Viele FSME-Fälle erwartet |
Verena Schmidt |
20.02.2024 15:00 Uhr |
Zecken sind mittlerweile fast ganzjährig aktiv. Unter anderem deshalb erwarten Experten 2024 eine steigende Zahl von FSME-Fällen. / Foto: Getty Images/Elke Schroeder/EyeEm
Das Robert-Koch-Institut (RKI) hatte 2023 insgesamt 527 gemeldete FSME-Infektionen gezählt, im Jahr 2022 waren es noch 627 gewesen. Nach wie vor konzentriert sich der Großteil der FSME-Fälle auf Baden-Württemberg (143 Fälle) und Bayern (265 Fälle). Doch die Zahlen täuschen, betonten die Experten bei der Online-Pressekonferenz. Der längerfristige Trend zeige deutlich nach oben.
Die Frequenz besonders zeckenreicher Jahre habe sich in den vergangenen Jahren erhöht, berichtete Dr. Rainer Oehme, Laborleiter des Landesgesundheitsamts im Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg. »Früher hatten wir in Baden-Württemberg alle drei Jahre besonders hohe FSME-Zahlen, seit etwa 2017 beobachten wir einen zweijährigen Rhythmus.« Demnach sei auch in diesem Jahr mit hohen Infektionszahlen zu rechen.
Ein Grund für die steigenden FSME-Fallzahlen ist auch, dass die Zecken inzwischen nahezu ganzjährig aktiv sind. Die Gefahr einer Infektion bestehe schon früh im Jahr, erklärte Professor Dr. Ute Mackenstedt, Parasitologin an der Universität Hohenheim. »In diesem Jahr gab es bereits sechs Fälle in Baden-Württemberg und Bayern. Bei einem Vorlauf von vier Wochen bis zur Diagnose muss die Infektion also im Winter stattgefunden haben«, sagte sie.
Besonders hoch ist die Zeckenaktivität laut Mackenstedt im Frühjahr: Zusätzlich zu den Zecken, die dann schlüpfen, kämen diejenigen Zecken, die den milden Winter überlebt haben. Untersuchungen aus München zeigen auch, dass der Gemeine Holzbock (Ixodes ricinus) aktiv wird, sobald kein Schnee mehr liegt. In der Stadt, wo es meist 1 bis 2 °C wärmer als im Umland ist, werden die Zecken etwa vier Wochen früher aktiv als in ländlichen Gebieten.
Die Forschenden können außerdem immer mehr sogenannte Naturherde identifizieren – kleine, räumlich begrenzte Gebiete, in denen besonders viele FSME-positive Zecken vorkommen. Mackenstedt: »Im Kreis Ravensburg etwa hatten wir 2007 acht solcher Naturherde, 2023 waren es bereits 25.«
In Süddeutschland gäbe es mehr Naturherde als im Norden. »Einige sind zum Teil schon 20 bis 30 Jahre alt, aber es kommen immer mehr dazu«, so die Parasitologin. Die infizierten Zecken würden aus Tschechien, Polen und der Schweiz durch Tiere eingeschleppt, in Norddeutschland stammten sie aus dem Baltikum. Genau verstanden seien diese Naturherde allerdings noch nicht, so Mackenstedt, es seien viele Fragen offen. Beispielsweise warum diese räumlich begrenzten Gebiete über lange Zeiträume stabil sind, die Zecken also kaum wandern, ist aktuell Gegenstand von Untersuchungen.
Neue Studien belegten, dass es bei FSME auch eine hohe Dunkelziffer gebe, berichtete Professor Dr. Gerhard Dobler, Leiter des Nationalen Konsiliarlabors FSME am Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München. Untersuchungen seines Arbeitskreises, bei denen Blutproben von Blutspendern im Ortenau-Kreis in Baden-Württemberg auf Antikörper einer natürlichen Infektion untersucht und mit Blutproben von 1986 verglichen wurden, zeigten, dass das Virus rund siebenmal häufiger übertragen werde als bisher angenommen. »Das Infektionsgeschehen ist also sehr hoch, auch wenn eine Infektion nicht immer zur Erkrankung führt«, so Dobler.
Der Mediziner rät daher zur FSME-Impfung. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die Impfung allen Personen, die in Risikogebieten zeckenexponiert sind, sich also in der Natur aufhalten. Die Grundimmunisierung besteht aus drei Impfungen, danach sollte eine Auffrischimpfung alle fünf Jahre, ab dem 60. Lebensjahr alle drei Jahre erfolgen. Auf der RKI-Website gibt es eine Karte der aktuellen FSME-Risikogebiete in Deutschland (aktueller Stand: 2. März 2023 – demnächst müsste eine Aktualisierung erscheinen).