Therapie gemäß individuellem Risiko |
Alter, Geschlecht und genetische Disposition zählen zwar zu den unbeeinflussbaren Risikofaktoren, führen aber nicht zwangsläufig zu einer Osteoporose. Der neue Algorithmus zur Berechnung des individuellen Risikos berücksichtigt insgesamt etwa 100 Faktoren. / Foto: Adobe Stcok/Photographee.eu
Im September ist die komplett überarbeitete Leitlinie zur Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Osteoporose bei postmenopausalen Frauen und Männern ab dem 50. Lebensjahr des Dachverbandes der Deutschsprachigen Wissenschaftlichen Osteologischen Gesellschaften (DVO) erschienen. Sie gibt Auskunft darüber, welche Personengruppen ein besonders hohes Risiko haben, wann eine (weitergehende) Diagnostik erfolgen und welche Form der Prophylaxe jeweils greifen sollte.
Osteoporose ist gekennzeichnet durch eine niedrige Knochenmasse und eine Verschlechterung des Knochengewebes und geht mit einem erhöhten Risiko für Knochenbrüche einher. Zu den Osteoporose-typischen Frakturen gehören Schenkelhalsbrüche (Femurfrakturen) und Wirbelbrüche (vertebrale Frakturen). Sind solche Frakturen bereits aufgetreten, spricht man definitionsgemäß von einer manifesten Osteoporose.
Ein wichtiges Kriterium ist die Knochendichte, gemessen als T-Score (Kasten). Dieser gibt die Abweichung von der Knochendichte junger Erwachsener an. Er stellt jedoch keinen Grenzwert dar, an dem sich die Frage »spezifische Therapie ja oder nein?« entscheidet. So haben Studien gezeigt, dass die Wirksamkeit der spezifischen medikamentösen Therapien nicht abhängig von einer speziellen Schwelle der Knochendichte ist. Viele haben sich auch bei Werten oberhalb des »Osteoporose-Grenzwertes« von ≤ -2,5 als wirksam erwiesen. Der Wert kann jedoch zur Verlaufskontrolle wichtige Hinweise liefern.
≥ -1: Normalbefund
-1 bis -2,5: Osteopenie
≤ -2,5: Osteoporose
≤ -2,5 und Frakturen: manifeste Osteoporose
Bei der Abschätzung des individuellen Frakturrisikos spielen zahlreiche Faktoren eine Rolle. Zu diesen gehören höheres Lebensalter und weibliches Geschlecht, aber auch zahlreiche Erkrankungen wie Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2, Schilddrüsenüberfunktion, rheumatologische Erkrankungen sowie ein hoher Alkoholkonsum und Rauchen. Auch verschiedene Pharmakotherapien können das Osteoporose-Risiko erhöhen. Zu diesen gehören unter anderem systemische Glucocorticoide, Protonenpumpenhemmer (PPI) und Aromatasehemmer. Diese und weitere Faktoren fließen in einen Risikorechner ein, der das individuelle Frakturrisiko abzuschätzen hilft. Neu ist, dass dieses nicht mehr für zehn, sondern für drei Jahre bestimmt wird. Je nach Frakturrisiko gibt die Leitlinie Empfehlungen für die Prophylaxe und Therapie (Kasten).
Wer benötigt wann welche Prophylaxe? Unter einer generellen Osteoporose- und Frakturprophylaxe sind laut Leitlinie allgemeine Maßnahmen zu verstehen, die im Sinne einer Primärprävention die Stabilität der Knochen verbessern und das Risiko für Knochenbrüche vermindern können. Da viele Faktoren das Sturzrisiko beeinflussen können, sei die Wirksamkeit einzelner Maßnahmen meist schwer zu ermitteln. Es sollte daher versucht werden, an möglichst vielen Faktoren gleichzeitig zu arbeiten. Die Maßnahmen der Primärprophylaxe können jedem empfohlen werden, sie bilden aber auch die Basistherapie in der Sekundär- und Tertiärprophylaxe. Die Primärprävention richtet sich also an die Gesamtbevölkerung unabhängig vom individuellen Risiko. Die Sekundärprophylaxe dient der Erkennung und Behandlung von Menschen mit einem individuell deutlich erhöhten Risiko für osteoporotische Frakturen; die Tertiärprävention der Verhinderung weiterer Frakturen bei Patienten mit mindestens einer Osteoporose-typischen Fraktur.