mit dem Restless-Legs-Syndrom (RLS). Die neurologische Störung betrifft Frauen etwa doppelt so häufig wie Männer. Die Lebenszeitprävalenz beträgt etwa 10 Prozent, wobei die Erkrankungshäufigkeit mit dem Alter steigt. Erste Symptome beginnen in der Regel nach dem 30. Lebensjahr, Kinder sind nur sehr selten betroffen.
Das RLS ist zwar nicht lebensbedrohlich, doch mindert es die Lebensqualität enorm. Der Leidensdruck für Betroffene ist hoch. Die Apotheke kann sie in vielerlei Hinsicht unterstützen. Menschen, die unter dem RLS leiden, sich aber noch nicht in ärztlicher Behandlung befinden, versuchen oftmals, die Beschwerden in Eigenregie mit Vitaminpräparaten, Nahrungsergänzungsmitteln oder Hypnotika zu lindern. Dann ist die Apotheke eine niederschwellige Anlaufstelle. Denkt das Apothekenpersonal in solchen Fällen an das RLS und fragt nach Missempfindungen in den Beinen sowie Beschwerden in Ruhe und Besserung unter Bewegung, kann es Betroffene gegebenenfalls frühzeitig an einen Arzt verweisen. Außerdem spielen Apotheker eine wichtige Rolle in der Therapiebegleitung, dienen als Ansprechpartner bei Nebenwirkungen und können Patienten beim Therapiemanagement beistehen. Auch die erweiterte Medikationsberatung ist ein wichtiges Angebot für Menschen mit RLS, da diese häufig mehr als fünf Arzneimittel in der Dauermedikation einnehmen.
In der neuen S2k-Leitlinie »Restless-Legs-Syndrom« stehen nun aktuelle Erkenntnisse zur Pathophysiologie, Diagnostik sowie die Therapiemöglichkeiten beim RLS im Fokus.
Wie das RLS entsteht, ist nach wie vor unvollständig geklärt. Bislang wurde zwischen idiopathischer und sekundärer Form unterschieden. Diese Klassifikation ist nach der neuen Leitlinie obsolet. Es wird nun von einer multifaktoriellen Pathogenese ausgegangen, an der genetische und Umweltfaktoren sowie Komorbiditäten beteiligt sind. Vor allem bei Patienten mit frühem Beginn des RLS, also vor dem 45. Lebensjahr, ist die Familienanamnese häufig positiv. Genomweite Assoziationsstudien konnten Risiko-Loci für die Erkrankung identifizieren.
Insbesondere Veränderungen des Eisen- und Dopaminstoffwechsels scheinen ebenfalls an der Genese beteiligt zu sein. Die Bestimmung der Eisenwerte ist im Rahmen der Anamnese ein wichtiger Untersuchungsaspekt. Menschen mit RLS haben häufig Eisenmangel im zentralen Nervensystem (ZNS). So wurden in Studien erniedrigte Werte des Eisen-Speicherproteins Ferritin- und erhöhte Werte des Eisen-Transportproteins Transferrin im Liquor von Menschen mit RLS sowie erniedrigte Eisenwerte in der Substantia nigra und in anderen Hirnarealen festgestellt. Die Befunde untermauern laut Leitlinie die wissenschaftliche Annahme, dass eine Eisenregulationsstörung, die zu Dysfunktionen der Mitochondrien im ZNS führt, am Krankheitsgeschehen beteiligt ist.
Dass ein Ungleichgewicht von Dopamin eine Rolle bei der Entstehung des RLS spielt, ist seit Langem bekannt. Bildgebende Untersuchungen weisen auf präsynaptisch erhöhte und postsynaptisch erniedrigte Dopaminkonzentrationen hin. Um dieses Missverhältnis auszugleichen, werden Dopaminagonisten und Levodopa schon jahrelang zur Therapie eingesetzt.
Verschiedene Studien weisen außerdem auf die Rolle der Hypoxie, also eines Sauerstoffmangels im Blut, bei der Pathogenese des RLS hin.
