Warum ganzjähriges Impfen für Apotheken Vorteile bietet |
Über Chancen von Impfungen in Apotheken diskutierten (von rechts): die leitende Apothekerin Iris Blaschke, Ina Lucas (Apothekerkammer Berlin), Anke Rüdinger (DAV), Thomas Preis (AVNR) und Ramin Heydarpour (Pfizer). Manfred Schubert-Zsilavecz moderierte. / © PZ/Anne Orth
Wie schaffen wir es, die Impfquoten in Deutschland zu erhöhen? Welchen Beitrag können die Apotheken dabei leisten? Mit diesen Fragen eröffnete Moderator Manfred Schubert-Zsilavecz die Diskussion zum Thema »Potenziale und Chancen – Impfen in der Apotheke«. Denn die Impfquoten in Deutschland sind im europäischen Vergleich niedrig, wie Manfred Schubert-Zsilavecz informierte. In der Saison 2021/22 waren aber gerade einmal 35,4 Prozent der Erwachsenen mit einer relevanten Grunderkrankung gegen Influenza geimpft. In der Gruppe der Älteren lagen die Impfquoten zwar etwas höher, aber immer noch weit unter dem empfohlenen Wert von 75 Prozent.
Um die Impfquoten zu steigern, hat die Bundesregierung die Möglichkeit eröffnet, dass Apothekerinnen und Apotheker gegen Grippe und Corona impfen. Im Entwurf des Apotheken-Reformgesetzes (ApoRG) ist zudem vorgesehen, dass Apotheker künftig gegen weitere Erkrankungen impfen dürfen, bei denen Totimpfstoffe zum Einsatz kommen; also beispielsweise auch gegen Tetanus, Diphtherie und FSME.
»Das Impfangebot in Apotheken muss bekannter werden«, sagte Anke Rüdinger, stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbands (DAV) und Vorsitzende des Berliner Apotheker-Vereins. Dazu könnten Aktionen wie die »Lange Nacht des Impfens« am 1. Oktober beitragen, die sehr erfolgreich verlaufen sei. Zudem plädierte Rüdinger dafür, dass Apothekerinnen und Apotheker berechtigt sein sollten, weitere Schutzimpfungen durchzuführen, bei denen Totimpfstoffe zum Einsatz kommen. Dazu hatte der Berliner Apotheker-Verein auf dem DAT einen Antrag gestellt, den die Delegierten annahmen. »Wenn Pharmazeuten gegen weitere Erkrankungen impfen dürfen, etwa FSME, Tetanus und Diphtherie, lohnt es sich wirtschaftlich für sie eher. Dann werden auch mehr Inhaber Impfungen in ihren Apotheken anbieten«, so Rüdinger.
Diese Ansicht vertrat auch Iris Blaschke, Leitende Apothekerin aus Bayern. »Wenn wir mit allen Totimpfstoffen impfen dürfen, wird es für die Patientinnen und Patienten normal werden, sich in einer Apotheke immunisieren zu lassen«, argumentierte sie. Auch für die Pharmazeuten sei es vorteilhaft, wenn sie ganzjährig impfen könnten. Dann könnten sie Routinen entwickeln und hätten eine bessere Auslastung der Räume für die Impfangebote. Um Vorbehalte der Ärzteschaft gegen Impfungen in Apotheken zu entkräften, plädierte Blaschke dafür, den Medizinern zu verdeutlichen, »dass wir ihnen nichts wegnehmen«. Denn Apotheker impften schließlich zu Zeiten, in denen die Praxen geschlossen haben.
Gespräche zum Thema mit der Ärzteschaft hält Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbands Nordrhein (AVNR), ebenfalls für sinnvoll. Diese fänden auch bereits statt. »Die Ärzte sehen es kritisch, dass Apotheker impfen. Sie sehen aber auch, dass die Erreichbarkeit ihrer Praxen begrenzt ist«, so Preis. Angesichts des Ärztemangels sieht er die »Apotheke der Zukunft« als Anlaufstelle für Patienten auch bei Erkrankungen. Darauf sollten sich die Inhaberinnen und Inhaber vorbereiten.
Apothekerinnen und Apotheker sollten ganzjährig impfen dürfen, forderte auch Preis. Das würde noch wesentlich mehr Kolleginnen und Kollegen motivieren, in ihren Offizinen Impfungen anzubieten. So habe eine Befragung des AVNR ergeben, dass die Möglichkeit zum Angebot ganzjähriger Impfungen die Zahl der Apotheken mit Impfangebot voraussichtlich verdoppeln würde.
Nach Angaben der ABDA impfen derzeit bundesweit etwa 1600 Apotheken – also fast jede zehnte Apotheke in Deutschland. In Nordrhein-Westfalen sind es laut Preis mit 20 Prozent wesentlich mehr.
Doch warum impfen bundesweit erst relativ wenige Apothekerinnen und Apotheker? Laut Ina Lucas, Präsidentin der Apothekerkammer Berlin, benötigen die Pharmazeuten in den Vor-Ort-Apotheken im Moment noch sehr viel Zeit für die Dokumentation rund ums Impfen. Die Kolleginnen und Kollegen, die bereits impften, hätten aber viel Freude daran. »Wir brauchen ein flächendeckendes Impfangebot in Apotheken«, machte auch Lucas deutlich.
Rüdinger plädierte ebenfalls dafür, dass sich noch mehr Apotheker fürs Impfen öffnen. Was das Honorar angehe, sei allerdings »noch Luft nach oben«, befand die Vorsitzende des Berliner Apothekervereins.
Für Ramin Heydarpour, Market Asset Manager bei Pfizer, ist die Sache klar: »Apotheken sind mit der beste Ort, um zu impfen und die Impfquote zu erhöhen.« Durch lange Öffnungszeiten böten sie Patienten einen niedrigschwelligen Zugang zu Impfleistungen. Auch für Notfälle im Zusammenhang mit Impfungen, die extrem selten aufträten, seien Apotheker durch Schulungen bestens vorbereitet. Heydarpour appellierte an alle Akteure im Gesundheitswesen, zusammenzuarbeiten, um die Impfquoten zu erhöhen.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.