Viel Bürokratie und langwierige Verfahren |
»Oft erscheint alles ganz einfach: Eine Klinik oder ein MVZ will einen Arzt einstellen, der Arzt will eingestellt werden«, sagt Agentur-Chefin Seidel. Für die Bewerber entwickelt sich das Herbeischaffen aller Dokumente und der Vergleich mit den deutschen Anforderungen trotzdem nicht selten zum Drama. Seidel erläuterte, es könne schnell zwei, drei Monate länger dauern, wenn der Anerkennungsbehörde ein Zeugnis fehlt. »Die Anerkennungsverfahren ziehen sich in die Länge, wenn die Unterlagen nicht vollständig vorliegen oder die Personalressourcen in den Behörden eine schnelle Prüfung nicht zulassen«, meint Lundershausen.
»Oft liegt es auch nicht an den Behörden, etwa wenn Dokumente nachgereicht werden«, sagt Dörfler. Sie findet: Es könnte alles auch einfacher sein. Denn heute müssen Antragsteller ihre Dokumente auf jeden Fall erst auf Gleichwertigkeit in Deutschland prüfen lassen. Aber bei rund drei von vier Bewerbern reichen die Zeugnisse nicht. Sie müssen in eine persönliche Arztprüfung, die Kenntnisprüfung. Dörfler schlägt vor, dass die Betroffenen künftig vorher wählen dürfen, ob sie ihre Dokumente überprüfen lassen. Bei mangelnder Erfolgsaussicht sollten sie sich gleich auf die Kenntnisprüfung konzentrieren können. Dörfler wirbt für die Idee: »Es würde eine Menge Behördenarbeit einsparen.«
Die Expertinnen sind sich einig: Die Zusammenarbeit der Behörden sei ausbaufähigen, so Ärztekammer-Vize Lundershausen. Seidel: »Es wäre wichtig, bürokratische Hürden zu senken. Im Gegensatz zu den sprachlichen und fachlichen Voraussetzungen, die einfach gegeben sein müssen.«
Doch sind die fachlichen Qualifikationen für den Einsatz an den Patienten auch immer gegeben? »Wir haben es mit einem sehr heterogenen Feld an Bewerbern und Bewerberinnen zu tun«, mahnte der Leiter des Instituts für Ausbildung und Studienangelegenheiten an der Medizin-Fakultät in Münster, Bernhard Marschall. »Dass jemand sehr versierte Erfahrungen mitbringt, ist sehr selten.« Zum Schutz der Patientinnen und Patienten seien gründliche Anerkennungsverfahren unabdingbar.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) räumte auf dem Ärztetag im Mai ein, über Jahre seien auch aus Spargründen zu wenig Ärztinnen und Ärzte hierzulande ausgebildet worden. Stattdessen hole Deutschland immer mehr ausländische Mediziner ins Land. »Das ist nicht ethisch und kann so nicht weitergehen.«
Marschall weist auch auf eine anderes Ungleichgewicht hin: Wegen ungleichmäßiger Verteilung der insgesamt 428 000 Ärztinnen und Ärzte in Deutschland landeten die ausländischen Mediziner oft in strukturschwachen Regionen. Dort, wo die Arbeit und das Leben den hier ausgebildeten Ärzten weniger attraktiv erscheine – und Patientinnen und Patienten sich womöglich schon abgehängt fühlten.
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