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Häufige Arzneistoffe

Steckbrief Paracetamol

Paracetamol gehört zu den Wirkstoffen, die in keiner Hausapotheke fehlen – ob als Schmerztablette für die Großen oder Fiebersaft für die Kleinen. Umso erstaunlicher, dass der Wirkmechanismus immer noch nicht vollständig aufgeklärt ist.
AutorKontaktAnnette Rößler
Datum 24.02.2021  07:00 Uhr

Was ist das Einsatzgebiet von Paracetamol?

Paracetamol dient zur symptomatischen Behandlung leichter bis mittelstarker Schmerzen und zur Fiebersenkung. So steht es in den Fachinformationen Paracetamol-haltiger Präparate. Auch stärkere Schmerzen lassen sich offenbar mit Paracetamol erfolgreich bekämpfen: Daten aus den USA haben gezeigt, dass sich bei akuten und postoperativen Schmerzen beträchtliche Mengen Opioide einsparen lassen, wenn stattdessen vermehrt Paracetamol gegeben wird, meist in Kombination mit Ibuprofen.

Aktuell: Ist Paracetamol nach einer Covid-19-Impfung erlaubt?

Fieber ist eine mögliche Reaktion auf viele Impfungen, die zeigt, dass die gewünschte Anregung des Immunsystems stattfindet. 2009 ergab eine Untersuchung aus Tschechien, dass die Immunreaktion bei geimpften Kindern schwächer ausfällt, wenn der Anstieg der Körpertemperatur durch die prophylaktische Gabe von Paracetamol verhindert wird (»The Lancet«, DOI: 10.1016/S0140-6736(09)61208-3). Seitdem ist man zurückhaltend mit dem Einsatz von Paracetamol und anderen Antipyretika nach Impfungen.

In der gerade laufenden Covid-19-Impfkampagne stellt sich die Frage, ob Impfreaktionen wie Schmerzen und Fieber medikamentös bekämpft werden dürfen, drängender denn je. Das Robert-Koch-Institut (RKI) beantwortet sie mit einem klaren Ja – und nennt dabei explizit Paracetamol: »Bei Schmerzen oder Fieber nach der Impfung […] können schmerzlindernde/fiebersenkende Medikamente (zum Beispiel Paracetamol) eingenommen werden«, heißt es in den RKI-Aufklärungsbögen zu den mRNA-Impfstoffen und zu dem Vektorimpfstoff.

Wie wirkt Paracetamol?

Gäbe es einen Nobelpreis für Pharmazie, würde dieser vermutlich demjenigen zuteil, der diese Frage abschließend beantworten könnte. Der genaue Wirkmechanismus ist nach wie vor ungeklärt; eine zwischenzeitlich als Erklärung diskutierte Hemmung der Cyclooxygenase (COX) 3 scheint zwar vorhanden, aber für die analgetische Wirkung nicht relevant zu sein (»The Journal of Pharmacology and Experimental Therapeutics« 2005, DOI: 10.1124/jpet.105.085431). Einer Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2020 zufolge scheint der Paracetamol-Metabolit N-Acylphenolamin (AM404) die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden und zentral mit dem TRPV1 (Transient Receptor Potential Vanilloid 1) und dem Cannabinoid-1-Rezeptor zu interagieren (»Frontiers in Pharmacology«, DOI: 10.3389/fphar.2020.580289). Vermutlich ist aber auch damit das letzte Wort noch nicht gesprochen.

Als wahrscheinlich gilt, dass es sowohl eine zentrale als auch eine periphere Wirkkomponente gibt. Paracetamol hemmt die Prostaglandinsynthese im Gehirn stark, aber in der Peripherie nur schwach. Im Gegensatz zu den nicht steroidalen Antirheumatika (NSAR) wirkt es nicht antiinflammatorisch. Die Fiebersenkung kommt wohl durch eine Hemmung des Effekts endogener Pyrogene auf das Temperaturregulationszentrum im Gehirn zustande.

Wie wird Paracetamol dosiert?

Die Dosis richtet sich nach dem Körpergewicht und dem Alter des Patienten. In der Regel werden 10 bis 15 mg Paracetamol pro kg Körpergewicht als Einzeldosis gegeben; 60 mg pro kg Körpergewicht oder auch 4 g bei Erwachsenen gelten als Tageshöchstdosis. Die Einnahme erfolgt über den Tag verteilt, wobei ein Dosisintervall von mindestens sechs Stunden einzuhalten ist. Leber- und Niereninsuffizienz sowie unter anderem ein Körpergewicht unter 50 kg, chronischer Alkoholmissbrauch und Wasserentzug erfordern eine Dosisreduktion und/oder eine Verlängerung des Dosisintervalls. Insbesondere bei Kindern, deren Körpergewicht sich ja schnell verändert, lohnt sich vor jeder Behandlung erneut der Blick in die Dosistabellen im Beipackzettel, denn bei ihnen sind Über- und Unterdosierungen häufig.

