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Häufige Arzneistoffe

Steckbrief Acetylcystein

Präparate mit Acetylcystein zählen während der Erkältungszeit zu den Schnelldrehern in jeder Apotheke. Allerdings gibt es für die Anwendung als Schleimlöser bei Husten am wenigsten Evidenz. Besser belegt ist die Wirksamkeit als Antidot unter anderem bei Paracetamol-Überdosierung.
Annette Rößler
11.12.2023  12:00 Uhr

Was sind die Einsatzgebiete von Acetylcystein?

Acetylcystein wird angewendet zur sekretolytischen Therapie bei akuten und chronischen bronchopulmonalen Erkrankungen, die mit einer Störung von Schleimbildung und -transport einhergehen. Weitere Anwendungsgebiete sind als Antidot bei Intoxikationen mit Paracetamol, Acrylnitril, Methacrylnitril oder Methylbromid sowie als Bestandteil von Aminosäuren-Infusionslösungen für Patienten, die parenteral ernährt werden. Für die Anwendung als Schleimlöser stehen diverse peroral, inhalativ oder parenteral zu verabreichende Darreichungsformen zur Verfügung. Als Antidot wird Acetylcystein intravenös infundiert.

Wie wirkt Acetylcystein?

Acetylcystein, korrekt: N-Acetylcystein (NAC), ist ein Derivat der Aminosäure Cystein und wird nach oraler Gabe in der Leber durch Deacetylierung in diese umgewandelt. Als Wirkmechanismen diskutiert werden eine Spaltung von Disulfidbrücken zwischen Mukopolysaccharidfasern in Bronchialschleim, eine antioxidative Wirkung durch Abfangen von reaktiven Sauerstoffspezies und eine vermehrte Bildung der körpereigenen, antioxidativ wirksamen Substanz Glutathion durch Bereitstellen des Vorläufers Cystein. 2021 nahmen Mitarbeiter des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg im Fachjournal »Pharmacology & Therapeutics« allerdings die experimentellen und klinischen Belege für diese postulierten Wirkmechanismen unter die Lupe und stellten fest, dass diese teilweise recht mager sind (DOI: 10.1016/j.pharmthera.2021.107916). Möglicherweise ließen sich die Wirkungen von NAC auch damit erklären, dass es in vivo über das Zwischenprodukt Schwefelwasserstoff zur Bildung von Per- und Polysulfiden führt, die schließlich antioxidativ und zytoprotektiv wirkten, heißt es in dem Artikel.

Ungeachtet seiner großen Beliebtheit als Hustenlöser ist die Wirksamkeit von NAC gerade in dieser Indikation nicht gut belegt. Weder die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) noch die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) empfehlen in ihren Leitlinien den Einsatz des Wirkstoffs bei Husten. Auf der WHO-Liste der unentbehrlichen Arzneistoffe steht Acetylcystein wegen seiner Anwendung als Antidot.

Wie wird Acetylcystein dosiert?

Als Mukolytikum bei Husten wird Acetylcystein peroral bei Erwachsenen und Jugendlichen ab 14 Jahren mit 400 bis 600 mg pro Tag dosiert, verteilt auf eine, zwei oder drei Einzelgaben. Kinder und Jugendliche von 6 bis 14 Jahren nehmen zweimal täglich 200 mg, also insgesamt 400 mg pro Tag ein. Bei Mukoviszidose beträgt die empfohlene Dosierung für Kinder und Jugendliche über sechs Jahre 600 mg pro Tag (dreimal täglich 200 mg). Inhalativ/intravenös sollen Kinder von 6 bis 14 Jahren ein- bis zweimal täglich 150 mg Acetylcystein erhalten und Erwachsene zweimal täglich 300 mg.

Bei der Anwendung als Antidot werden innerhalb von 21 Stunden insgesamt 300 mg/kg Körpergewicht (KG) intravenös infundiert, wobei die Hälfte dieser Dosis (150 mg/kg KG) innerhalb der ersten 60 Minuten gegeben wird. Bei einer Paracetamol-Überdosierung dient Acetylcystein zur Entgiftung des hepatotoxischen Paracetamol-Metaboliten N-Acetyl-p-benzochinonimin. Um bestmöglich zu wirken, muss Acetylcystein möglichst rasch nach der Aufnahme von Paracetamol verabreicht werden, am besten innerhalb von zehn Stunden.

Welche Nebenwirkungen kann Acetylcystein haben?

Als wichtige Nebenwirkungen von Acetylcystein nennt die DEGAM-Leitlinie »Akuter und chronischer Husten« Überempfindlichkeitsreaktionen, gastrointestinale Beschwerden (cave bei Ulkusanamnese), Kopfschmerzen und Fieber. Sehr selten könne es auch zu schweren Hautreaktionen wie Stevens-Johnson-Syndrom und Lyell-Syndrom kommen.

Welche Wechselwirkungen kann Acetylcystein eingehen?

Acetylcystein kann den vasodilatierenden Effekt von Glyceroltrinitrat verstärken. In vitro kann Acetylcystein bestimmte Antibiotika (Tetracyclin, Aminoglykoside und Penicilline) inaktivieren. Zwischen der oralen Anwendung von Antibiotika und der von Acetylcystein sollte daher aus Sicherheitsgründen ein mindestens zweistündiger Abstand eingehalten werden. Bei der Kombination von Acetylcystein mit Carbamazepin kann der Wirkspiegel des Antiepileptikums absinken. Generell sollten Mukolytika wie Acetylcystein und Antitussiva wegen der Gefahr eines Sekretstaus nicht kombiniert werden.

Was ist in Schwangerschaft und Stillzeit zu beachten?

Laut Embryotox.de, der Website des Pharmakovigilanz- und Beratungszentrums für Embryonaltoxikologie der Berliner Charité, hat Acetylcystein kein erkennbares teratogenes Potenzial und es gibt bisher keine Hinweise auf fetotoxische Effekte. Allerdings sei der Erfahrungsumfang mit dem Wirkstoff in Schwangerschaft und Stillzeit gering. Embryotox gibt eine »Kann«-Empfehlung für die Anwendung als Schleimlöser in der Schwangerschaft, wenn eine Inhalationsbehandlung und ausreichende Flüssigkeitszufuhr unzureichend wirksam sind. Die Anwendung als Paracetamol-Antidot sei in der Schwangerschaft jederzeit möglich.

In der Stillzeit erfordere eine einmalige Anwendung von Acetylcystein keine Stillunterbrechung; bei einer mehrtägigen Therapie sollte aber Ambroxol bevorzugt werden, da dieses bereits bei Kindern ab zwei Monaten zugelassen ist.

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