Teuflisch gut und heilig bitter |
Dank Rupeszissa siegte für das Johanniskraut also nun das Wort vom Dämon und als Fuga daemonum fand es auch Eingang in die frühneuzeitlichen Inquisitionshandbücher und den juristisch-medizinischen Hexendiskurs. Der Inquisitor Ghirolamo Menghi, ebenfalls ein Franziskaner, zitierte im 16. Jahrhundert in seinem Handbuch »Flagellum daemonum seu exercismi terribiles« ausführlich den Dämonenparagrafen seines Ordensbruders Rupeszissa und empfahl zur Unterstützung des Exorzismus das Räuchern von Johanniskrautsamen.
Die Nutzung des Johanniskrauts zur Vertreibung von Dämonen, zur Bannung von Hexen und zur Heilung angezauberter Krankheiten beschäftigte aber nicht nur die Hexentheoretiker von Jakob Sprenger bis zu Jean Bodin, sondern auch die populäre Heilkunde. Kräuterbücher wie der Titel »Von Gründlicher Heylung der Zauberischen Schäden und Vergifften Ascendenten zustand«, verfasst von dem paracelsistischen Arzt Bartholomäus Carrichter, boten Arzneien gegen Verzauberungen und Sympathiemittel in Hülle und Fülle. Sie begründeten eine eigene Rezepttradition, die sich in gedruckten und handschriftlichen Rezeptsammlungen abseits der offizinellen Pharmazie immer weiter verzweigte. Eines dieser Heilmittel gegen Verzauberungen verirrte sich im aufgeklärten 18. Jahrhundert dann sogar in die Pharmakopoea Wirtenbergica.
Der Ruch des Aberglaubens trug vermutlich dazu bei, dass Johanniskraut zunächst einmal fast ganz in Vergessenheit geriet und erst im 20. Jahrhundert wieder aus dem Dornröschenschlaf geweckt wurde. Heute ist es einer der »Stars« der Heilpflanzenszene.