»Tarifkosmetik hilft uns nicht weiter« |
Kerstin Pohl |
26.09.2024 17:30 Uhr |
Von links: Wolf Wagner (Schatzmeister), Sebastian Berges (zweiter Vorsitzender) und Max Breuer (Vorstand). / Foto: TGL Nordrhein
Sebastian Berges, zweiter Vorsitzender der TGL-Nordrhein (Tarifgemeinschaft der Apothekenleiter) eröffnete die Jahreshauptversammlung mit einem Resümee. Wie soll das Dilemma Tariferhöhungen versus sinkende Betriebsergebnisse gelöst werden? Seit dem 1. Juli 2024 gilt ein neuer Gehaltstarifvertrag, auf den sich der Arbeitgeberverband Deutscher Apotheken (ADA) und die Apothekengewerkschaft (Adexa) geeinigt haben und der so nicht mit der TGL Nordrhein abgesprochen war. Außer einer Gehaltserhöhung steht Apothekenmitarbeitern nun ein Tag mehr Urlaub und eine Arbeitsstunde weniger pro Woche zu. Seit dem 1. August 2024 gibt es zudem einen neuen Bundesrahmentarifvertrag (BRTV).
Berges kritisierte, dass das der falsche Zeitpunkt für solche Zusagen sei. Die Betriebsergebnisse nähmen immer mehr ab: 12 bis 15 Prozent der Apotheken weisen ein negatives Betriebsergebnis auf, 20 Prozent der Apothekenleiter verdienen weniger als ihre angestellten Apotheker und zwei Drittel aller Apothekern erreichen nicht mehr den durchschnittlich benötigten Umsatz von 100.000 Euro im Jahr.
»Tarifkosmetik hilft uns nicht weiter«, betonte Berges. Dabei müsse man auch berücksichtigen, dass der ADA Apotheken aus Ballungsgebieten vertritt, während es bei der TGL-Nordrhein die eher ländlichen Gebiete sind.
»Für die Mitarbeiter nehmen die Belastung und damit der Stress kontinuierlich zu, ebenso wie die Krankenstände. Die Einführung von pDL, dem E-Rezept und das Lieferengpassmanagement tun ein Übriges dazu«, sagte der zweite Vorsitzende. Zudem werde der Arzneimittelbedarf in den nächsten Jahren weiter ansteigen, bedingt auch durch den demografischen Wandel und zunehmend ältere Patienten, damit verbunden auch mehr und intensivere Beratungsgespräche. Das bedeute dann auch mehr Belastung für das Apothekenpersonal, dessen Zahl weiter abnimmt. Selbstverständlich solle die Leistung der Mitarbeiter anerkannt und wertgeschätzt werden, sagte Berges. Viele Arbeitgeber zahlen bereits außertariflich.
Nicht zu vernachlässigen sei zudem der Wettbewerb der Apotheken um Arbeitskräfte, beispielsweise mit Krankenhäusern. 78 Prozent der Hochschulabsolventen gingen heute nicht mehr nach Abschluss des Studiums in die Apotheke. Hinzu kämen seit April 2024 schlechtere Einkaufskonditionen, die keine Kompensationsmöglichkeiten böten und auch den Apotheken keinen Handlungsspielraum mehr ließen.
Von der Politik käme keine Unterstützung, kritisierte Berges, sie habe die Apotheken vernachlässigt und agiere lediglich mit Lippenbekenntnissen. Das Apotheken-Reformgesetz (ApoRG) sei eine Blackbox, bei der die Arbeitgeber im Regen stehengelassen werden.
Wie könnten mögliche Lösungen laut Berges aussehen? Man könnte die Ausbildungskosten der PTA und PKA beispielsweise durch öffentliche Gelder finanzieren. Für das Lieferengpassmanagement, die pDL und auch das Impfen müsse mehr Geld bezahlt werden. Auch eine Stärkung der Apothekenpflicht für Produkte, die es im Super- oder Drogeriemarkt gibt, sei denkbar. Generell aber forderte Berges: »Es muss mehr Geld ins System!« und er regte an, auch »weiter zu trommeln, um der Politik die Situation der Apotheken klar zu machen und eine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen.«
Das Papier-Rezept ist ein Auslaufmodell. Mit dem E-Rezept sollen alle Arzneimittel-Verordnungen über die Telematikinfrastruktur abgewickelt werden. Wir berichten über alle Entwicklungen bei der Einführung des E-Rezeptes. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite E-Rezept.