| Theo Dingermann |
| 11.01.2022 11:02 Uhr |
Personen, die mit humanen Corona-Erkältungsviren infiziert waren, weisen T-Zellen auf, die SARS-CoV-2 erkennen. / Foto: iStock/Thomas_EyeDesign
Es wird immer wieder beobachtet, dass Personen die nachweislich mit SARS-CoV-2 in Kontakt gekommen sind, keine PCR- oder Antikörper-Positivität dem Virus gegenüber entwickeln. Ein Grund könnte darin liegen, dass solche Personen eine subklinische Infektion vor der Serokonversion überwinden, also bevor Antikörper nachweisbar sind. Dabei scheinen T-Zellen eine wichtige Rolle zu spielen, die sich als Reaktion auf eine Infektion mit humane Corona-Erkältungsviren (huCoVs) gebildet haben.
Diese Hypothese ist nicht neu. Allerdings fehlte es bisher an überzeugender Evidenz, die jetzt von Wissenschaftler um Dr. Rhia Kundu vom Imperial College London in einer Publikation im Fachjournal »Nature Communications« geliefert wird. Die Wissenschaftler hatten seit September 2020, als in England noch sehr wenig Menschen an Covid-19 erkrankt waren, 52 Personen untersucht, die nachweislich Kontakt zuSARS-CoV-2-infizierten Personen hatten, sich aber selber nicht angesteckt hatten. Dies wurde durch PCR-Test bestätigt.
In den Blutproben dieser Probanden charakterisierten die Wissenschaftler dann T-Zellen, deren Bildung durch eine frühere Exposition mit einem Corona-Erkältungsvirus induziert worden war und überprüften, ob diese auch mit SARS-CoV-2 kreuzreagieren konnten.
Sie fanden kreuzreaktive T-Zellen bei den 26 Personen, die sich nicht infiziert hatten, in deutlich höherer Konzentration als bei den 26 Personen, die sich infiziert hatten. Bemerkenswert war, dass diese T-Zellen eine Spezifität für intravirale Proteine von SARS-CoV-2, vor allem eine Spezifität für das Nukleokapsid-Protein, aufwiesen. Hinsichtlich der T-Zellspezifität gegen das Spike-Protein unterschieden sich die Gruppen der Infizierten und der Nicht-Infizierten nicht.
Somit deuten die Ergebnisse der Studie an, dass bereits vorhandene, nicht mit dem Spike-Protein kreuzreaktive Gedächtnis-T-Zellen SARS-CoV-2-naive Kontaktpersonen vor einer Infektion zu schützen vermögen.
Dies ist eine wichtige Erkenntnis hinsichtlich der Weiterentwicklung von Coronaimpfstoffen. Es könnte sinnvoll sein, Impfstoffe der nächsten Generation nicht nur mit dem S-Protein als Antigen zu bestücken, sondern zusätzlich auch mit Nicht-Spike-Antigenen auszustatten.
Professor Dr. Ajit Lalvani, der Seniorautor der Studie und Direktor der NIHR Respiratory Infections Health Protection Research Unit am Imperial College, sagt laut einer Pressemitteilung des Imperial College: »Unsere Studie liefert den bisher deutlichsten Beweis dafür, dass T-Zellen, die durch Erkältungs-Coronaviren induziert werden, eine schützende Funktion gegen eine SARS-CoV-2-Infektion besitzen. Diese T-Zellen bieten Schutz, indem sie Proteine im Innern des Virus angreifen und nicht das Spike-Protein auf der Virusoberfläche.«
Lalvani warnt aber auch: »Dies ist zwar eine wichtige Entdeckung, aber nur eine Form des Schutzes, und ich möchte betonen, dass sich niemand allein darauf verlassen sollte. Stattdessen ist der beste Schutz gegen Covid-19 eine vollständige Impfung, einschließlich einer Auffrischungsimpfung.«
Zur Weiterentwicklung der Corona-Impfstoffe sagt er: »Das Spike-Protein steht unter starkem Selektionsdruck durch impfstoffinduzierte Antikörper, was die Entwicklung von Impfstoff-Fluchtmutanten vorantreibt. Im Gegensatz dazu mutieren die internen Proteine, gegen die die von uns identifizierten schützenden T-Zellen gerichtet sind, viel weniger. Folglich sind sie zwischen den verschiedenen SARS-CoV-2-Varianten, einschließlich Omikron, sehr konserviert. Neue Impfstoffe, die diese konservierten internen Proteine enthalten, würden daher eine breit angelegte schützende T-Zell-Antwort auslösen, die vor aktuellen und zukünftigen SARS-CoV-2-Varianten schützen sollte.«
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.