Viele Betroffene haben bereits eine Odyssee hinter sich, bis sie Jahre nach Auftreten der ersten Symptome die richtige Diagnose erhalten. Gerade zu Beginn der Erkrankung, wenn nur leichte Beschwerden vorliegen, zeigen ärztliche Untersuchungen oft keine therapiebedürftigen Auffälligkeiten. Wird bei der Anamnese nicht gezielt an ein RLS gedacht, können die zunächst unspezifischen Symptome auch mit anderen Krankheitsbildern in Zusammenhang gebracht werden.
Das Restless-Legs-Syndrom beeinträchtigt häufig den Schlaf von Betroffenen. Die Folge: Sie sind tagsüber müde und gereizt. / Foto: Adobe Stock/fizkes
Charakteristisch für das RLS sind Bewegungsunruhe und Missempfindungen in den Gliedmaßen. Die Patienten leiden in der Regel in Ruhezeiten unter ständigem Kribbeln und Ziehen in den Beinen. Seltener treten diese Symptome in den Armen oder im Brustkorb auf. Häufig werden die Beschwerden nicht als oberflächlich, sondern als tiefliegend empfunden. Typisch ist, dass sie sich beim Aufstehen und Umherlaufen bessern. Die Besserung hält zumindest so lange an, wie die Aktivität ausgeführt wird. Mit Fortschreiten der Erkrankung kann die lindernde Wirkung der Bewegung nachlassen.
Der Drang, sich zu bewegen, sowie die unangenehmen Empfindungen sind abends oder nachts stärker als tagsüber oder treten ausschließlich am Abend oder in der Nacht auf. Vielfach sind unwillkürliche Beinbewegungen im Schlaf zu beobachten, was sowohl Ein- als auch Tiefschlafphasen stören und Betroffene belasten kann. Die nächtlichen Aktivitäten führen dazu, dass die Patienten tagsüber häufig müde und gereizt sind. Möglicherweise ist damit das erhöhte Risiko für Angsterkrankungen und Depressionen bei Menschen mit RLS assoziiert.
Die S2k-Leitlinie »Restless-Legs-Syndrom« definiert fünf Kriterien, die für eine RLS-Diagnose erfüllt sein müssen. Dies dient unter anderem der besseren Abgrenzung zu Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen. Die fünf Kriterien sind:
Wird ein Patient mit RLS-Symptomatik beim Hausarzt vorstellig, erfasst dieser in einem Anamnesegespräch zunächst die Beschwerden und Zusatzkriterien wie eine positive Familienanamnese. Wenn möglich sollte der Patient seine Symptome selbst beschreiben, um eine Abgrenzung zu anderen Krankheitsbildern und Symptomen zu erlauben, die denen des RLS gleichen, den sogenannten RLS-Mimics. Dazu zählen zum Beispiel Polyneuropathie, Muskelkrämpfe oder arterielle und venöse Gefäßerkrankungen.
Durch eine intensive Befragung des Patienten lassen sich einige dieser Mimics ausschließen: So sind etwa Muskelkrämpfe klarer lokalisiert und weniger diffus. Andere Schmerzen, zum Beispiel aufgrund einer Durchblutungsstörung, oder neuropathische Schmerzen schwanken nicht tageszeitabhängig und bessern sich nicht unter Bewegung wie es beim RLS der Fall ist. Schwierig wird eine klare Diagnosestellung, wenn der Patient nicht in der Lage ist, seine Beschwerden zu kommunizieren, wenn andere Erkrankungen, die zu den Differenzialdiagnosen des RLS gehören, vorliegen oder wenn die Symptome sehr mild und/oder selten sind.
