Tralokinumab bessert Hautbild und Juckreiz |
Brigitte M. Gensthaler |
05.08.2021 07:00 Uhr |
Juckreiz ist eines der quälendsten Symptome einer atopischen Dermatitis und beeinträchtigt Schlaf und Wohlbefinden der Patienten erheblich. / Foto: Adobe Stock/Aleksej
Der rekombinant hergestellte humane Antikörper Tralokinumab (Adtralza® 150 mg Injektionslösung in einer Fertigspritze, Leo Pharma) wird angewendet zur systemischen Behandlung einer mittelschweren bis schweren atopischen Dermatitis bei Erwachsenen. Der Antikörper wird subkutan injiziert, initial 600 mg (vier Injektionen zu 150 mg), danach alle zwei Wochen 300 mg. Dies gilt auch für ältere Personen oder bei eingeschränkter Leber- oder Nierenfunktion. Patienten, die nach 16-wöchiger Behandlung eine (fast) symptomfreie Haut haben, können vom Arzt auf ein vierwöchiges Intervall umgestellt werden.
Haben Patienten nach 16 Wochen nicht angesprochen, ist ein Absetzen der Medikation zu erwägen. Einige Patienten mit einem anfänglich partiellen Ansprechen können aber von einer Gabe über 16 Wochen hinaus (alle zwei Wochen) profitieren. Tralokinumab kann mit oder ohne topische Corticosteroide angewendet werden. Topische Calcineurin-Inhibitoren sind ebenfalls erlaubt, sollten aber auf Problemzonen wie Gesicht, Hals oder intertriginöse Areale beschränkt werden.
Wichtig für die Beratung: Die Fertigspritzen dürfen nicht geschüttelt werden. Nach Entnahme aus dem Kühlschrank sollen sie vor der Injektion 30 Minuten lang bei Zimmertemperatur liegen. Tralokinumab wird subkutan in den Oberschenkel, Bauch oder Oberarm injiziert. Es wird empfohlen, für jede Injektion eine andere Injektionsstelle zu wählen und nicht in verletzte Haut, Narbengewebe oder Hämatome zu spritzen.
Tralokinumab ist ein vollständig humaner monoklonaler IgG4-Antikörper, der spezifisch an das Typ-2-Zytokin Interleukin-13 (IL-13) bindet. Damit bremst der Antikörper die biologische Aktivität dieses Zytokins, indem er dessen Wechselwirkung mit dem Rezeptorkomplex IL-13Rα1/IL-4Rα blockiert. IL-13 ist ein wesentlicher Treiber für entzündliche Erkrankungen vom Typ 2, zu denen die atopische Dermatitis gehört.
Die Hemmung des IL-13-Signalwegs verringert viele Mediatoren einer Typ-2-Entzündung, zum Beispiel CCL17, -18 und -26 in Hautläsionen sowie CCL17, Periostin und IgE im Blut. Außerdem nimmt die Epidermisdicke ab und die Besiedlung der Haut mit Staphylococcus aureus wird erheblich reduziert.
Wirksamkeit und Sicherheit von Tralokinumab wurden in drei Phase-III-Studien mit fast 2000 Erwachsenen mit mittelschwerer bis schwerer atopischer Dermatitis nachgewiesen: ECZTRA 1 und 2 zur Monotherapie (NCT03131648 und NCT03160885) sowie ECZTRA 3 zur Kombination mit topischen Steroiden (NCT03363854). In allen drei Studien erhielten die Patienten entweder eine Anfangsdosis von 600 mg Tralokinumab, gefolgt von 300 mg alle zwei Wochen bis Woche 16 oder ein Placebo. In ECZTRA 3 konnten sie bei Bedarf zusätzlich topische Corticosteroide anwenden.
In den beiden Studien zur Monotherapie waren knapp 1600 Patienten eingeschlossen. Primäre Endpunkte waren ein Investigator’s Global Assessment (IGA) Score von 0 oder 1 (Haut ist »erscheinungsfrei« oder »fast erscheinungsfrei«) und eine mindestens 75-prozentige Verbesserung des Schweregrads, gemessen mit dem Eczema Area and Severity Index (EASI-75), in Woche 16. Responder wurden erneut auf Tralokinumab alle zwei oder vier Wochen oder Placebo für bis zu 52 Wochen randomisiert.
