Ukraine: Akut- und Dauermedikation hat oberste Priorität |
Melanie Höhn |
27.06.2024 15:00 Uhr |
Arzneimittel erreichen ein medizinisches Verteilerzentrum in Ovidiopol im Juli 2023. / Foto: Apotheker ohne Grenzen
Zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte fand heute in der Berliner Zweigstelle eine Jahrespressekonferenz von Apotheker ohne Grenzen Deutschland (AoG) statt: Erkenntnisse der pharmazeutischen Langzeit-Nothilfe für die Ukraine sowie die Jahresbilanz 2023 des Vereins wurden vorgestellt.
Seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine im Februar 2022 setzt sich AoG für die pharmazeutische Versorgung der lokalen Bevölkerung ein. Seit März 2022 erreichten 192 Arzneimittellieferungen im Wert von 3.426.453 Euro Gesundheitseinrichtungen in der Ukraine, sagte AoG-Geschäftsführerin Eliette Fischbach auf der Pressekonferenz. Dabei bilden Arzneimittel zur Akutmedikation wie Antibiotika, Schmerzmittel und Anästhetika den größten Anteil der Medikamentenlieferungen. Bis eine Lieferung eine ukrainische Gesundheitseinrichtung erreicht, könne es zwischen drei Tagen und sechs Monaten dauern, so Fischbach.
Anfangs sei die Medikamentenbeschaffung über Apotheken erfolgt, was am fehlenden Netzwerk an Beschaffungspartnern gelegen habe, erklärte sie. Mittlerweile beziehe der Verein die Arzneimittel über Krankenhäuser und den Großhandel. Dies sei »deutlich kostengünstiger und effizienter« – mittlerweile gebe es ein sehr gut funktionierendes Netzwerk an Beschaffungspartnern. Neben effizienten Prozessen sei eine kontinuierliche Evaluierung der Maßnahmen für eine bedarfsgerechte Nothilfe essenziell.
Seit Kriegsbeginn seien etwa 18.773 Infektionskrankheiten mit den gelieferten Medikamenten behandelt und rund 22.000 Operationen ermöglicht – und damit Menschenleben gerettet – worden. Durch die anhaltenden Kriegshandlungen, zerstörte Gesundheitseinrichtungen und damit verbundene Fluchtbewegungen sei zudem eine erhöhte Nachfrage an Dauermedikationen wie Blutdruck- und Diabetespräparaten identifiziert worden. »Auch diese Versorgungslücke hat AoG durch entsprechende Anpassung der Lieferungen geschlossen«, sagte Vorstandsvorsitzender Jochen Wenzel. Zudem sei der Bedarf an Verbandsmaterial sowie Elektrolyten und NaCL-Lösung nach wie vor groß. Personengruppen wie die LGBTQ+ seien zudem massiv von fehlenden Medikamenten betroffen.
Die Vor-Ort-Beschaffung und Finanzierung der fehlenden Medikamente seien durch das anhaltende Kriegsgeschehen schwierig. Der Verein prüfe kontinuierlich weitere Optionen und erarbeite Synergien, baue das Partner-Netzwerk stetig aus und nutze die gesammelten Erfahrungen in anderen Einsätzen wie etwa in der Nahost-Nothilfe. Die Versorgung für Gaza gehe den regulären Weg über Arzneimittel-Hilfswerke, während AoG für die Nothilfe in der Ukraine vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) eine Sondererlaubnis bekommen habe, Arzneimittel auf dem deutschen Markt einzukaufen.
Ziel des Vereins sei, so lange wie notwendig eine bedarfsgerechte pharmazeutische Unterstützung für die ukrainische Zivilbevölkerung zu liefern, um die Versorgungslücken vor Ort zu schließen. Darum nimmt AoG weiterhin Spenden unter dem Spendenzweck »Ukraine« entgegen.
Spendenkonto:
Apotheker ohne Grenzen e.V.
Deutsche Apotheker- und Ärztebank
IBAN: DE 88 3006 0601 0005 0775 91
BIC: DAAEDEDDXXX
Online spenden: www.apotheker-ohne-grenzen.de/mitmachen/jetzt-spenden
»Trotz der vielen Herausforderungen hat Apotheker ohne Grenzen Deutschland seit Kriegsbeginn wirkungsvolle pharmazeutische Nothilfe in der Ukraine geleistet. Dank unserer Auswertungen, der soliden Partnerschaften und der vielfältigen Unterstützung können wir auch zukünftig bedarfsgerecht Versorgungslücken schließen und den Menschen vor Ort helfen«, resümierte Fischbach.
Der Vorstandsvorsitzende Jochen Wenzel fasste die Relevanz der Nothilfe in der Ukraine mit folgenden Worten zusammen: »Ich war gerade für zwei Tage auf der Rebuild Ukraine Health & Rehabilitation-Konferenz in Warschau. Wenn man erlebt, mit welcher Power und Zuversicht die Menschen in der Ukraine ihr Schicksal in die Hand nehmen, bestärkt uns das in unserem Bestreben, ihnen so lange wie nötig zur Seite zu stehen. In den vielen Gesprächen wurde uns bestätigt, wie wichtig unsere Arbeit ist.«
AoG ist derzeit in 15 Ländern weltweit aktiv und hat mehr als 2300 Mitglieder, die mit Spenden und als ehrenamtliche Mitarbeitende unterstützen. 86 Prozent der Vereinsausgaben werden bei Apotheker ohne Grenzen für die Arbeit in den Projekten verwendet. Die Einnahmensteigerung von rund 1,6 Millionen Euro 2021 auf rund 3,3 Millionen Euro 2023 und betrug damit 100 Prozent.