Ein ausführliches Anamnesegespräch bildet die Basis der RLS-Diagnostik. / Foto: Getty Images/Westend61
Bei Verdacht auf das RLS kann ein positiver L-Dopa-Test, also eine Besserung der RLS-Symptomatik nach der Einnahme einer Testdosis Levodopa, die Diagnose bestätigen. Etwa bei 90 Prozent der RLS-Patienten schlägt der Test an. Ist der Test nicht eindeutig oder negativ, sollen Differenzialdiagnosen, Komorbiditäten und beeinflussende Medikamente identifiziert werden. Dazu kommen bildgebende Verfahren, Elektromyografie sowie Elektroneurografie zum Einsatz. Laboruntersuchungen dienen dazu, verstärkende Faktoren wie Niereninsuffizienz oder Vitamin B12-, Folsäure- oder Eisenmangel zu identifizieren. Der Eisenstoffwechsel sollte bei allen Personen mit RLS sowohl zum Zeitpunkt der Diagnose als auch vor Therapiebeginn und immer, wenn sich die RLS-Symptomatik verschlechtert, bestimmt werden. Bei der Beratung betroffener Patienten kann Apothekenpersonal auf diese neue Empfehlung hinweisen.
Das RLS kommt gehäuft bei einer Reihe von Erkrankungen wie Morbus Parkinson, Multiple Sklerose, chronischen Schmerzen oder Narkolepsie vor. Es fehlt an wissenschaftlichen Daten, die klar belegen, ob eine zweite Erkrankung ein RLS auslöst, wegen gemeinsamer ätiologischer Faktoren gehäuft mit RLS auftritt oder ob es sich um eine gehäufte Folgekrankheit bei bestehendem RLS handelt. Ob das RLS als Komorbidität einer anderen Erkrankung auftritt oder die Symptome dem RLS ähneln, also RLS-Mimics vorliegen, ist nicht immer klar zu unterscheiden. Eine Polyneuropathie kann sich beispielsweise durch ein »rein polyneuropathisches« Bild oder in erster Linie in Form eines RLS äußern. Beide Syndrome können auch als Mischform vorliegen. Generell wird davon ausgegangen, dass bereits das Vorhandensein mehrerer neurologischer und internistischer Krankheiten die Wahrscheinlichkeit für RLS-Symptome erhöht.
Ein unterstützendes Kriterium bei der Diagnosestellung sind periodische Beinbewegungen während des Schlafes (PLMS). Diese kommen jedoch auch bei Patienten mit anderen Schlafstörungen wie Schlafapnoe und schlafbezogenen Atemstörungen vor. PLMS können mittels Polysomnografie festgestellt werden, bei der in Schlaflaboren die Vitalfunktionen während des Schlafes aufgenommen und analysiert werden.
Einige Medikamente können die Symptomatik des Restless-Legs-Syndroms verstärken. / Foto: Getty Images/Science Photo Library
Im Rahmen der Diagnosestellung ist eine Anamnese der eingenommenen Medikamente durchzuführen. Antipsychotika und Metoclopramid (MCP) wirken antidopaminerg und können die RLS-Symptomatik verstärken. Auch Antidepressiva wie Mirtazapin, Citalopram, Paroxetin, Venlafaxin oder andere selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Inhibitoren (SSRI) können die Symptomatik potenziell verschlechtern, werden aber auch teilweise gegen begleitende depressive Beschwerden bei Betroffenen eingesetzt. Bei der Therapieeinführung ist auf eine Veränderung der Symptomatik zu achten. Bupropion, Trazodon, Nefazodon und Doxepin gelten als verträglicher bei RLS.
Ein übermäßiger Bewegungsdrang kann auch durch ein medikamentös ausgelöstes Serotonin-Überstimulationssyndrom ausgelöst sein. Dies tritt bei Überdosierungen von serotonergen Medikamenten wie SSRI, selektiven Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmern (SSNRI), Monoaminooxidase-Hemmern, Tramadol oder Linezolid auf.
Nur ein kleiner Teil der Menschen mit RLS braucht eine medikamentöse Therapie; laut der Deutschen Gesellschaft für Neurologie sind es 1 bis 2 Prozent. Der Leitlinie zufolge ist das entscheidende Kriterium für die Behandlung, ob die Lebens- und Schlafqualität aufgrund von imperativem Bewegungsdrang, Schmerz, Insomnie und Tagesmüdigkeit beeinträchtigt sind. Komorbide Erkrankungen sollten vorab identifiziert und behandelt sowie Komedikationen, die RLS-Beschwerden verstärken können, möglichst umgestellt werden. Eine medikamentöse Therapie des RLS sollte dann zunächst intermittierend oder kontinuierlich mit einer niedrigen Dosis erfolgen. Entsprechend der Intensität der Beschwerden wird die Therapie intensiviert. Maßgabe dabei ist, möglichst niedrige Dosierungen einzusetzen und so spät wie möglich zu eskalieren.
