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Häufige Arzneistoffe

Steckbrief Tamsulosin

Aktuell sind fünf α-Adrenozeptor-Antagonisten für Männer mit benigner Prostatahyperplasie auf dem Markt. Von diesen wird Tamsulosin am häufigsten verordnet. Es ist recht gut verträglich, kann aber Probleme bei einer Operation bereiten – an den Augen.
AutorKontaktBrigitte M. Gensthaler
Datum 14.01.2021  07:00 Uhr

Die benigne Prostatahyperplasie (BPH) ist vorrangig ein Problem älterer Männer. Denn etwa ab dem 40. Lebensjahr wächst die Prostata (Vorsteherdrüse) kontinuierlich. Mit 60 Jahren liegt das Volumen bei etwa 30 ml, bei Männern über 75 Jahren im Durchschnitt bei fast 40 ml. Durch die vermehrte Zellteilung (Hyperplasie) kommt es zu einer knotigen Vergrößerung des Drüsengewebes und des dazwischenliegenden Stromas. 

Da die Prostata den Beginn der Harnröhre vollständig umschließt, können Probleme beim Wasserlassen entstehen. Die Symptome des benignen Prostatasyndroms lassen sich einteilen in obstruktive Beschwerden, die die Entleerungsphase der Blase betreffen, und irritative Symptome, die die Speicherphase betreffen. Tonus und Kontraktion der Prostata werden über eine noradrenerge Innervation von α1-Rezeptoren gesteuert. Genau hier setzen die α1-Blocker an.

Wofür wird Tamsulosin eingesetzt?

Die Indikation ist eng: Behandlung von Symptomen des unteren Harntrakts (LUTS) bei Männern mit BPH. In dieser Indikation wird Tamsulosin auch kombiniert mit dem 5α-Reduktase-Inhibitor Dutasterid.

Wie wirkt Tamsulosin?

Die ältesten Vertreter α1-Adrenozeptor-Antagonisten sind Doxazosin und Terazosin, die unspezifisch alle α1-Rezeptorsubtypen hemmen. Sie werden daher sowohl bei Hypertonie als auch BPH eingesetzt. Tamsulosin bindet selektiv und kompetitiv vor allem an postsynaptische α1A-Adrenozeptoren. Dies bewirkt eine Relaxation der glatten Muskulatur von Prostata und Urethra. In der Folge steigt die maximale Harnflussrate, Obstruktionen werden gelindert und Entleerungsstörungen gebessert. Ebenso verbessert Tamsulosin die Füllungssymptome, bei denen die Instabilität der Blase eine wichtige Rolle spielt. Diese günstigen Effekte auf Füllung und Entleerung der Harnblase bleiben bei einer Langzeittherapie erhalten. Tamsulosin kann eine Operation oder Katheterisierung signifikant hinauszögern.

Wie wird Tamsulosin dosiert und verstoffwechselt?

Der Mann sollte die Tagesdosis von 0,4 mg nach dem Frühstück und immer zur selben Uhrzeit einnehmen, um eine gleichmäßige Resorption zu erreichen. Die Mahlzeit verlangsamt die Resorption. Eine Dosisanpassung ist weder bei Nieren- noch bei leichter bis mäßiger Leberinsuffizienz nötig. Tamsulosin wird in der Leber metabolisiert.

Welche Nebenwirkungen sind möglich?

Tamsulosin ist relativ gut verträglich. Zu den häufigen unerwünschten Wirkungen, die weniger als 10 Prozent der Patienten erleiden, gehören Schwindel und Ejakulationsstörungen. Diese schließen einen retrograden, also nach innen gerichteten Samenerguss sowie ein Versagen der Ejakulation ein. Gelegentlich kommt es zu Kopfschmerzen, Herzklopfen, Hypotonie, Magen-Darm-Beschwerden und Hautausschlag. Es wurde auch über Fälle von Vorhofflimmern, Herzrhythmusstörungen, Tachykardie und Dyspnoe berichtet, aber deren Häufigkeit kann nicht abgeschätzt werden.

Welche Gegenanzeigen und Wechselwirkungen sind zu beachten?

Kontraindikationen sind eine bekannte orthostatische Hypotonie, da Tamsulosin selbst in Einzelfällen eine Hypotonie auslösen kann, sowie schwere Leberinsuffizienz.

Die gleichzeitige Anwendung von Tamsulosin mit starken CYP3A4-Inhibitoren kann die Plasmaspiegel von Tamsulosin steigern. Beispielsweise erhöht die gleichzeitige Anwendung von Ketoconazol die Bioverfügbarkeit (AUC und Cmax) um den Faktor 2,8 sowie 2,2. Bei Patienten vom CYP2D6-Poor-Metabolizer-Phänotyp sowie bei Kombination mit starken und moderaten CYP3A4-Inhibitoren ist Vorsicht geboten.

Die gleichzeitige Gabe anderer α1-Blocker kann blutdrucksenkend wirken. Wichtig für die Beratung: Bei ersten Anzeichen einer orthostatischen Hypotonie wie Schwindel oder Schwäche sollte sich der Patient hinsetzen oder hinlegen, um einen Sturz zu vermeiden.

Welche Besonderheiten hat Tamsulosin?

Seit 2005 ist eine weitere unerwünschte Wirkung der α1-Blocker bekannt, die für die Augenheilkunde hochrelevant ist. Vor allem Tamsulosin kann bei Katarakt-Operationen das Risiko für eine schwere Komplikation, das Intraoperative Floppy-Iris-Syndrom (IFIS), stark erhöhen. Bei dieser OP ermöglicht eine maximale Weitstellung der Pupille dem Arzt die intraoperative Übersicht. Das IFIS ist gekennzeichnet durch eine undulierende Iris, Irisvorfall und intraoperative progrediente Engstellung der Pupille. Das erschwert dem Operateur die Übersicht und kann Irisverletzungen und ein schlechtes Operationsergebnis mit beeinträchtigtem Sehvermögen zur Folge haben. 

Auf dieses Problem wies die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) im September 2020 in einer Drug Safety Mail hin. Sie empfiehlt, eine geplante Katarakt-Operation vor Therapiebeginn mit einem α1-Blocker vorzunehmen. Eventuell kann auch ein nicht selektiver Blocker wie Alfuzosin gewählt werden, für den das IFIS-Risiko niedriger eingeschätzt wird. Vor einer Katarakt-OP sollten Patienten gezielt gefragt werden, ob sie α1-Blocker einnehmen oder eingenommen haben. Tamsulosin sollte so früh wie möglich vor der Augen-OP abgesetzt werden. Allerdings kann ein IFIS auch dadurch nicht gänzlich vermieden werden.

Kurzer Blick in die Historie

Hyper- und Hypotonie, Herzinsuffizienz, Asthma bronchiale, Migräne und BPH: Bei sehr unterschiedlichen (patho-)physiologischen Vorgängen sind Adrenozeptoren maßgeblich beteiligt. Doch erst seit rund 70 Jahren ist bekannt, dass es verschiedene Typen von Rezeptoren im sympathischen Nervensystem gibt. 1948 unterschied der amerikanische Pharmakologe Raymon P. Ahlquist – der auch den Bachelor-Abschluss in Pharmazie hatte – α- und β-Adrenozeptoren. In der Folge wurden viele Subtypen entdeckt. Dies ermöglichte die Entwicklung von spezifischen Agonisten und Antagonisten und somit gezielte Therapien von Erkrankungen, bei denen sympathische Adrenozeptoren beteiligt sind – wie eben das Prostatasyndrom.

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