Tipps zur Stärkung des Immunsystems |
Carolin Lang |
27.03.2020 15:00 Uhr |
Eine ausgewogene Ernährung ist wichtig für die Funktion des Immunsystems – die Deutsche Gesellschaft für Ernährung rät zu mindestens drei Portionen Gemüse und zwei Portionen Obst täglich. / Foto: Adobe Stock/shironagasukujira
Nicht jede Infektion führt zu einer Erkrankung, denn die körpereigene Abwehr kann dies in vielen Fällen verhindern. Um das Immunsystem dabei zu unterstützen, können einige Maßnahmen ergriffen werden. Dazu gehören viel Bewegung an der frischen Luft – derzeit natürlich unter Berücksichtigung der Abstandsregeln –, eine ausgewogene Ernährung mit reichlich Gemüse und Obst, genügend Schlaf und eine sorgfältige Händehygiene. Regelmäßiges Lüften kann das Ansteckungsrisiko in geschlossenen Räumen reduzieren, denn es verringert die Anzahl erregerhaltiger feinster Tröpfchen in der Raumluft. Niedrige Luftfeuchtigkeit hingegen schafft günstige Bedingungen für Atemwegsinfektionen.
Es kursieren derzeit einige Falschmeldungen rund um Covid-19, auch zur Infektionsprophylaxe. Daher sollte das pharmazeutische Personal Kunden darüber aufklären, dass bisher keine homöopathischen Mittel, Naturheilmittel oder Nahrungsergänzungsmittel existieren, die nachweislich eine Erkrankung an Covid-19 verhindern oder heilen können. Etwaige zitierte Studien beziehen sich in der Regel auf andere Coronaviren, warnte die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen kürzlich.
Verwirrende Aussagen über mögliche Wirkungen gegen das neue Coronavirus finde man derzeit im Internet und in manchen Reformhäusern – zum Beispiel für Nahrungsergänzungsmittel mit Grüntee-Inhaltsstoff EGCG, Cistus (Zistrosenkraut), Propolis, Kapuzinerkresse oder Schwarzer Johannisbeere (Blattknospen). Auch zahlreiche Lebensmittel würden fälschlicherweise als hilfreiche Hausmittel angepriesen, zum Beispiel Knoblauch. Ebenso spricht sich die Verbraucherzentrale gegen die Einnahme von MMS (Miracle Mineral Supplement) aus, das nichts anderes als Chlordioxid-Lösung, also ein Bleichmittel sei. Auch die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) warnt aktuell vor Anbietern, die Produkte mit Heilversprechen gegen Coronaviren anpreisen.
Unabhängig davon sind zahlreiche Präparate mit einer Wirkung zur Stärkung des Immunsystems deklariert. Welche Evidenz gibt es zu häufig nach gefragten Mitteln?
Ascorbinsäure hat zahlreiche physiologische Funktionen, ist ein Radikalfänger und Antioxidans. Für Erwachsene ab 19 Jahren empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) eine tägliche Zufuhr von 110 mg pro Tag für Männer beziehungsweise 95 mg pro Tag für Frauen. Der empfohlenen Zufuhr kommt man hierzulande leicht über die Ernährung nach. Eine Unterversorgung mit Vitamin C kann sich in erhöhter Infektanfälligkeit äußern. Doch ist nicht erwiesen, dass eine erhöhte Zufuhr in Form von Nahrungsergänzungsmitteln im Umkehrschluss auch Infektionen vorbeugen kann.
Ein Cochrane-Review aus dem Jahr 2013 bewertet die Wirksamkeit von Vitamin C zur Prävention und Behandlung von grippalen Infekten (DOI: 10.1002/14651858.CD000980.pub4). Zur Beurteilung wurden placebokontrollierte Studien herangezogen, in denen Vitamin C in einer Dosis von 0,2 g pro Tag oder mehr untersucht wurde.
Die regelmäßige Einnahme von Vitamin C zeigte gemäß der Analyse von 29 Studien mit 11.306 Teilnehmern keine Wirkung auf die Inzidenz von Erkältungen. Die Auswertung von 31 weiteren Studien deutete allerdings darauf hin, dass Vitamin C die Dauer einer Erkältungskrankheit verringern könnte. Die regelmäßige Supplementierung zeigte dabei zwar eine nur mäßige, dafür jedoch einheitliche Wirkung auf die Reduzierung der Dauer von Erkältungssymptomen. Mit Dosen ab 0,2 g pro Tag Vitamin C wurde die Erkältungsdauer bei Erwachsenen um 8 Prozent und bei Kindern um 14 Prozent gesenkt.
Eine Therapie mit hohen Dosen Vitamin C nach dem Auftreten von Erkältungssymptomen zeigte keine konsistente Wirkung auf die Dauer der Erkältung oder den Schweregrad der Symptome. Es wurden jedoch nur wenige therapeutische Studien durchgeführt. Um die mögliche Rolle von therapeutischem Vitamin C, also von einer Verabreichung unmittelbar nach dem Auftreten von Erkältungssymptomen, zu klären, wären weitere Studien notwendig.
