STIKO bleibt bei ihrer Entscheidung zu Vaxzevria |
Christina Hohmann-Jeddi |
08.04.2021 13:38 Uhr |
Die EMA empfiehlt den Covid-19-Impfstoff von Astra-Zeneca weiterhin für alle Altersgruppen, die STIKO in Deutschland jedoch nur für die Über-60-Jährigen. / Foto: Adobe Stock/ink drop
Der Nutzen der Astra-Zeneca-Vakzine Vaxzevria® ist höher zu bewerten als ihr Risiko – das bestätigte die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) am 7 April. Spezifische Risikofaktoren wie Geschlecht und Alter konnten in der EMA-Untersuchung der Fälle von seltenen Thrombosen, die im Zusammenhang mit einer Impfung aufgetreten waren, nicht definiert werden, sodass die EMA keine ausreichende Evidenzlage für Altersbeschränkungen sieht. Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat sich erneut für die weitere Verwendung des Impfstoffs ausgesprochen. In Deutschland hält die Ständige Impfkommission (STIKO) aber an ihrer Empfehlung fest, vor allem Menschen über 60 Jahre mit Vaxzevria zu impfen.
Die Entscheidung der EMA werde an der Empfehlung der STIKO für Deutschland nichts ändern, stellte STIKO-Mitglied Professor Dr. Christian Bogdan vom Universitätsklinikum Erlangen am gleichen Tag bei einer Veranstaltung des Science Media Center Germany klar: Die Entscheidung der EMA könne man mit Sicherheit rechtfertigen, das Vorgehen der STIKO aber auch. Bei solchen Gremienentscheidungen seien auch immer die nationale Betroffenheit, also die Zahl der Fälle der Komplikationen, und die Situation der Pandemiebekämpfung im Land mit zu berücksichtigen, sagte Bogdan. Die EMA-Entscheidung werde aber sicherlich ein Thema der nächsten STIKO-Sitzung sein.
Die Gründe für die STIKO-Impfempfehlung führte Bogdan noch einmal explizit auf: Es habe ein klares Risikosignal gegeben, denn die Zahl der Fälle der seltenen Hirnvenenthrombosen (CVST) mit Thrombozytopenie nach Impfung traten etwa zwanzigmal häufiger auf, als in der Bevölkerung zu erwarten gewesen wäre und dies vor allem in der Gruppe der Unter-60-Jährigen. Demgegenüber stehe ein für diese Altersgruppe vergleichbar niedriges Risiko, an Covid-19 schwer zu erkranken und zu versterben. Ein solches Verhältnis von niedrigem Nutzen gegenüber dem Risiko für zwar seltene, aber schwerwiegende Komplikationen sei für das Individuum betrachtet nicht akzeptabel. »Man impft ja gesunde Menschen«, betonte Bogdan.
Zudem sei man in der positiven Situation, auf andere Covid-19-Impfstoffe ausweichen zu können. Für die mRNA-Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna konnte bislang kein Risikosignal für die speziellen Thrombosen beobachtet werden. »Man ist nicht in der Situation, jemandem einen Impfstoff vorzuenthalten, sondern es ist eine Umverlagerung der vorhandenen Impfstoffe entsprechend der bisher bekannten Risikokonstellationen.« Das sei nicht nur ein legitimes, sondern ein notwendiges Geschehen, sagte das STIKO-Mitglied. Denn man dürfe nicht nur mit dem Aspekt der Pandemiebekämpfung und den durch Impfung verhinderten Todesfällen argumentieren, sondern müsse auch sicherstellen, dass jeder Geimpfte möglichst kein hohes Risiko für Komplikationen hat.
Dass die seltenen thrombotischen Ereignisse kausal mit der Impfung zusammenhängen, sei relativ schnell klar gewesen, sagte Bogdan. Auch die EMA sieht dies inzwischen so. Noch gebe es aber keine Belege, dass der Impfstoff Vaxzevria die Ursache ist, der Auslöser könne auch indirekt die heftige Immunreaktion auf den Impfstoff sein. Es sei ein bekanntes Phänomen, dass durch eine Impfung neben der gewünschten Immunantwort auch andere präexistente immunologische Prozesse wie Autoimmunprozesse verstärkt werden können. »Es muss eine bestimmte Prädisposition geben«, sagte Bogdan. Wenn die Komplikationen durch den Vektor ausgelöst würden, wären sie sehr viel häufiger.
Dr. Marianne Röbl-Mathieu, niedergelassene Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in München und ebenfalls STIKO-Mitglied, führte die Ermittlung der Altersgrenze für die Vaxzevria-Impfung noch einmal genauer aus: Das Risiko, an Covid-19 zu versterben, ist für die Gruppe der Über-60-Jährigen fünfzigmal höher als für die Gruppe der 20- bis 59-Jährigen. Demgegenüber stehe das Risiko für die seltenen, aber schwerwiegenden und zum Teil tödlichen Komplikationen, die zu 95 Prozent bei Personen unter 60 Jahren aufgetreten seien.
Röbl-Mathieu erklärte auch, warum die STIKO-Altersgrenze für beide Geschlechter gilt, obwohl die meisten Fälle in Deutschland bei Frauen aufgetreten sind: Zum einen seien hierzulande vor allem junge Frauen geimpft worden, was das Verhältnis erklären könnte, zum anderen gebe es bislang keinen Hinweis, dass es eine Geschlechterdifferenz in Bezug auf den vermuteten Pathomechanismus gibt, so Bogdan.
Frauen hätten insgesamt ein höheres Risiko für Thrombosen, allerdings würden die klassischen Risikofaktoren, zu denen die Pilleneinnahme zählt, und ein höheres Lebensalter nicht mit den untersuchten Fällen zusammenpassen. Hier bestehe noch ein riesiges Fragezeichen, so Röbl-Mathieu. Dies erschwere auch die individuelle Beratung zu dem Impfstoff. Denn bisher seien keine spezifischen Risikofaktoren identifiziert, an denen man das individuelle Risiko ermitteln könne, sagte die Ärztin. Man könne sich daher nur auf eine Risikoaufklärung beschränken.