Verdacht auf Arzneimittel-Allergie rasch abklären |
Daniela Hüttemann |
05.04.2024 09:00 Uhr |
Im Prinzip können alle Arzneimittel auch Allergien auslösen. Worauf es zu achten gilt, erklärte der Allergologe Professor Dr. Wolfgang Pfützner kürzlich beim Fortbildungskongress der Apothekerkammer Schleswig-Holstein in Neumünster. / Foto: PZ/Daniela Hüttemann
Für Apothekerinnen und Apotheker besonders interessant sind allergische Reaktionen auf Medikamente. Diese seien schon vom altgriechischen Arzt Galen beschrieben worden, erzählte Professor Dr. Wolfgang Pfützner, leitender Oberarzt der Dermatologie und Allergologie am Universitätsklinikum Gießen-Marburg, kürzlich beim Fortbildungskongress der Apothekerkammer Schleswig-Holstein in Neumünster. Sie seien klinisch sehr vielgestaltig, wobei Hautreaktionen am häufigsten sind.
Man müsse dabei unterscheiden zwischen einer normalen Nebenwirkung, die in der Regel dosisabhängig und vorhersehbar sei (eher eine Überdosierung) und der eigentlichen Allergie (einer Überempfindlichkeit), die dosisunabhängig und unvorhersehbar sei – wobei zuvor eine Sensibilisierung durch einen Erstkontakt erfolgt sein muss. »Man muss das fragliche Arzneimittel also vorher bereits einmal erhalten haben«, so Pfützner. Dabei kann eine Sensibilisierung auch im Verlauf der ersten Therapiedauer stattfinden, wenn ein Antibiotikum wie Clindamycin beispielsweise über zehn Tage gegeben wird.
Bei der allergischen Reaktion auf Arzneimittel könne es zu Sofortreaktionen kommen, wie Urtikaria, Asthma-Anfall und Herz-Kreislauf-Versagen, oder zu zeitlich verzögerten Reaktionen, die eher beeinträchtigend als lebensgefährlich seien, zum Beispiel einem Exanthem. Letztere gehen in der Regel nicht mit einer Schock-Symptomatik einher.
Möglich sind aber auch sogenannte Pseudo-Allergien, für die kein Erstkontakt, das heißt keine Sensibilisierungsphase nötig ist, und die nicht immunologisch ablaufen. Als Beispiele nannte Pfützner Bradykinin-vermittelte Angioödeme durch ACE-Hemmer und Sartane sowie eine Analgetika-Hypersensibilisierung durch COX-Inhibition. Diese könnten auch nach Jahren unproblematischer Anwendung oder nach dem Absetzen auftreten.
Prinzipiell gebe es kein Medikament, bei dem man allergische Reaktionen ausschließen könnte, nicht einmal Cortison. »Ein Verdacht auf eine Arzneimittel-Allergie sollte möglichst frühzeitig allergologisch abgeklärt werden«, so Pfützner. Hier könnten auch Apotheker helfen.
Für die Anamnese sind drei Fragen wichtig: Womit, wann und wie traten die Symptome auf? Dabei sollte auch nach der Anwendungsform und Dosierung, der Dauer der Anwendung und Verträglichkeit bei früherer und erneuter Anwendung sowie dem zeitlichen Ablauf der Reaktion gefragt werden. Auch Kofaktoren wie die Ernährung, Infekte, Alkohol und Anstrengung können für die Ausprägung eine Rolle spielen, vor allem bei Analgetika.
Dazu gehöre dann noch eine allergologische Testung mit einem Prick-, Intrakutan- oder Epikutan-Test und bei vermuteter Betalaktam-Allergie einem IgE-Antikörper-Nachweis. Letzterer müsse allerdings frühzeitig nach einer Reaktion erfolgen, da der IgE-Spiegel mit der Zeit wieder abfällt. Zudem gebe es noch zelluläre In-vitro-Tests mit verschiedenen Nachteilen. Gewissheit bringt manchmal auch erst ein Provokationstest.
Wichtig sei nach der Diagnose, dass die Betroffenen einen ordentlich ausgefüllten Allergiepass erhalten. Darin sollte stehen, wie die Allergie diagnostiziert wurde und welche Beschwerden in der Vergangenheit aufgetreten sind. Neben dem Wirkstoffnamen sollte vermerkt sein, in welchen Präparaten dieser Wirkstoff vorkommt und durch welche strukturverwandten Medikamente, zum Beispiel andere Schmerzmittel, die Beschwerden ebenfalls ausgelöst werden können.
Umgekehrt sollte auch festgehalten werden, welche Ausweichmedikamente möglich sind (was wurde gut vertragen oder worauf wurde negativ getestet). »Manchmal ist es eine therapeutische Herausforderung, was man alternativ geben kann«, so Pfützner. Gerade deshalb sei eine gründliche Diagnostik wichtig, damit nicht unnötig auf wichtige Medikamente verzichtet wird oder hier nur die zweitbeste Lösung zur Anwendung kommt.
Ein klassisches Beispiel ist die viel zu häufig angenommene Penicillin-Allergie. »Hier ein De-Labeling vorzunehmen, ist allerdings mit einem hohen Aufwand verbunden, denn wenn die vermeintliche Reaktion bereits lange her ist, schlagen die Hauttests nicht mehr an und wir müssen stationär provozieren.« Daher sollten Verdachtsfälle allergischer Reaktionen immer möglichst sofort abgeklärt werden.
Kommt der Hautausschlag vom Infekt oder vom Arzneimittel dagegen? Das lässt sich anhand des Ausschlags selbst in der Regel nur sehr schwer sagen. / Foto: Imago/Pond5 Images
Pfützner hatte dazu auch ein Patientenbeispiel mitgebracht: Der Patient hatte 2009 nach der Einnahme von Cefixim einen Hautausschlag. 2010 bekam er vier Tage nach Einnahme von Clindamycin wegen einer Zahnentzündung erneut Ausschlag. Die Hauttests auf die beiden Antibiotika fielen negativ aus.
Der Patient wurde nun stationär nacheinander mit beiden Antibiotika oral provoziert. Während beim Beta-Laktam-Antibiotikum Cefixim auch bei hohen Dosen keine Beschwerden auftraten und auch nicht bei niedrigen Dosen Clindamycin, verspürte der Patient bei 600 mg Clindamycin ein Unwohlsein und Kribbeln und es trat ein Exanthem auf.
Die Ärzte schlossen daraus, dass Cefixim vertragen wird und es sich 2009 wohl um Exanthem aufgrund der bakteriellen Infektion handelte, während durchaus eine Clindamycin-Allergie besteht.