Angesichts der einheitlichen Wirkung auf die Dauer und Schwere von Erkältungen in den regelmäßigen Supplementationsstudien lautet die Schlussfolgerung der Cochrane-Autoren an dieser Stelle, dass wegen der hohen Therapiesicherheit und der geringen Therapiekosten Erkältungspatienten individuell testen können, ob eine Vitamin C-Einnahme hilfreich ist. Von der Einnahme übermäßig hoher Dosen Vitamin C ist allerdings allgemein abzuraten.
Zink ist von elementarer Bedeutung für die Aktivität zahlreicher Enzyme. Es beeinflusst viele zelluläre Prozesse – darunter auch die Funktion von Komponenten des Immunsystems. Demnach kann auch hier ein Mangel die Infektanfälligkeit erhöhen. Die Referenzwerte der DGE unterscheiden sich nach Alter und Geschlecht.
Eine systematische Auswertung aus dem Jahr 2011 untersuchte die Ergebnisse von 13 placebokontrollierten Studien auf eine potenzielle Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen Zink und der Dauer einer Erkältung (DOI: 10.2174/1874306401105010051). Alle analysierten Studien untersuchten den therapeutischen Effekt von Zink auf Erkältungsepisoden natürlichen Ursprungs. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift »The Open Respiratory Medicine Journal« veröffentlicht. Dabei wurde die Annahme der Autoren bestätigt, dass die bisher recht uneinheitlichen Studienergebnisse teilweise der Verabreichung unterschiedlicher Zink-Dosen geschuldet waren. Die Auswertung ergab, dass in Studien, in denen die tägliche Gesamtzinkgabe unter 75 mg lag, keine Wirkung beobachtet werden konnte. Einige Studien mit täglichen Zinkdosen von mehr als 75 mg ergaben hingegen eine signifikante Verkürzung der Erkältungsdauer. Es traten größtenteils keine unerwünschten Wirkungen auf.
Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass eine Zink-Supplementation als Behandlungsoption für die Erkältung nützlich sein könnte. Es seien allerdings weitere Studien nötig, um optimale Zusammensetzungen und Behandlungsstrategien zu evaluieren.
Eine erst kürzlich im »British Medical Journal« veröffentlichte randomisierte, doppelblinde und placebokontrollierte Studie untersuchte ebenfalls den Effekt von Zink auf die Dauer einer Erkältung (DOI: 10.1136/bmjopen-2019-031662). Insgesamt erkrankten 87 Teilnehmer der Studienpopulation an einer Erkältung, die daraufhin Zinkactetat-Lutschtabletten mit 13 mg elementarem Zink oder Placebo sechs Mal pro Tag für maximal fünf Tage einnehmen sollten.
Während der zehntägigen Nachbeobachtung konnten keine Unterschiede in der Erholungsrate zwischen der Zink- und der Placebogruppe festgestellt werden. Die Autoren schlussfolgern, dass eine fünftägige Zink-Einnahme nach den ersten Symptomen keinen positiven Nutzen gehabt habe. Zu einer umfangreichen Bewertung seien allerdings weitere Forschungsarbeiten nötig.
Viele Kunden setzen zur Unterstützung der Abwehrkräfte auf orthomolekulare Medizin. Allerdings gibt es auch hier keine klare Evidenz dafür, dass solche Präparate einer Erkältung vorbeugen können. Die Präparate gehören zu den Nahrungsergänzungsmitteln, daher muss vor der Markteinführung kein Wirksamkeitsnachweis erbracht werden.
Der Darm, genauer gesagt das Schleimhaut-assoziierte Lymphgewebe (Gut Associated Lymphoid Tissue, GALT), spielt für die Immunabwehr eine entscheidende Rolle. Bakterien sind als Partner des Immunsystems unter anderem an der Immunmodulation beteiligt. Probiotika sollen die Darmflora mit nützlichen Bakterien versorgen und so immunmodulierend wirken.
Mehrere Cochrane-Reviews widmeten sich bereits der Frage, ob Probiotika zur Prävention akuter Infektionen der oberen Atemwege nützlich sind. Verwendet wurden vor allem Lactobazillen. Der aktuellste Übersichtsartikel aus dem Jahr 2015 sollte vorherige um neue Studienergebnisse ergänzen, wobei in der Regel Probiotika mit Stämmen von Lactobazillen untersucht wurden (DOI: 10.1002/14651858.CD006895.pub3). Bisher wurden Probiotika zur Prävention akuter Infektionen der oberen Atemwege von den Cochrane-Autoren als positiv bewertet.
Zur ergänzenden Analyse wurden Daten aus zwölf Studien mit insgesamt 3720 Probanden herangezogen. Die prophylaktische Probiotika-Einnahme verringerte dabei das Auftreten akuter Infektionen der oberen Atemwege um etwa 47 Prozent. Außerdem wurde die Dauer einer akuten Atemwegsinfektion um etwa 1,89 Tage reduziert. Damit waren Probiotika gegenüber Placebo überlegen. Die Autoren bewerteten allerdings die Qualität der Evidenz aufgrund schlecht durchgeführter Studien als niedrig.
