| Alexandra Amanatidou |
| 26.11.2025 15:00 Uhr |
Im TK-Stressreport wird Stress als mentale Anspannung vor einer Herausforderung definiert. Wer die Situation meistert, kann regenerieren. / © Adobe Stock/Seventyfour
Die Auswertungen der TK zeigen, dass das Stressempfinden hierzulande in den vergangenen Jahren kontinuierlich zugenommen hat. Als der erste Report der Kasse vor mehr als zehn Jahren erschien, lag der Anteil derer, die sich häufig oder manchmal gestresst fühlten, noch bei 57 Prozent; heute sind es 66 Prozent. Nur 8 Prozent der Befragten gaben an, keinen Stress zu empfinden. Und 26 Prozent sagten, selten gestresst zu sein.
Vor allem Frauen sind betroffen: 71 Prozent von ihnen fühlen sich häufig oder manchmal gestresst. Bei Männern liegt die Zahl bei 60 Prozent. Auch Eltern minderjähriger Kinder sind mit 88 Prozent mehr unter Druck als Personen ohne Kinder mit 58 Prozent. Ähnlich sieht es im Vergleich zwischen Erwerbstätigen (81 Prozent) gegenüber Nichtberufstätigen (49 Prozent) aus.
Auch Jüngere sind belastet. So gaben 83 Prozent der 18- bis 39-jährigen Befragten an, dass sie sich häufig oder manchmal gestresst fühlen. Bei den 40- bis 59-Jährigen waren es 79 Prozent und bei den Über-60-Jährigen nur noch 38 Prozent.
In dem Bericht wird Stress als mentale Anspannung definiert, die auftritt, wenn wir vor einer Herausforderung stehen. Gelingt es uns, diese zu meistern, nimmt die Anspannung wieder ab und wir können uns regenerieren.
»Stress ist ein wichtiger Überlebensmechanismus. Das Problem beginnt, wenn der Körper nicht weiß, wie er damit umgehen soll«, sagte TK-Chef Jens Baas bei der Pressekonferenz in Berlin. Dann könnten sich gesundheitliche Probleme entwickeln, die sowohl psychische als auch körperliche Aspekte betreffen. Für die Kasse sei es wichtig, die Ursachen von Stress zu verstehen, um neue Strategien zu entwickeln, um Menschen bei der Bewältigung zu unterstützen.
Laut dem Bericht leiden Menschen mit Stress signifikant häufiger unter Muskelverspannungen und Rückenschmerzen (62 Prozent), Erschöpfung (61 Prozent) sowie innerer Unruhe (53 Prozent). Auch Schlafstörungen (47 Prozent), Gereiztheit (42 Prozent), Kopfschmerzen oder Migräne (30 Prozent) träten meist häufiger auf.
TK-Chef Jens Baas, Psychologin Judith Mangelsdorf und wissenschaftlicher Mitarbeiter des Stressreports Peter Wendt (v.l.n.r.). / © PZ/ Alexandra Amanatidou
Laut Report ist Stressfaktor Nummer eins der hohe Anspruch an sich selbst. Das gaben 61 Prozent der Befragten an, dicht gefolgt von Schule, Studium oder Beruf mit 58 Prozent. Einem Drittel der berufstätigen Befragten gelingt es nicht, abends oder am Wochenende richtig von der Arbeit abzuschalten. Für 24 Prozent ist dies sogar im Urlaub ein Problem.
An dritter Stelle der Stressfaktoren stehen mit 53 Prozent politische und gesellschaftliche Probleme. Vor allem Kriege und internationale Konflikte belasten 62 Prozent der Menschen. Es folgen die Angst vor politischer Polarisierung (59 Prozent), vor Gefährdung der inneren Sicherheit durch Kriminalität, Terrorismus und Extremismus (52 Prozent), vor Wohlstandsverlust (47 Prozent) sowie vor den Auswirkungen des Klimawandels (44 Prozent).
Was die Auslöser der nervlichen Anspannung betrifft, unterscheiden sich die Geschlechter: Frauen haben im Vergleich zu Männern höhere Ansprüche an sich selbst (68 Prozent gegenüber 51 Prozent) oder fühlen sich stärker belastet durch politische und gesellschaftliche Probleme (58 Prozent gegenüber 47 Prozent).
Auch Care-Arbeit stresst Frauen mehr: 42 Prozent von ihnen gaben an, vom Haushalt gestresst zu sein, bei den Männern waren es nur 29 Prozent. Auch die Kinderbetreuung war für 33 Prozent der Frauen, aber nur für 14 Prozent der Männer ein Stressfaktor. 27 Prozent der weiblichen Befragten gaben außerdem an, von der Pflege eines Angehörigen gestresst zu sein, während es bei den männlichen Teilnehmenden nur 16 Prozent waren.
Die Mehrheit der Befragten (83 Prozent) baut nach eigenen Angaben die Anspannung durch Spaziergänge oder Zeit in der Natur ab. 78 Prozent widmen sich ihrem Hobby. Ebenso viele treffen sich mit Familie oder Freundinnen und Freunden. Laut dem Report ist alarmierend, dass 30 Prozent der unter 39-Jährigen bei Stress zur Zigarette greifen.
Auch in Sachen Regeneration unterscheiden sich die Geschlechter: Männer trinken eher ein Bier oder ein Glas Wein oder zocken Videospiele. Frauen bevorzugen dagegen eher shoppen und Yoga oder autogenes Training.
Was pflanzliche Kapseln gegen Stress angeht, sagte Baas: »Selbst Medikamente, die auf den ersten Blick keinen rein pharmakologischen Effekt haben, können natürlich trotzdem Auswirkungen haben.« Lebensmittel und Präparate mit beruhigender Wirkung könnten helfen. Dies sei jedoch eher ein Placebo-Effekt. »Stress mit wirklich wirksamen pharmakologischen Dingen anzugehen, bevor die Ursachen pathologisch sind, da wäre ich eher skeptisch«, so Baas.
Die Psychologin Judith Mangelsdorf gab den Tipp, weniger auf Social Media aktiv zu sein. Man könnte das Handy eine Zeit lang offline stellen oder Apps wie Instagram oder Facebook vom Handy löschen und nur noch vom PC aus benutzen.
Für den Report befragte das Meinungsforschungsinstitut Forsa im Auftrag der TK im Mai dieses Jahres bundesweit 1407 Menschen ab 18 Jahren telefonisch zu ihrem Stresserleben. Nach 2013, 2016 und 2021 ist dies bereits der vierte Report der TK zum Thema Stress.