Steckbrief Metronidazol |
Annette Rößler |
09.02.2024 07:00 Uhr |
Eine Besiedelung des Magens mit Helicobacter pylori führt oft zu einer Gastritis und erhöht langfristig das Risiko für Magenkrebs. Das Antibiotikum Metronidazol ist Teil der Kombinationstherapie, mit der H. pylori eradiziert wird. / Foto: AdobeStock/ Axel Kock
Wie wirkt Metronidazol?
Metronidazol hat eine vergleichsweise einfache Strukturformel, deren wichtigstes Feature die Nitrogruppe ist. Auf sie übertragen bakterielle Enzyme unter anaeroben Bedingungen Elektronen, wodurch Nitroso-Radikale entstehen, die kovalent an die bakterielle DNA binden und Strangbrüche induzieren. In der Folge kommt es zum Zelltod.
Wogegen kann Metronidazol eingesetzt werden?
Die Einsatzgebiete von Metronidazol umfassen Infektionen mit Beteiligung von Anaerobiern, die etwa vom weiblichen Genitale, Magen-Darm-Trakt, Hals-Nasen-Ohren- und Zahn-Mund-Kiefer-Bereich ausgehen können. Dies können unter anderem bakterielle Vaginosen oder eine Trichomoniasis (Infektion mit dem Parasiten Trichomonas vaginalis) sein, eine Helicobacter-pylori-Infektion des Magens oder auch Clostridioides-difficile-bedingte Durchfallerkrankungen. Dabei ändern sich die Empfehlungen je nach Resistenzlage ständig: So zählt Metronidazol zusammen mit einem Bismut-Kalium-Salz, Tetracyclin und einem Protonenpumpeninhibitor derzeit zur empfohlenen Erstlinientherapie bei Helicobacter-pylori-Infektion, ist bei Clostridioides-difficile-Infektion jedoch wegen zunehmender Resistenzen nicht mehr erste Wahl.
Für die genannten Einsatzgebiete steht Metronidazol in Form von Vaginalcreme oder -zäpfchen, als Filmtabletten und Infusionslösung zur Verfügung. Darüber hinaus gibt es auch topische Darreichungsformen, die zur Anwendung auf der Haut bei Rosazea bestimmt sind. Der hierbei zugrunde liegende Wirkmechanismus ist unklar: Metronidazol erfasst weder die mit Rosazea in Verbindung gebrachten Erreger noch hat es einen nachgewiesenen Einfluss auf die mikrobielle Hautflora. Möglicherweise beruht die Wirkung auf allgemeinen antioxidativen und antiinflammatorischen Effekten.
Wie wird Metronidazol dosiert?
Die mittlere Dosierung von Metronidazol bei Erwachsenen und bei Kindern ab zwölf Jahren beträgt bei oraler Anwendung 0,8 bis 1 g pro Tag; die maximale Tagesdosis liegt bei 2 g. Die Einnahme soll auf zwei bis drei Einzeldosen verteilt werden. Die Behandlungsdauer kann einen bis drei oder auch fünf bis sieben Tage betragen. Vaginal wird Metronidazol üblicherweise mit 100 mg einmal täglich abends über sechs Tage gegeben. Bei einer Trichomoniasis vaginalis soll der Sexualpartner oder die -partnerin der Patientin oral mitbehandelt werden. Patienten, die Metronidazol lokal bei Rosazea anwenden, sollten die betroffenen Hautstellen nicht der Sonne aussetzen, da der Wirkstoff bei UV-Lichtexposition zu einem unwirksamen Metaboliten umgewandelt wird.
Bei Kindern unter zwölf Jahren sind Tagesdosen von 20 bis 30 mg Metronidazol pro kg Körpergewicht üblich, bei Säuglingen 15 mg pro kg Körpergewicht.
Welche Nebenwirkungen kann Metronidazol haben?
Zu den häufigen Nebenwirkungen von Metronidazol zählen unter anderem gastrointestinale Beschwerden und metallischer Geschmack sowie eine Dunkelfärbung des Urins. Letztere ist harmlos und kommt durch einen Metaboliten des Wirkstoffs zustande. Gelegentlich kommt es bei oraler oder auch vaginaler Anwendung von Metronidazol zu vaginalen Candidosen. Um den Wiederaufbau einer gesunden Scheidenflora zu unterstützen, können Präparate mit Milchsäurebakterien empfohlen werden.
Welche Wechselwirkungen mit Metronidazol sind möglich?
Metronidazol hemmt den Abbau von Alkohol, sodass toxisches Acetaldehyd kumuliert (Disulfiram-/Antabus-Effekt). Patienten dürfen daher unter der Therapie keinen Alkohol trinken. Weitere Wechselwirkungen sind unter anderem möglich mit Vitamin-K-Antagonisten (Verstärkung der Blutgerinnungshemmung) sowie mit Lithium, Ciclosporin und 5-Fluorouracil (Anstieg des Serumspiegels des jeweiligen Interaktionspartners).
Worauf ist in Schwangerschaft und Stillzeit zu achten?
Aufgrund des Wirkmechanismus von Metronidazol, der Induktion von DNA-Strangbrüchen, bestehen bei der Anwendung in der Schwangerschaft Sicherheitsbedenken. Es soll daher laut Fachinformation insbesondere im ersten Trimenon nur bei zwingender Indikation und in Ermangelung anderer Therapiealternativen eingesetzt werden. Auf Embryotox.de, der Website des Pharmakovigilanz- und Beratungszentrums für Embryonaltoxikologie der Berliner Charité, heißt es dazu jedoch, es gebe »bislang keine stichhaltige Evidenz, dass solche Effekte beim Menschen klinisch eine Rolle spielen«. Den Experten der Charité zufolge kann Metronidazol »bei kritisch geprüfter Indikation« in der gesamten Schwangerschaft eingesetzt werden.
Auch die Empfehlung zur Anwendung in der Stillzeit ist auf Embryotox.de differenzierter. Während in der Fachinformation dazu geraten wird, das Stillen bei mehrtägiger oraler Anwendung von Metronidazol zu unterbrechen, wird das bei Embryotox bei kritischer Indikationsstellung in der Regel nicht für nötig gehalten.
Seit wann gibt es Metronidazol?
Metronidazol wurde 1957 vom französischen Pharmaunternehmen Rhône-Poulenc (heute Teil von Sanofi-Aventis) als Flagyl® auf den Markt gebracht. Der Wirkstoff steht auf der Liste unentbehrlicher Arzneistoffe der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als erste Wahl bei Clostridioides-difficile-Infektion, komplizierten Bauchrauminfektionen, nekrotisierender Fasziitis, Trichomoniasis und zur antibiotischen Prophylaxe vor Operationen.
Strukturformel Metronidazol / Foto: Wurglics