Im Großen und Ganzen lautet die Schlussfolgerung an dieser Stelle, dass Probiotika insgesamt akute Infektionen der oberen Atemwege vermutlich besser verhindern können als Placebo. Das muss allerdings durch weitere Studien bestätigt werden.
Die Zubereitungen aus Kraut und Wurzel des Sonnenhuts sollen immunstimulierend wirken – Präparate werden daher häufig zur Prävention und unterstützenden Therapie von Erkältungskrankheiten eingesetzt. Pharmazeutisch genutzt werden der Rote Sonnenhut (Echinacea purpurea), der Schmalblättrige Sonnenhut (Echinacea angustifolia) und der Bleiche Sonnenhut (Echinacea pallida).
Ein Cochrane-Review aus dem Jahr 2014 bewertete den Nutzen von Echinacea-Präparaten bei Erkältungskrankheiten verglichen zu Placebo (DOI: 10.1002/14651858.CD000530.pub3). Zur Beurteilung wurden 24 doppelblinde Studien mit insgesamt 4631 Teilnehmern analysiert, bei denen die Wirksamkeit verschiedener Echinacea‐Präparate zur Vorbeugung und Behandlung von Erkältungen untersucht wurde. Es wurde eine Vielzahl verschiedener Echinacea-Präparate auf der Grundlage verschiedener Arten und Pflanzenteile verwendet, was es den Autoren erschwerte, eine eindeutige Schlussfolgerung zu ziehen.
Der Großteil der Studien untersuchte, ob die Einnahme von Echinacea-Präparaten nach Einsetzen der Erkältung die Dauer der Krankheit gegenüber Placebo reduzieren kann. Das Ergebnis war nicht eindeutig: Es bestehe demnach die Möglichkeit, dass manche Präparate gegenüber Placebo überlegen seien, die Evidenz für eine klinische Wirkung sei dabei allerdings schwach. Studien, die die Einnahme zur Vorbeugung untersuchten, konnten ebenfalls keine signifikante, aber eine geringfügige Verringerung von Krankheitsfällen feststellen.
Eine klare Empfehlung können die Autoren daher nicht aussprechen. Eine wichtige Erkenntnis sei jedoch, dass es große Unterschiede zwischen einzelnen Präparaten gebe, die in klinischen Studien bisher allerdings unzureichend untersucht worden seien. Es gebe zudem Hinweise darauf, dass sowohl alkoholische als auch Presssaftextrakte aus den überirdischen Pflanzenteilen von Echinacea purpurea in der Behandlung von erwachsenen Erkältungspatienten einen positiven Effekt haben könnten, doch sei auch hier die Evidenz schwach.
Nicht angewendet werden sollten Echinacea-haltige-Präparate unter anderem bei bestehender Immunsuppression oder Immundefiziten.
Zur Wirksamkeit von Imupret bei SARS-CoV-2-Infektionen liegen bisher keine Daten vor. Das Phytopharmakon enthält einen Extrakt aus Eibisch, Kamille, Schachtelhalm, Walnuss, Schafgarbe, Eiche und Löwenzahn. Es soll, während einer Erkältung eingenommen, die körpereigene Abwehr stärken. In einer Pressemitteilung fasst Hersteller Bionorica die Datenlage zur Wirksamkeit von Imupret bei Virusinfektionen mit anderen Erregern zusammen.
Für einzelne der enthaltenen Pflanzenstoffe habe man demnach eine antivirale Wirkung gegen unterschiedliche Rhino-, Influenza- und andere RNA-Viren, zu denen auch die Coronaviren gehören, feststellen können. Jedoch können daraus keine Rückschlüsse auf eine Wirksamkeit gegen SARS-CoV-2 gezogen werden. Experimentell habe man eine Steigerung der Aktivität natürlicher Killerzellen durch das Phytopharmakon nachweisen können. Natürliche Killerzellen können virusinfizierte Zellen erkennen und inaktivieren. Ob das Präparat tatsächlich vor dem neuen Coronavirus schützt oder den Verlauf einer leichten Covid-19-Erkrankung abmildert, ist bislang nicht untersucht.
Gleiches gilt für andere Phytopharmaka wie Esberitox, das einen Extrakt aus Färberhülse, Lebensbaum und Sonnenhut enthält. Die Inhaltsstoffe sollen ebenfalls antiviral und immunstärkend wirken und sollen laut Hersteller-Studien die Dauer einer Erkältung verkürzen.
Der ohnehin fragwürdige Hype um den Cannabis-Inhaltsstoff Cannabidiol (CBD) könnte durch die derzeitige Corona-Pandemie noch einmal an Fahrt aufnehmen. »In der aktuellen Krise scheuen sich Anbieter auch nicht, das als Lebens- beziehungsweise Nahrungsergänzungsmittel nicht erlaubte CBD als Hilfsmittel gegen Corona anzubieten«, berichtet die Verbraucherzentrale NRW. Es soll über den CB2-Rezeptor das Immunsystem stärken. Ein wissenschaftlicher Beweis, ob CBD sich tatsächlich zur Behandlung oder Prävention viraler Infekte eigne, stehe jedoch noch aus.