Theophyllin als Hoffnungsträger |
Theo Dingermann |
04.04.2023 15:30 Uhr |
Die ADCY5-abhängige Dyskinesie ist eine äußerst seltene Erkrankung, die bei den Betroffenen zu Zuckungen und unkontrollierten Bewegungen führt. Ausgelöst wird sie durch ein oder mehrere Defekte im ADCY5-Gen. / Foto: Fotolia/Gernot Krautberger
In der Fachzeitschrift »PLOS One« beschreiben Forschende um Professorin Dr. Andrea Sinz vom Department für Pharmazeutische Chemie & Bioanalytik am Institut für Pharmazie der Martin Luther University Halle-Wittenberg den Fall eines Kindes mit ADCY5-abhängiger Dyskinesie, das überraschend gut von einer Therapie mit dem Asthmawirkstoff Theophyllin profitierte.
Adenylylcyclasen (ADCY), die die Umwandlung von Adenosintriphosphat (ATP) in cyclisches Adenosin-3',5'-monophosphat (cAMP) und Pyrophosphat katalysieren, sind wichtige Enzyme in allen Organismen. Etliche Liganden von G-Protein gekoppelten Rezeptoren stimulieren oder hemmen die Umwandlung von ATP zu cAMP durch ADCY. Unter den zehn ADCY-Isoformen beim Menschen ist ADCY5 eine der am wenigsten untersuchten Isoformen. Sie kommt besonders häufig im Gehirn und Herzgewebe vor.
Ist die Aktivität von ADCY5 durch eine »gain-of-function« Mutation dahingehend beeinträchtigt, dass ein überaktives Enzym resultiert, kann dies in ADCY5-abhängigen Dyskinesien münden. Zwar sind solche genetischen Erkrankungen äußerst selten. Aber für die betroffenen Kinder sind diese Erkrankungen, die durch hyperkinetische Bewegungsstörungen gekennzeichnet sind, extrem belastend. Es können episodische oder paroxysmale Exazerbationen auftreten, die Minuten bis Stunden dauern und auch im Schlaf auftreten können.
Bislang gibt es keine Möglichkeit, die durch Mutationen im ADCY5-Gen ausgelöste Krankheit, zu heilen. Schätzungen der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde National Institutes of Health (NIH) zufolge leben etwa in den USA zwischen einer und 300 Personen mit der Krankheit.
Durch Zufall wurde in den USA ein Fall bekannt, bei dem eine Familie ihr betroffenes Kind mit Kaffee behandelte und so die Symptome lindern konnte. Diese Beobachtung ließ sich in einer kleinen Studie mit 30 Kindern bestätigen. Fast alle Kinder profitierten von der Koffein-Behandlung. Der Grund für diesen Zufallsbefund war allerdings bislang unklar.
Mehr Klarheit wollten nun die Forschenden aus dem Pharmazeutischen Institut in Halle schaffen. In einem »Repurposing«-Ansatz suchten sie nach bereits zugelassenen Medikamenten, die eine Koffein ähnliche Grundstruktur aufweisen. Die Hypothese lautete: Können solche Wirkstoffe womöglich besser als Koffein wirken und mit weniger Nebenwirkungen einhergehen ?
Fündig wurden die Forschenden bei dem Asthmamittel Theophyllin und dem Parkinson-Medikament Istradefyllin. Im Gegensatz zu Theophyllin ist Istradefyllin in Europa jedoch nicht zugelassen. Ähnlich wie Koffein sind Theophyllin und Istradefyllin potente Antagonisten am Adenosin2A-Rezeptor. Daher sollten die Wirkstoffe ähnlich positive Auswirkungen auf die Symptome der ADCY5-bedingten Dyskinesie haben wie Koffein, da durch die Antagonisten die cAMP-Spiegel in striatalen Neuronen normalisiert werden sollten.