| Theo Dingermann |
| 08.02.2021 14:00 Uhr |
Eigentlich sollte seit letzter Woche in Südafrika vor allem Gesundheitspersonal mit dem Astra-Zeneca-Impfstoff vor Covid-19-Erkrankungen geschützt werden, doch ist weiterhin unklar, wie gut die Vakzine vor der dort weit verbreiteten Virusvariante B1.351 schützt. / Foto: Adobe Stock/kovop58
Südafrika, das durch die aggressive SARS-CoV-2-Variante B.1.351 schwer getroffen ist, muss zunächst die Hoffnung begraben, durch den Astra-Zeneca-Impfstoff AZD1222 eine entscheidende Entspannung der Lage herbeiführen zu können. Südafrika hatte vergangene Woche eine Million Dosen des Astra-Zeneca-Impstoffs erhalten und geplant, schon bald mit der Impfung von Gesundheitsmitarbeitern zu beginnen, doch die Impfkampagne nun vorerst gestoppt.
Was war passiert? Astra-Zeneca hatte eine Studie mit seinem Vektorimpfstoff in Südafrika durchgeführt. Vorläufige Ergebnisse dieser Studie auf Basis der Daten von 2000 Probanden wurden am Sonntag von den Universitäten von Witwatersrand und Oxford veröffentlicht. Diese zeigen, dass der Impfstoff zwar die Häufigkeit leichter Erkrankungen, die durch die in Südafrika kursierende Variante B1.351 verursacht werden, zu reduzieren vermag. Jedoch lag die Wirksamkeit selbst gegen die leichten und mittelschweren Erkrankungen deutlich unterhalb der internationalen Mindeststandards für Covid-19-Impfstoffe. Geimpfte wurden lediglich zu höchstens 25 Prozent durch den Impfstoff geschützt.
Allerdings zog Astra-Zeneca zunächst ein positives Fazit. Denn man glaubt, dass der Impfstoff wohl vor schweren Erkrankungen und dem Tod schützen kann. Bei genauerem Hinsehen hingegen muss man zu dem Schluss kommen, dass eine solche Aussage auf Basis der vorhandenen Daten nicht möglich ist. Dazu war die Studie zum einen zu klein. Zum anderen waren relativ gesunde, junge Menschen rekrutiert worden. So lag das Durchschnittsalter bei nur 31 Jahren.
Zwar entwickelte keiner der Probanden, egal ob unter Placebo oder echtem Impfstoff, eine schwere Krankheit oder musste stationär behandelt werden. Etwas anderes konnte man allerdings auch kaum bei diesem Studiendesign erwarten.
Der Leiter des Corona-Beratungskomitees der südafrikanischen Regierung äußerte gegenüber dpa, dass die Studie zum Astra-Zeneca-Impfstoff in Südafrika nur eine schwache klinische Wirksamkeit gezeigt habe. »Also muss die Einführung dieses Impfstoffs vorübergehend unterbrochen werden.« Der südafrikanische Gesundheitsminister Zweli Mkhize sagte, es müsse noch mehr Arbeit investiert werden, um das Problem zu verstehen.
Die klinische Entwicklung des Vektorimpfstoffs, der ursprünglich von der Universität Oxford stammt, lief von Beginn an nicht rund. Bereits publizierte Ergebnisse aus nur unzureichend geplanten und kontrollierten Studien in verschiedenen Ländern zeigten eine verwirrend große Bandbreite an Erfolgsraten gegen leichte und mittelschwere Erkrankungen. Dies führte zu erheblichen Interpretationsschwierigkeiten und zu Schlüssen, die nicht allen Experten einleuchteten.
Dieser Trend scheint sich mit den am Freitag vorgelegten Daten aus der südafrikanischen Studie, die noch nicht publiziert sind, fortzusetzen. Zwar scheint der Impfstoff wohl gegen die britische Variante B.1.1.7 zu schützen. Bezüglich eines Schutzes gegen die südafrikanische Variante B.1.351 lässt sich die Frage auch mit den jetzt vorgelegten Daten noch nicht abschließend beantworten.
In Südafrika wurde der Impfstoff in zwei Dosen im Abstand von 21 bis 35 Tagen verabreicht. Antikörper, die die ursprüngliche Variante des Virus effizient zu neutralisieren vermögen, sind gegen die B.1.351-Variante deutlich weniger effizient.
Die neuen Ergebnisse seien ein »Realitätscheck«, sagte Shabir Mahdi von der Universität Witwatersrand, der Leiter der Studie, bei einer Pressekonferenz. »Es ist leider an der Zeit, dass wir unsere Erwartungen an den Covid-19-Impfstoff neu kalibrieren, ebenso die Art und Weise, wie wir entscheiden, wie wir auf die Covid-19-Pandemie in Südafrika und weltweit reagieren sollen.«
Astra-Zeneca hatte gehofft, gerade in den Entwicklungsländern auf breite Akzeptanz zu stoßen. Man geht davon aus, dass in diesem Jahr drei Milliarden Dosen in diesen Ländern absetzen zu können, weit mehr als jeder andere Covid-Impfstoff.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.