Was bei Senioren zu beachten ist |
Neben der Alterung der wichtigsten Ausscheidungsorgane treten weitere für die Pharmakotherapie relevante Veränderungen auf, unter anderem der Körperzusammensetzung. Der Fettanteil steigt mit zunehmendem Alter, während das Gesamtkörperwasser abnimmt. Es resultieren veränderte Verteilungsvolumina (9). Gleichzeitig nimmt das subkutane Fettgewebe im Alter ab. Die Haut insgesamt wird dünner, trockener und weniger durchblutet (10).
Die perorale Gabe von Arzneimitteln wird besonders durch Veränderungen des Verdauungssystems beeinflusst. Diese können bereits in der Mundhöhle mit Schluckbeschwerden beginnen. Im Magen kommt es zu einer verzögerten Entleerung und veränderten Säureproduktion, die sowohl reduziert als auch erhöht sein kann. Die für die Aufnahme eines Arzneistoffs relevante Resorptionsfläche im Darm reduziert sich bei gleichzeitiger Abnahme von Durchblutung und Motilität (11).
Aufgrund der nachlassenden Organfunktionen haben ältere Menschen ein erhöhtes Risiko für unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW). Daher sind besondere Anstrengungen zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit notwendig. Im Mittelpunkt steht immer die Individualisierung der Therapie auf Basis der vollständigen Erfassung der Medikation einschließlich der Selbstmedikation. Im Folgenden werden vier Handlungsempfehlungen vorgestellt, mit denen die Risiken für UAW im Alter reduziert werden können.
Altersbedingte Veränderungen der Nierenfunktion zählen zu den wichtigsten physiologischen Faktoren, die UAW zur Folge haben können. Eine regelmäßige Kontrolle der Nierenfunktion sollte daher bei älteren Patienten Routine sein.
Die Nierenfunktion wird in der Regel anhand der Kreatinin-Clearance beurteilt, dem Quotienten aus Kreatinin-Urinausscheidung und Kreatinin-Serumkonzentration. Kreatinin ist ein Stoffwechselprodukt, das bei der Energieversorgung der Muskulatur aus Kreatin gebildet wird. Die renale Kreatinin-Ausscheidung verringert sich aufgrund der abnehmenden Muskelmasse im Alter, während die Serumkonzentration konstant bleibt. Die Kreatinin-Clearance nimmt somit als Quotient der beiden physiologisch ab (Abbildung 1) (12).
Abbildung 1: Änderung der Kreatinin-Urinausscheidung, Kreatinin-Serumkonzentration und Kreatinin-Clearance mit dem Lebensalter; modifiziert nach (12) S. 367 / Foto: PZ/Stephan Spitzer
Zur Bestimmung der Kreatinin-Clearance ist es notwendig, den Urin des Patienten zu sammeln, was in der Praxis schwierig ist. Daher wird sie meist anhand verschiedener Formeln, zum Beispiel der Cockcroft-Gault-Formel, MDRD-Formel oder CKD-EPI-Formel, abgeschätzt. Am genauesten ist die CKD-EPI-Formel, die aus vier Gleichungen besteht und die Kreatinin-Serumkonzentration je nach Geschlecht berücksichtigt (bei Frauen unter oder über 0,7 mg/dl; bei Männern unter oder über 0,9 mg/dl) (13).
Bei älteren Patienten stoßen alle genannten Formeln aufgrund der geringen Muskelmasse an ihre Grenzen. Wenn Zweifel an der über Kreatinin geschätzten GFR (glomeruläre Filtrationsrate) bestehen, kann das endogene Protein Cystatin C zur GFR-Schätzung herangezogen werden. Dessen Serumkonzentration wird nicht durch Alter, Geschlecht oder Muskelmasse beeinflusst (12).
Mittlerweile wird für die Feststellung einer chronischen Nierenerkrankung nicht mehr ausschließlich die Nierenfunktion herangezogen. Nach KDIGO (Kidney Disease Improving Global Outcome) ist eine CKD (Chronic Kidney Disease) definiert als Veränderung der Struktur oder Funktion der Niere, die mindestens drei Monate andauert und gesundheitlich relevant ist. Klassifiziert wird sie neben der GFR auch durch das Auftreten und den Grad einer Albuminurie (14). Da Albumin physiologisch kaum über den Urin ausgeschieden wird, wird diese mit einer Nierenschädigung assoziiert.
Die Einschätzung der Leberfunktion ist in der Routine deutlich schwieriger, da es keinen Parameter gibt, der die Leberfunktion vollumfänglich abbildet. Daher werden häufig Scores wie der Child-Pugh-Score verwendet (Tabelle 1). Dieser dient der Bestimmung des Schweregrads der Leberschädigung bei einer Leberzirrhose. Die gemeinsame Bewertung von fünf leberabhängigen Parametern erlaubt einen Rückschluss auf die Funktionsfähigkeit des Organs.
Parameter | 1 Punkt | 2 Punkte | 3 Punkte |
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Grad der Enzephalopathie | – | I bis II | III bis IV |
Aszites | – | leicht | mittelgradig |
Bilirubin (mg/dl) | < 2 | 2 bis 3 | > 3 |
Albumin (g/dl) | > 3,5 | 2,8 bis 3,5 | < 2,8 |
INR | < 1,7 | 1,7 bis 2,2 | > 2,2 |
Albumin und Bilirubin eignen sich als nicht enzymatische Lebermarker, da Albumin in der Leber gebildet wird, während Bilirubin nach Kopplung an Glucuronsäure in der Leber biliär ausgeschieden wird.
Der INR-Wert hängt neben dem Vitamin K als Kofaktor auch von der Synthese von Gerinnungsfaktoren ab, die in der Leber stattfindet (15).
Die hepatische Enzephalopathie resultiert aus einem verminderten Abbau von Schadstoffen, zum Beispiel Ammoniak in der Leber, ein Aszites unter anderem aus dem verminderten kolloidosmotischen Druck im Blut durch Albuminmangel.
Als einzelne enzymatische Marker werden neben den Transaminasen Alanin-Aminotransferase (ALT, früher GPT) und Aspartat-Aminotransferase (AST, früher GOT) auch die alkalische Phosphatase und die Gamma-Glutamyltransferase genutzt. Allerdings sind diese Marker recht unspezifisch und ermöglichen keinen direkten Rückschluss auf die Leberfunktion (15).