In Woche 16 erreichten signifikant mehr Patienten unter Verum den Zielwert IGA-Score 0/1: 15,8 versus 7,1 Prozent in Studie 1 und 22,2 versus 10,9 Prozent in Studie 2. Signifikant war auch der Unterschied beim EASI-75: 25,0 versus 12,7 Prozent und 33,2 versus 11,4 Prozent. Der Juckreiz ging in beiden Studien frühzeitig signifikant zurück. Außerdem brauchten weniger Patienten unter Verum eine Notfalltherapie (topische oder systemische Corticosteroide oder nicht steroidale Immunsuppressiva) als Patienten unter Placebo (über beide Studien 29,3 versus 45,3 Prozent). Die Mehrheit der Responder sprach bis Woche 52 weiterhin auf den Antikörper an, ohne topische Corticosteroide zu benötigen.
In der ECZTRA-3-Studie mit 380 Patienten erreichten nach 16 Wochen fast 39 Prozent der Teilnehmer aus der Verumgruppe einen IGA von 0/1 (versus 26 Prozent) und 56 Prozent EASI-75 (versus knapp 36 Prozent). Der Juckreiz ging deutlich zurück und der Verbrauch an Corticoiden halbierte sich. Rund 90 Prozent der gut ansprechenden Patienten erreichten unter fortgesetzter zwei- oder vierwöchiger Applikation des Antikörpers bis Woche 32 einen EASI-75. Aber auch Patienten, die in Woche 16 unter Tralokinumab nicht die Zielkriterien erreichten, profitierten von einer fortgesetzten Gabe; in Woche 32 erreichten immerhin 30,5 Prozent einen IGA 0/1 und 55,8 Prozent einen EASI-75.
Die häufigsten Nebenwirkungen waren Infektionen der oberen Atemwege (23,4 Prozent, hauptsächlich Erkältung), Reaktionen an der Injektionsstelle (7,2 Prozent), Konjunktivitis (5,4 Prozent) sowie allergische Konjunktivitis (2,0 Prozent). Eine Konjunktivitis trat während der 16-wöchigen Initialbehandlung unter Tralokinumab häufiger auf als unter Placebo (5,4 versus 1,9 Prozent) und wurde häufiger von Patienten mit schwerer Hauterkrankung berichtet. Patienten, die eine Bindehautentzündung entwickeln, sollten zum Augenarzt gehen. Auch eine Eosinophilie wurde häufiger unter Tralokinumab berichtet (1,3 versus 0,3 Prozent), während ein Eczema herpeticum häufiger in der Placebogruppe auftrat.
(Attenuierte) Lebendimpfstoffe dürfen nicht gleichzeitig mit Tralokinumab angewendet werden, da die klinische Sicherheit und Wirksamkeit nicht erwiesen sind. Inaktivierte Impfstoffe und Totimpfstoffe können gegeben werden. Die Patienten sollten vor Behandlungsbeginn mit Tralokinumab ihren Impfstatus aktualisieren lassen.
Während der Schwangerschaft sollte man den Antikörper vorsichtshalber vermeiden.
Tralokinumab ist eine weitere Therapiemöglichkeit für die atopische Dermatitis. Zweifelsohne belegen die Studiendaten eine hohe Wirksamkeit und Sicherheit des Antikörpers. Günstig ist auch, dass die Gabe nach einiger Zeit unter Umständen auf ein vierwöchiges Intervall umgestellt werden kann. Besonders innovativ ist der Wirkmechanismus von Tralokinumab aber nicht. Denn wie das seit einigen Jahren bekannte Dupilumab unterbricht auch der neue Wirkstoff die IL-13-Signalleitung. Dupilumab blockiert darüber hinaus auch den IL-4-Signalweg und besitzt eine breitere Indikation. Beispielsweise darf es bei mittelschwerer bis schwerer atopischer Dermatitis schon ab zwölf Jahren zum Einsatz kommen und bei Kindern ab sechs Jahren im schweren Stadium der Erkrankung. Ein direkter Vergleich der beiden Wirkstoffe wäre interessant. Vorerst ist Tralokinumab als Analogpräparat einzustufen.
Sven Siebenand, Chefredakteur