Mittel der ersten Wahl bei leichten Beschwerden und niedrigen Eisenspiegeln (Serumferritin ≤ 75 µg/l) ist die orale Supplementation von 325 mg Eisen-II-Sulfat zweimal täglich zusammen mit 100 mg Vitamin C, was die Resorption verbessert. Bei der Abgabe sollte Apothekenpersonal auf potenzielle gastrointestinale Nebenwirkungen wie Obstipation, Übelkeit oder Sodbrennen hinweisen. Es stehen Filmtabletten, Tropfen oder retardierte Darreichungsformen, die sich zum Schutz der Magenschleimhaut erst im Dünndarm auflösen, zur Verfügung. Letztere sollten nüchtern eingenommen werden, also etwa eine Stunde vor oder mindestens zwei Stunden nach einer Mahlzeit. Außerdem sollte ein zeitlicher Abstand von etwa einer Stunde zu Tee, gerbstoffhaltigen Nahrungsmitteln und von zwei Stunden zu Chelatbildnern eingehalten werden. Nicht retardierte Zubereitungen werden besser resorbiert, sind aber tendenziell schlechter verträglich.
Falls der Serumferritinwert durch die orale Eisensupplementation nicht steigt oder diese wegen gastrointestinaler Beschwerden nicht vertragen wird, sollte frühzeitig eine intravenöse Behandlung mit Ferrocarboxymaltose erfolgen.
Eine 72-jährige Patientin mit RLS-Diagnose seit vier Jahren leidet aktuell unter Übelkeit, Benommenheit und Unwohlsein. Sie führt dies auf ihre Medikamente zurück. Sie nimmt dreimal täglich 100 mg Pregabalin ein, dazu am Abend eine Tablette mit 100 mg Levodopa und 25 mg Benserazid. Die Missempfindungen in der Nacht sind weiterhin vorhanden, aber erträglich. Die letzte neurologische Untersuchung liegt drei Jahre zurück. Abweichend von der aktuellen Leitlinienempfehlung nimmt sie Levodopa regelmäßig ein. Im Gespräch informiert die Apothekerin die Patientin über die neuen Empfehlungen zur Überprüfung des Eisenstatus und die Neuerungen in der Therapie des RLS. Die Patientin will daraufhin einen Facharzt aufsuchen, um die Therapie überprüfen zu lassen, und vorher eine Blutuntersuchung beim Hausarzt anfragen. Nach dem Hausarztbesuch wird ihr eine Eisensupplementierung empfohlen und eine temporäre Dosisreduktion von Pregabalin auf 200 mg am Abend mit Aussetzen von Levodopa vorgenommen, um die Verträglichkeit zu verbessern. Durch die Anpassung der Therapie besserten sich die Beschwerden.
Ist der Ferritinspiegel nicht erniedrigt oder bessert die Eisensupplementierung die Beschwerden nicht ausreichend, stehen die Non-Ergot-Dopaminagonisten Rotigotin, Ropinirol oder Pramipexol als Therapeutika der ersten Wahl zur Verfügung. Die Dosis soll so niedrig wie möglich sein, um einer Augmentation vorzubeugen. Unter der Augmentation ist ein im Tagesverlauf früheres Auftreten der RLS-Symptome, eine Verstärkung der Symptome und/oder eine Ausweitung der Beschwerden zum Beispiel auf die Arme unter dopaminerger Medikation zu verstehen.
