Steckbrief Diltiazem |
Annette Rößler |
21.04.2025 07:00 Uhr |
Diltiazem ist ein Blutdrucksenker und auch ein Antiarrhythmikum. / © Adobe Stock/Kzenon
Wie wirkt Diltiazem?
Diltiazem hemmt den Einstrom von Calciumionen durch den langsamen, spannungsabhängigen L-Typ-Calciumkanal in Zellen der glatten Muskulatur und der Herzmuskulatur. Dadurch sinkt die Kontraktilität dieser Muskelzellen. Es kommt zu einer Vasodilatation, einer Reduktion der Nachlast und einer Blutdrucksenkung. Da Diltiazem auch negativ chronotrop wirkt, wird die reflektorische Frequenzsteigerung gehemmt.
Darüber hinaus führt Diltiazem zu einer Verzögerung der atrioventrikulären Erregungsüberleitung; es ist ein Klasse-IV-Antiarrhythmikum. Im Gegensatz zu Calciumkanalblockern vom Dihydropyridin-Typ (siehe unten) wirkt Diltiazem zudem negativ inotrop.
Wogegen wird Diltiazem eingesetzt?
Zugelassene Indikationen sind symptomatische koronare Herzkrankheit, also diverse Formen der Angina pectoris, und Hypertonie. Dabei kommen meist retardierte perorale Darreichungsformen zum Einsatz. Off Label wird Diltiazem auch als topische Zubereitung bei Analfissuren eingesetzt, um den häufig zugrunde liegenden Hypertonus des Analsphinkters zu senken.
Wie wird Diltiazem dosiert?
Die empfohlene Dosierung beträgt 180 mg pro Tag, verteilt auf eine bis zwei Einzeldosen mit retardierten Darreichungsformen beziehungsweise drei Einzeldosen mit nicht retardierten Darreichungsformen. Bei unzureichender Wirksamkeit kann die Tagesdosis auf bis zu 360 mg gesteigert werden. Bei der Langzeitgabe von Diltiazem soll regelmäßig geprüft werden, ob die Dosis reduziert werden kann. Vorsicht ist geboten bei Patienten mit Leber- und/oder Nierenfunktionsstörungen sowie bei älteren Menschen.
Die Einnahme erfolgt unzerkaut am besten nach den Mahlzeiten mit ausreichend Flüssigkeit.
Welche Nebenwirkungen kann Diltiazem haben?
Sehr häufig entwickeln Patienten unter der Anwendung von Diltiazem periphere Ödeme. Häufige Nebenwirkungen sind unter anderem Kopfschmerzen, Schwindel, Müdigkeit, Schwächegefühl, AV-Block, Palpitationen, Flush, Magen-Darm-Beschwerden wie Verstopfung und Übelkeit sowie Hautreaktionen.
Das Reaktionsvermögen und damit die Fähigkeit zur aktiven Teilnahme am Straßenverkehr können durch Diltiazem beeinträchtigt werden. Das gilt insbesondere bei Therapiebeginn, Dosiserhöhung und Präparatewechsel.
Welche Wechselwirkungen sind möglich?
Diltiazem wird über CYP3A4 metabolisiert und ist ein Inhibitor von CYP3A4. Die gleichzeitige Gabe mit Substraten dieses Enzyms, zum Beispiel Simvastatin, Lovastatin und Atorvastatin, Carbamazepin, Midazolam, Triazolam, Alfentanil, Theophyllin, Ciclosporin A und Herzglykoside, erfordert daher besondere Vorsicht und gegebenenfalls eine Dosisanpassung des Interaktionspartners. Bei gleichzeitiger Gabe von Rifampicin, Cimetidin oder Ranitidin kann sich der Plasmaspiegel von Diltiazem verändern; Patienten sollten aufmerksam überwacht werden.
Bei gleichzeitiger Anwendung von Diltiazem mit anderen Antihypertonika addieren sich die blutdrucksenkenden Effekte, sodass es zu einer Hypotonie kommen kann. Auch die vasodilatierende Wirkung von Nitratderivaten wird durch Diltiazem verstärkt. Dasselbe gilt für die (kardialen) Wirkungen verschiedener Anästhetika, weshalb Patienten, die Diltiazem anwenden, vor einer Vollnarkose den Anästhesisten darüber informieren müssen.
Diltiazem kann die Empfindlichkeit gegenüber Lithium verstärken.
Welche Gegenanzeigen gibt es?
Bestimmte Arzneistoffe sind unter einer Therapie mit Diltiazem kontraindiziert: Ivabradin, Lomitapid und Dantrolen (intravenös). Auch eine intravenöse Gabe von Betablockern sollte unter der Therapie mit Diltiazem unterbleiben. Zu den weiteren Gegenanzeigen zählen ein AV-Block zweiten oder dritten Grades, akuter Herzinfarkt, manifeste Herzinsuffizienz, Vorhofflimmern/-flattern und ein Ruhepuls unter 50 Schlägen pro Minute.
Darf Diltiazem in Schwangerschaft und Stillzeit angewendet werden?
Laut Fachinformation stellt auch eine Schwangerschaft eine Kontraindikation für die Anwendung von Diltiazem dar und stillende Frauen sollen abstillen, falls eine Anwendung von Diltiazem unumgänglich ist. Bei Embryotox, dem Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie der Berliner Charité, heißt es dagegen, die Weiterführung einer bereits begonnenen Therapie mit Diltiazem in der Schwangerschaft sei akzeptabel, falls besser untersuchte Antihypertensiva (alpha-Methyldopa, Metoprolol, ab dem zweiten Trimenon Nifedipin) beziehungsweise Calciumkanalblocker (Verapamil) nicht infrage kommen. Wegen mangelnden Erfahrungen empfiehlt Embryotox für die Stillzeit ebenfalls, bevorzugt auf die genannten Alternativen zurückzugreifen.
Einteilung der Calciumkanalblocker
Calciumkanalblocker sind eine chemisch heterogene Wirkstoffklasse. Man unterscheidet Dihydropyridin-(DHP-), Phenylalkylamin- und Benzothiazepin-Derivate. Die DHP-Derivate enden alle auf -dipin; die Leitsubstanz Nifedipin wurde durch Weiterentwicklungen wie Felodipin und Nitrendipin zunächst hinsichtlich einer bevorzugten vaskulären Wirkung und schließlich mit Wirkstoffen der nächsten Generation wie Amlodipin und Lercanidipin auch pharmakokinetisch optimiert.
Calciumkanalblocker führen zu einer Vasodilatation im arteriellen Strombett. Diltiazem als einziger Vertreter der Benzothiazepine sowie noch stärker die Phenylalkylamin-Derivate Verapamil und Gallopamil haben darüber hinaus direkte Wirkungen auf das Herz: Sie senken die Schlagfrequenz, die AV-Überleitung und die Kontraktionskraft. Die Unterschiede im Wirkprofil sind möglicherweise darauf zurückzuführen, dass die Substanzen an unterschiedlichen Stellen des Calciumkanals andocken, oder auf Unterschiede im Aufbau der Kanalproteine von Myokard und glatter Muskulatur.
Strukturformel Diltiazem / © Wurglics