Waldspaziergang statt Antidepressivum |
Christina Hohmann-Jeddi |
22.02.2023 18:00 Uhr |
Als schützende Faktoren für die psychische Gesundheit hätten sich zum Beispiel positive soziale Interaktionen mit anderen Menschen, körperliche Aktivität und vor allem Naturerleben herausgestellt, berichtete Meyer-Lindenberg. Dass sich Naturerleben positiv auf Gehirnfunktionen und das Wohlbefinden auswirkt, konnten Forschende um Professor Dr. Gregory Bratman von der Stanford University, USA, bereits 2015 in einer kontrollierten Studie nachweisen (»PNAS«). Die Forschenden ließen 38 Probanden entweder einen 90-minütigen Spaziergang durch die Stadt oder durch einen Wald machen und maßen anschließend verschiedene Gehirnfunktionen und psychologische Parameter.
»Nach dem Waldspaziergang fühlten sich die Probanden besser als nach einem Stadtspaziergang«, sagte Meyer-Lindenberg. Die Personen, die durch die Natur spazierten, schnitten auch in kognitiven Tests besser ab, berichteten über weniger Angstsymptome und über weniger Grübeln (Rumination). Letzteres ist mit einem erhöhten Risiko für Depressionen assoziiert. »Vermittelt wurden die Effekte offenbar über das perigenuale Zingulum«, berichtete der Psychiater.
In einer eigenen Studie konnte Meyer-Lindenberg nachweisen, dass das Ausmaß an Grünfläche, das Menschen in einer Woche sehen, sich auf ihr Wohlbefinden auswirkt. »Jeder fühlt sich besser, wenn er mehr Grünflächen begegnet.« Manche Menschen profitierten aber mehr als andere. Besonders stark reagierten Personen, die Probleme bei der Emotionsregulation hätten, so der Referent. Die Natur helfe, wenn Probleme bestünden, negative Emotionen zu verarbeiten.
Auf die Wirkung von Grünflächen auf die Psyche ging auch Professor Dr. Mazda Adli, Leiter der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Berliner Charité, ein. So könne schon ein kurzer Aufenthalt im Grünen das Stresslevel senken. Das konnte im Jahr 2019 eine Gruppe um Professor Dr. Mary Carol Hunter anhand von Cortisol-Messungen im Speichel bei Probanden nach Naturexposition zeigen (»Frontiers in Psychology«). Dabei hatte eine Dauer von 20 bis 30 Minuten den stärksten Effekt. Ob man bei dem Aufenthalt spazierte oder saß, spielte dabei keine Rolle.
Eine deutsche Arbeitsgruppe habe zudem gezeigt, dass ein Spaziergang von einer Stunde die Amygdala-Aktivität reduziere. »Grün besänftigt unser Gehirn und macht uns resilienter«, so Adli. Er nannte weitere Effekte: So sinke die Suizidrate bei steigender Baumkronendichte in der Wohnumgebung und auch der Gebrauch von Psychopharmaka, vor allem Antidepressiva, nehme bei steigendem Grünflächenanteil am Wohnort ab. Letzteres wurde in mehreren Studien gezeigt.