Nicht retardierte Darreichungsformen von Pramipexol und Ropinirol haben den Vorteil eines raschen Wirkungseintritts, sind aber auch kürzer wirksam als Rotigotin, das kontinuierlich über 24 Stunden aus einem transdermalen System freigesetzt wird. Letzteres eignet sich also eher für Patienten, die auch tagsüber und nicht nur abends Beschwerden haben. Die Wirksamkeit retardierter Zubereitungen von Pramipexol und Ropinirol wurde für die Indikation des RLS nicht untersucht, sodass sie off Label verordnet werden. Patienten sollten mögliche Nebenwirkungen bei der Eindosierung wie Schwindel, Ödembildung, Übelkeit und Benommenheit kennen. Im längeren Therapieverlauf können auch Tagesmüdigkeit und Impulskontrollstörungen auftreten.
Eine Alternative zu Dopaminagonisten sind die Gabapentinoide Pregabalin und Gabapentin. Die Anwendung bei RLS erfolgt mangels Zulassung off Label. Die Leitlinie empfiehlt Gabapentin in einer Dosierung von 200 mg mit der Option, auf maximal 1800 mg aufzudosieren. Pregabalin ist bei moderatem bis schwergradigem RLS in Dosierungen zwischen 150 und 450 mg bei jeweils einmaliger Gabe am Abend wirksam. Da die Gabapentinoide renal eliminiert werden, gilt es, die Nierenfunktion zu überwachen und bei Niereninsuffizienz eine Dosisanpassung vorzunehmen. Dosisabhängige Nebenwirkungen sind Schwindel, periphere Ödeme, Gangunsicherheit, Benommenheit und Sehstörungen. Nicht selten sind diese für die hohen Abbruchraten der Arzneistoffe verantwortlich.
Foto: Adobe Stock/pressmaster
Die Symptomatik des RLS in der Schwangerschaft folgt dem allgemeinen Bild. So gelten auch die Diagnosekriterien gleichermaßen. Krankheitsverstärkende Faktoren wie ein Eisenmangel, der bei Schwangeren häufig auftritt, sind auszuschließen oder zu behandeln. Bei einem Ferritinwert ≤ 75 μg/l soll eine Eisensubstitution vor dem zweiten Trimenon bevorzugt oral erfolgen. Ab dem zweiten Trimenon gilt auch die intravenöse Gabe von Eisen als sicher. Ferrocarboxymaltose ist dann Mittel der ersten Wahl. Levodopa in Kombination mit Carbidopa kann zur Therapie von refraktärem RLS in der Schwangerschaft verwendet werden (100/25 mg bis 200/50 mg Standard oder retardiert zur Nacht oder am Abend). Die Tagesdosis von Levodopa sollte 200 mg nicht überschreiten. Die Kombination mit Benserazid ist wegen embryotoxischer Nebenwirkung nicht empfohlen. Auch Dopaminagonisten sind in der Schwangerschaft nicht geeignet. Niedrig dosiertes Oxycodon/Naloxon (5–20 mg/Tag) kann zur Behandlung bei sehr schwerem, therapierefraktärem RLS in der Schwangerschaft zum Einsatz kommen, allerdings so kurz und so niedrig dosiert wie möglich. Gabapentinoide sollten nicht eingesetzt werden, da Gabapentin in tierexperimentellen Studien toxische Effekte bei der Synaptogenese gezeigt hat.
Levodopa wurde lange Zeit zur kontinuierlichen Therapie verwendet. Aufgrund der hohen Augmentationsrate bei täglicher Einnahme, insbesondere bei Dosen ab 200 mg, soll der Wirkstoff nun nur noch intermittierend und/oder zur Diagnostik mit einer maximalen Tagesdosis von 100 mg gegeben werden.
Bei einer Augmentation oder Therapieversagen der beschriebenen Optionen ist als Mittel zweiter Wahl retardiertes Oxycodon/Naloxon in einer Dosierung von initial zweimal 5/2,5 mg bis maximal zweimal 30/15 mg pro Tag bei mittelgradigem bis schwerem RLS zugelassen. Entsprechend der Nierenfunktion muss gegebenenfalls eine Dosisanpassung erfolgen. Typische Nebenwirkungen sind Obstipation, Hyperhidrosis, Pruritus, Müdigkeit und Benommenheit. Andere retardierte Opioide können off-Label eingesetzt werden. Bei Patienten mit komorbidem Schlafapnoesyndrom muss die Eindosierung eines Opioids wegen des Risikos einer Atemdepression vorsichtig und unter Überwachung der Respiration erfolgen.
