Thiazide und Gicht sind kein No-Go |
Gichtpatienten leiden häufig auch unter Bluthochdruck. In manchen Fällen kann daher auf ein Thiazid-Diuretikum nicht verzichtet werden. / © Adobe Stock/New Africa
Im Rahmen einer Medikationsanalyse war aufgefallen, dass ein Patient sowohl Allopurinol als auch Chlortalidon verordnet bekam. Als zugrunde liegende Erkrankungen gab er Gicht beziehungsweise Bluthochdruck an. Gicht stellt jedoch laut Fachinformation eine absolute Gegenanzeige für den Einsatz von Chlortalidon dar. Der Fall zeigt: Bei Medikationsberatungen stellt sich immer wieder die Frage, in wann der Einsatz dennoch gerechtfertigt ist oder ob eine Umstellung auf ein Schleifendiuretikum oder ein anderes Thiazid angezeigt ist.
Thiazid- und Schleifendiuretika hemmen kompetitiv die tubuläre Harnsäuresekretion. Insbesondere bei Langzeitbehandlung treten daher als Nebenwirkung häufig erhöhte Harnsäurespiegel im Blut auf, die bei prädisponierten Patienten zu Gichtanfällen führen können. In Studien wurde unter der Einnahme von Diuretika ein signifikant erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Gicht festgestellt – das Risiko war je nach Studie, Geschlecht und Substanzgruppe zwischen 1,5-fach und 3,4-fach erhöht.
Inwiefern die Einnahme von Schleifen- oder Thiazid-Diuretika bei bestehender Gicht das Auftreten von Gichtanfällen oder Tophi (Ausbildung von Harnsäurekristalldepots in den Weichteilen) oder deren Größe beziehungsweise das Erreichen von Serum-Harnsäurewerten unter den Wert von 360 µmol/L (6 mg/dL) beeinflusst, ist bislang nicht ausreichend untersucht. Aufgrund des Harnsäure-steigernden Effektes sind jedoch in allen Fachinformationen von Thiazid- und Schleifendiuretika entsprechende Kontraindikationen oder Warnhinweise formuliert (Tabelle).
Wirkstoff | Kontraindikation | Warnhinweise |
---|---|---|
Hydrochlorothiazid | symptomatische Hyperurikämie/Gicht | Kann aufgrund verringerter Harnsäure-Clearance den Harnsäurewert erhöhen. |
Chlortalidon | symptomatische Hyperurikämie | Patienten mit Gicht müssen besonders sorgfältig überwacht werden. Harnsäurespiegel im Blut können ansteigen, Gichtanfälle unter Dauertherapie sind aber selten. |
Indapamid | keine | Bei Patienten mit Hyperurikämie kann eine verstärkte Neigung zu Gichtanfällen bestehen/ sorgfältige ärztliche Überwachung erforderlich. |
Xipamid | Gicht | Bei Patienten mit Hyperurikämie kann eine verstärkte Neigung zu Gichtanfällen bestehen. |
Furosemid | keine | Besonders sorgfältige Überwachung bei Gicht (regelmäßige Kontrolle der Harnsäurewerte im Serum) erforderlich. |
Torasemid | Je nach Hersteller unterschiedlich (Gicht oder keine) | Sollte bei Gicht aufgrund mangelnder Therapieerfahrung nicht angewendet werden. |
Patienten mit Gicht weisen sehr häufig weitere Komorbiditäten auf. Unter anderem treten bei ihnen Hypertonie, Diabetes mellitus und Fettstoffwechselstörungen wesentlich häufiger auf als bei Personen ohne Gicht. Eine Komedikation mit Diuretika als Bestandteil einer antihypertensiven Therapie kommt daher bei Gichtpatienten regelmäßig vor.
Thiazid-Diuretika zählen zu den blutdrucksenkenden Medikamenten der ersten Wahl. Neben der antihypertensiven Wirkung sind positive Effekte auf patientenrelevante Endpunkte wie Mortalität und kardiovaskuläre Morbidität nachgewiesen. Bei Patienten mit Gicht und Hypertonie müssen daher Risiko und Nutzen dieser Medikamente individuell abgewogen werden.
In der aktuellen S3-Leitlinie »Diagnostik und Therapie der Gicht« wird im Expertenkonsens empfohlen, Thiazid- und Schleifendiuretika nur unter strenger Indikationsstellung einzusetzen. Es wird weiterhin ausgeführt, dass einige Diuretika bei Gicht nach Fachinformation zwar kontraindiziert sind, dass bei Gichtpatienten mit bestimmten Komorbiditäten jedoch gegebenenfalls nicht darauf verzichtet werden könne.
Bei Patienten mit bestehender Gichtdiagnose, die ein Thiazid- oder Schleifendiuretikum in der Dauermedikation erhalten, sollte im Rahmen der Medikationsanalyse zunächst geprüft werden, inwiefern Beschwerden aufgrund der Gichterkrankung bestehen und ob die Harnsäurewerte aktuell erhöht sind. Die beschriebene Kontraindikation kommt aus unserer Sicht nur dann zum Tragen, wenn tatsächlich aktuell erhöhte Harnsäurewerte bestehen, die zu Gichtanfällen führen (symptomatische Hyperurikämie). Bei Beschwerdefreiheit und normwertiger Harnsäure sollte auf eine pharmazeutische Intervention verzichtet werden.
Wenn Patienten Beschwerden schildern oder erhöhte Harnsäurewerte ersichtlich sind, können Alternativen zur Gabe eines Thiazids geprüft werden. Schleifendiuretika sind bei Hypertonie allerdings nicht Mittel der ersten Wahl und können ebenfalls den Harnsäurewert erhöhen. Auch eine Umstellung auf Indapamid erscheint nicht sinnvoll, da dieses zwar nicht kontraindiziert, eine bessere Verträglichkeit im Vergleich zu anderen Thiaziden aber nicht nachgewiesen ist.
Stattdessen sollte geprüft werden, ob ein anderer Blutdrucksenker der ersten Wahl eingesetzt werden kann. In erster Linie bieten sich Calciumkanalblocker oder der AT1-Blocker Losartan an, für die ein Harnsäure-senkender Effekt beschrieben ist. Sind diese oder vergleichbare Wirkstoffe bereits in der Medikation enthalten, kann die Gabe des Thiazid-Diuretikums dennoch weiter notwendig sein. Dies liegt im Ermessen des behandelnden Arztes.
Literatur bei den Verfasserinnen
Die Apothekerinnen Dr. Lisa Goltz und Dr. Jane Schröder sind in der Arzneimittelinformation UKD der Klinik-Apotheke am Universitätsklinikum an der TU Dresden tätig. Dort unterstützen sie sächsische Apothekerinnen und Apotheker bei fachlichen Fragen im Rahmen der pharmazeutischen Dienstleistung »Erweiterte Medikationsberatung bei Polymedikation«. Die Beratung wird von der Sächsischen Landesapothekerkammer finanziert.