Für die abgestufte Dosierung stehen neben Tabletten in verschiedenen Stärken auch diverse andere Darreichungsformen wie Brause- und Schmelztabletten, Zäpfchen, Lösungen, Tropfen, Granulat und eine Infusionslösung zur Verfügung. Ohne ärztliche Kontrolle sollte Paracetamol maximal drei Tage lang angewendet werden.

Was tun bei Überdosierung?

Paracetamol wird in der Leber hauptsächlich durch Konjugation mit Glucuron- und Schwefelsäure metabolisiert und anschließend über den Harn ausgeschieden. In hohen Dosen ist dieser Abbauweg jedoch gesättigt und es wird vermehrt eine andere Route eingeschlagen, nämlich die katalytische Metabolisierung über Cytochrom-P-450 (CYP2E1). Dabei entsteht das toxische N-Acetyl-p-benzochinonimin, das normalerweise rasch an Glutathion oder andere SH-Gruppen-tragende Verbindungen gebunden und so entgiftet wird. Bei einer Überdosierung von Paracetamol stehen nicht genügend SH-Gruppen-haltige Reaktionspartner zur Verfügung und der toxische Metabolit kumuliert. Die intravenöse Gabe von Acetylcystein mit initial 150 mg pro kg Körpergewicht und anschließend 50 mg pro kg Körpergewicht über mehrere Stunden wirkt dem entgegen.

In vielen westlichen Ländern ist eine Paracetamol-Vergiftung die häufigste Ursache für akutes Leberversagen. Um eine versehentliche Überdosierung zu vermeiden, müssen bei der Ermittlung der maximalen Tagesdosis stets alle Einzeldosen zusammengezählt werden. Apotheker sollten Anwender darauf hinweisen, dass dabei auch die Paracetamol-Komponente von Kombinationspräparaten nicht übersehen werden darf.

Welche Neben- und Wechselwirkungen sind möglich?

Bei normaler Dosierung ist Paracetamol gut verträglich. Schwere Hautreaktionen wie das Stevens-Johnson-Syndrom sind sehr selten. Interaktionen sind unter anderem möglich mit Probenecid, CYP-Enzyminduktoren wie Carbamazepin oder Rifampicin, Zidovudin, Prokinetika wie Metoclopramid, Cholestyramin und allen potenziell hepatotoxischen Substanzen, auch Alkohol.

Dürfen schwangere und stillende Frauen Paracetamol anwenden?

Sowohl in der Schwangerschaft als auch in der Stillzeit darf Paracetamol verwendet werden. Die Anwendung in der Schwangerschaft war in der Vergangenheit zwar mit neurologischen Entwicklungsstörungen, Asthma oder anderen negativen Folgen für das Kind in Zusammenhang gebracht worden, doch wurde eine Kausalität nicht belegt. Laut embryotox.de, der Website des Pharmakovigilanz- und Beratungszentrums für Embryonaltoxikologie der Berliner Charité, gehört Paracetamol in üblichen Dosierungen in allen Phasen der Schwangerschaft zu den Analgetika und Antipyretika der Wahl.

Seit wann wird Paracetamol verwendet?

Paracetamol wurde in Deutschland 1959 von der Münchner Firma Bene Arzneimittel als Ben-u-ron® auf den Markt gebracht. Die Synthese des para-(Acetylamino)phenol, das im englischen Sprachraum auch als Acetaminophen bezeichnet wird, war dem amerikanischen Chemiker Harmon Northrop Morse aber schon viel früher gelungen, nämlich 1878. Nachdem man die antipyretische Wirkung der Anilide entdeckt hatte, wurden jedoch zunächst Acetanilid und Phenacetin breiter eingesetzt. Erst die Erkenntnis, dass deren Wirkung auf dem aktiven Metaboliten Paracetamol beruht und dieser zudem weitaus weniger toxisch ist, verhalf dem Paracetamol zum Durchbruch. Seit 1977 steht Paracetamol auf der Liste der unentbehrlichen Arzneistoffe der Weltgesundheitsorganisation, aktuell mit den Indikationen »Migräne« und »Schmerzen«.

Paracetamol und die Verschreibungspflicht – eine unendliche Geschichte?

Trotz der Sicherheit und guten Verträglichkeit von Paracetamol in therapeutischen Dosen darf nicht ausgeblendet werden, dass Überdosierungen aufgrund der Lebertoxizität sehr gefährlich sind und sogar tödlich enden können. Es gab daher immer wieder Anläufe, Paracetamol der Verschreibungspflicht zu unterstellen. Einer führte im Jahr 2009 zwar nicht zu einer generellen Verschreibungspflicht, aber immerhin zu einer Verschärfung der geltenden Regeln, indem die bis dato verfügbaren OTC-Großpackungen verboten wurden und die Wirkstoffmenge pro frei verkäuflicher Packung auf 10 g beschränkt wurde. 2012 scheiterte ein erneuter Versuch, den der wohl prominenteste Paracetamol-Kritiker, Professor Dr. Kay Brune aus Erlangen, gestartet hatte. Sollten keine grundlegend neuen Erkenntnisse hinzukommen, ist es wohl eher unwahrscheinlich, dass ein weiterer Anlauf erfolgreich sein könnte.

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