Zur Therapieeskalierung ist unter Umständen die Kombination von einem Dopaminagonisten mit einem Opioid und/oder einem Gabapentinoid möglich.
Wirkstoffgruppe | Wirkstoff | Min./Max. Tagesdosis | Hinweise |
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Mittel der ersten Wahl | |||
Eisenpräparate | Eisen-II-Sulfat | 325 mg zweimal täglich mit jeweils 100 mg Vitamin C (p.o.) | bei leichtgradigem RLS und Ferritin ≤ 75 μg/l oder Transferrinsättigung < 20 % |
Eisenpräparate | Ferrocarboxymaltose | 1000 mg Einmalgabe (i. v.) | bei mittel- bis schwergradigem RLS und Ferritin ≤ 75 und nicht > 300 μg/l oder Transferrinsättigung < 20 %,bei Unverträglichkeit oder Resorptionsstörungen bei oraler Eisenapplikation |
Non-Ergot-Dopaminagonisten | Pramipexol | 0,18–0,52 mg | retardierte Form als Off-Label-Anwendung |
Non-Ergot-Dopaminagonisten | Ropinirol | 0,25–4 mg | retardierte Form als Off-Label-Anwendung |
Non-Ergot-Dopaminagonisten | Rotigotin | 1–3 mg | empfohlene Dosis 2 mg, in der Zulassungsstudie keine Besserung unter der Gabe von 3 mg |
Gabapentinoide | Gabapentin | 200–1800 mg in mehreren Dosierungen über den Tag verteilt | Off-Label-Anwendung |
Gabapentinoide | Pregabalin | 150–450 mg150–300 mg Einmaldosis am Abend | Off-Label-Anwendung |
Mittel der zweiten Wahl | |||
Opioide | Oxycodon/Naloxon ret. | 2 × 5/2,5–2 × 10/5 mg, max.: 2 × 30/15 mg | mittlere wirksame Dosis: 2 × 10/5 mg, Schlafapnoesyndrom beachten |
Sporadisches/intermittierendes RLS | |||
Dopaminergika | Levodopa/Decarboxylase-inhibitor | 100 mg/25 mg | möglichst nur 100 mg/d, hohes Risiko der Augmentation, nach Möglichkeit nur intermittierende Gabe oder zu diagnostischen Zwecken |
Yoga kann beim Restless-Legs-Syndrom nachweislich die Schlafqualität verbessern und die Symptomschwere reduzieren. / Foto: Adobe Stock/New Africa
Aufgrund der Symptomatik werden immer wieder auch Behandlungsversuche mit Magnesium, Cannabinoiden oder Benzodiazepinen erwogen. Für diese Optionen gibt es keine Evidenz, sie sind laut Leitlinie nicht zu empfehlen. Gleiches gilt für die nicht medikamentösen Maßnahmen Kryotherapie, Akupunktur sowie für die Phytotherapie.
Nicht medikamentöse Maßnahmen mit Evidenz sind hingegen die transkranielle Gleichstromstimulation, Bewegungstraining wie Yoga und die Infrarotlicht-Therapie. Sie können allein oder zusätzlich zur medikamentösen Therapie ausprobiert werden. Eine Supplementierung von Vitamin B12 und Folsäure kann ebenfalls erwogen werden.
Katja Renner ist Apothekerin und arbeitet seit 2000 als Dozentin für verschiedene Apothekerkammern und die ABDA. Ihr Schwerpunkt ist die praxisnahe Fortbildung zu Themen wie Depression, Kinder- oder Atemwegserkrankungen sowie zu Arzneimitteln in der Schwangerschaft. Renner ist Mitglied des Fort- und Weiterbildungsausschusses der Apothekerkammer Nordrhein und gehört zum Projektteam von ATHINA.