Unterschätzte Spucke |
Christina Hohmann-Jeddi |
25.09.2025 07:00 Uhr |
Speichel sieht nicht schön aus, ist aber ungemein wichtig für die Gesundheit. / © Getty Images/Amy Veen Frazier
Speichel gilt vielen als lästig bis eklig. Er tropft beim Gähnen, spritzt beim Sprechen, läuft Kindern und Schlafenden aus dem Mund. Doch das unscheinbare Sekret ist ein Hochleistungsprodukt der Biologie, das einige Aufgaben, auch für die Zahngesundheit hat. Darauf soll der »Tag der Zahngesundheit« heute – unter dem Motto »Gesund beginnt im Mund – Superkraft Spucke« aufmerksam machen.
»Speichel ist ein echtes Multitalent in unserem Mund«, betont Professor Dr. Christoph Benz, Präsident der Bundeszahnärztekammer, in einer Mitteilung. »Er macht elementare Funktionen wie Sprechen, Schlucken oder Essen überhaupt erst möglich.«
Zwischen 0,6 und 1,5 Liter Speichel produzieren die Speicheldrüsen eines Menschen täglich. Ein Teil stammt aus unzähligen winzigen Drüsen in der Mundschleimhaut, der größte Anteil jedoch aus drei großen Drüsenpaaren: den Ohrspeicheldrüsen unterhalb des Ohres, den Unterkieferdrüsen an der Innenseite des Unterkiefers und den Unterzungendrüsen, die im Mundboden sitzen. Ihre Sekrete – mal dünnflüssig, mal schleimig – mischen sich im Mund zu einer Flüssigkeit, die zu 99 Prozent aus Wasser besteht, aber auch Enzyme, Proteine, Mineralien und antibakterielle Substanzen enthält.
Die Aufgaben sind vielfältig: Speichel befeuchtet die Schleimhäute im Mund und ermöglicht das Sprechen. Die zerkaute Nahrung wird durch Schleimstoffe im Speichel gleitfähig und damit schluckbar. Mit der α-Amylase aus dem Speichel beginnt die Verdauung von Kohlenhydraten schon im Mund. Andere Speichelbestandteile wie die antibakteriellen Proteine Lysozym, Lactoferrin und Histatin sowie Immunglobulin A wirken keimhemmend und tragen zur Wundheilung bei. Zudem lasse Speichel uns beim Essen Aromen schmecken, heißt es in der Mitteilung.
Besonders wichtig ist Speichel für die Zähne. Er spült Essensreste weg, verdünnt Zucker und Säuren und stabilisiert den pH-Wert in der Mundhöhle. Noch entscheidender: Er remineralisiert den Zahnschmelz, indem er gelöste Mineralien wie Calcium und Phosphat wieder einlagert. Hierfür enthält der Speichel alle chemisch gelösten Mineralien, die in der Zahnhartsubstanz vorhanden sind. Fehlt dieser Schutz, steigt das Kariesrisiko. Zu sehen ist das etwa beim sogenannten Fläschchenkaries, der auf den schädlichen Effekt von Dauernuckeln an Trinkflaschen bei Kindern zurückgeht. Selbst Wasser im Fläschchen kann durch die permanente Verdünnung des Speichels zu Karies führen.
Auch der hauchdünne Schutzfilm auf den Zähnen, die sogenannte Pellikel, geht auf Speichelbestandteile zurück. Dieses kaum sichtbare Häutchen aus Proteinen und Enzymen schützt den Schmelz vor Säuren und Abrieb und dient als Reservoir für Reparaturmechanismen. Gleichzeitig ist es allerdings auch eine ideale Landefläche für Bakterien, die darauf Biofilme und damit Zahnbelag bilden. Putzen zerstört die Pellikel zwar kurzfristig – doch schon nach Sekunden ist sie wieder da.
Wie wertvoll Speichel ist, merkt man erst, wenn er fehlt. Mundtrockenheit (Xerostomie) betrifft etwa 4 Prozent der Bevölkerung, vor allem Ältere. Dr. Christian Rath, Geschäftsführer des Vereins für Zahnhygiene (VfZ), führt aus: »Trockene Münder können richtig weh tun. Die Schleimhaut wird empfindlich, es kommt zu Schwierigkeiten beim Sprechen, Essen und sogar beim Schlafen. Oft wird, resultierend aus diesem Leidensdruck, die Zahnpflege vernachlässigt, weil das Putzen unangenehm ist.« Wer zu wenig Speichel hat, kämpft somit mit trockenen Lippen, Schluckbeschwerden, verändertem Geschmack – und mit einem drastisch erhöhten Kariesrisiko.
Ursachen gibt es viele: Bestrahlungen, Autoimmunerkrankungen wie das Sjögren-Syndrom, Diabetes, Infektionen. Am häufigsten aber sind Arzneimittel verantwortlich. Mehr als 400 Wirkstoffe gelten als xerogen, also austrocknend, darunter Anticholinergika, trizyklische Antidepressiva, Anthistaminika oder manche Zytostatika.
Die Behandlung der Xerostomie ist oft schwierig. Idealerweise lässt sich das auslösende Medikament absetzen oder in der Dosis reduzieren. Andernfalls helfen kleine Tricks: Regelmäßig über den Tag verteilt Wasser zu trinken oder das Kauen zuckerfreier Kaugummis verbessern den Speichelfluss. Außerdem kann die Verwendung einer milden Zahnpasta das Zähneputzen erleichtern. Bei Mundtrockenheit sollten sich Betroffene zahnärztlich oder ärztlich beraten lassen. In schweren Fällen können Speichelersatzmittel oder spezielle Medikamente helfen.
Wer seine Spucke gesund halten will, muss nicht viel tun. Einfache Regeln hierfür sind, ausreichend zu trinken, gründlich Zähne zu putzen, Plaque zu vermeiden sowie die Aufnahme zucker- und säurehaltiger Getränke zu minimieren. Und: nicht rauchen – Nikotin macht den Speichel dickflüssig und reduziert seine Schutzwirkung. Rauchen mindert zudem den Speichelfluss und verändert das orale Mikrobiom.