Unterversorgung als unterschätztes Problem |
Melanie Höhn |
04.04.2025 11:00 Uhr |
Die Regelungen nach dem Arzneimittel-Neuordnungsgesetz (AMNOG) von 2011 mit der Bewertung des Zusatznutzens nach 12 Monaten insbesondere gegenüber der »zweckmäßigen Vergleichstherapie« (§35a Absatz 1 Satz 2 SGB V) stünden dabei im Vordergrund. Zusätzlich habe §35b SGB V die Möglichkeit eröffnet, auch Angemessenheits-Gesichtspunkten wie Nebenwirkungen, Lebensqualität, oder »Zumutbarkeit einer Kostenübernahme« Rechnung zu tragen. Allerdings habe sich durch die Regelung zu den seltenen Erkrankungen (Orphan Diseases) die Option ergeben, für einzelne Patientengruppen die Nutzenbewertung zu unterlaufen und Hochpreissegmente zu schaffen, da diese Patientengruppen aus der Nutzenbewertung ausgenommen wurden.
Diese »Orphanisierung« habe sich indirekt auch auf den Generika-Markt ausgewirkt, so die Autoren, da sie im Arzneimittelmarkt neue Preisvorstellungen gängig gemacht habe – die Produktion von »alten Molekülen« erschien im Vergleich zu den Hochpreissegmenten nicht mehr ertragreich genug und sei teilweise eingestellt oder zurückgefahren worden. Hier hätten auch die Rabattverfahren einerseits und die internationale Arbeitsteilung andererseits eine Rolle gespielt, die für bestimmte Medikamente weltweit nur noch wenige Produktionsstandorte vorgesehen habe.
Die bisherigen gesundheitspolitischen Maßnahmen zur Behebung der Defizite seien von beschränkter Wirksamkeit und lassen am politischen Willen zweifeln, sind sich die Autoren einig. Dem »Arzneimittelengpass-Bekämpfungs- und Versorgungsverbesserungs-Gesetz“ (ALBVVG) sowie den derzeit auf europäischer Ebene diskutieren Regelungen attestieren die Wissenschaftler angesichts der hohen Zahl gemeldeter Lieferengpässe »bis zum jetzigen Zeitpunkt keine Wirkung«.
In der Gesamteinschätzung gehen die Autoren von einer »bedenklichen Anreizstruktur« aus, »in einem Umfeld, das von einem Anstieg der Arzneimittelkosten der GKV seit dem Jahr 2000 von 19,41 auf 50,41 Milliarden Euro im Jahr 2023 gekennzeichnet ist«. Derzeit würden 0,07 Prozent der Rezepte zu 12,7 Prozent der Arzneimittel-Ausgaben führen, 1,2 Prozent zu 24 Prozent der Kosten. »Der Hochpreissektor führt entsprechend, während die Innovation lahmt.«
Es sei absehbar, dass im Generika-Markt die Versuche zunehmen werden, entweder durch Verknappung eine Lockerung der Festpreise zu erreichen (über die Aufnahme in die Risiko-Liste des BfArM) oder über den Aufbau von Monopolen massive Preissteigerungen durchzusetzen.