Sonderfall Schiffsapotheke |
Die Arbeit auf einem Schiff ist nicht ungefährlich. Kommt es zu einer Verletzung, müssen medizinische Laien die Versorgung übernehmen, da auf Kauffahrteischiffen in der Regel kein Schiffsarzt an Bord ist. / Foto: Adobe Stock/GustavsMD
Ein Kadett bricht sich auf einem Schiff mitten im Nordatlantik den Unterarm. Kein abwegiges Szenario. Ein Arzt von außen käme erst nach einigen Tagen auf dem Schiff an. Nach dem internationalen Seearbeitsübereinkommen haben Seeleute allerdings einen Anspruch darauf, an Bord eines Schiffes so weit wie möglich einen vergleichbaren medizinischen Standard wie an Land vorzufinden.
Das ist nicht leicht umzusetzen. Letztlich wird von medizinisch-pharmazeutischen Laien verlangt, in einer Ausnahmesituation einen Patienten zu versorgen, ohne tiefgreifende Kenntnisse und eine entsprechende Berufsroutine zu besitzen. Denn die Möglichkeit, den Patienten schnell professionell versorgen zu lassen, besteht auf hoher See nicht, ganz anders als auf Kreuzfahrtschiffen, die in der Regel einen Arzt an Bord haben, oder im Bereich der Binnenschifffahrt, wo sich ein Krankentransport leicht organisieren lässt. Daher erfordert die besondere Situation auf Hochseeschiffen unter anderem ein ausgeklügeltes Organisationssystem, in dem die Bordapotheke und das Notfallequipment eine Schlüsselrolle spielen.
In Europa ist der Anspruch auf einen medizinischen Versorgungsstandard, wie er an Land üblich ist, seit 1992 durch die EU-Richtlinie 92/29/EWG geregelt. Diese musste bis zum 31. Dezember 1994 von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden. Seitdem wurde sie mehrfach aktuellen Bedürfnissen angepasst.
Auf Seeschiffen wird die medizinische Betreuung in der Regel entweder durch den Kapitän oder einen Nautischen Schiffsoffizier mit entsprechender Ausbildung wahrgenommen. Die Organisation der Bordapotheke trägt dem Umstand Rechnung, dass nicht Ärzte, sondern medizinische Laien mit spezieller medizinischer Grundausbildung erkrankte oder verletzte Personen an Bord versorgen.
Seeleute haben auch auf hoher See Anspruch auf eine medizinische Versorgung, die soweit wie möglich den Standards an Land entspricht. / Foto: Adobe Stock/Igor Kardasov
Handelsschiffe (Kauffahrteischiffe), die unter deutscher Flagge fahren, werden nach dem neuesten Stand der medizinischen Anforderung in der Seeschifffahrt (Stand der medizinischen Erkenntnisse) mit Arznei- und Medizinprodukten sowie Hilfsmitteln ausgerüstet. Dabei ist die Verschreibungspflicht gemäß §48 des Arzneimittelgesetzes aufgehoben. Für die ordnungsgemäße Ausstattung hat primär der Reeder und während der Reise der Kapitän oder der Schiffsoffizier zu sorgen. Für Seeschiffe unter deutscher Flagge wird der Inhalt der Schiffsapotheke durch den Ausschuss für die medizinische Ausstattung in der Seeschiffart festgelegt, der am Bundesverkehrsministerium angesiedelt ist.
Der Umfang der Ausstattung richtet sich nach dem Fahrtgebiet des Schiffes (weltweit, europäisch, national und küstennah), der Personenzahl an Bord und danach, ob ein Schiffsarzt an Bord ist. Welche Arznei- und Hilfsmittel in welcher Zahl vorgehalten werden müssen, ist entsprechend dieser Einteilungen in drei verschiedenen Verzeichnissen detailliert aufgelistet. Zur weiteren Ausstattung zählen Sanitätskästen für die Rettungsboote, Notfalltaschen mit Notfallkarten, das Medizinische Handbuch See, das Betäubungsmittelbuch, das Krankenbuch und das Ärztliche Berichtsformular.
Das Medizinische Handbuch See ist sowohl das Lehrbuch für die Ausbildung der medizinischen Schiffsoffiziere als auch der medizinische Ratgeber auf See. Beim lnhalt wurde besonderes Augenmerk auf die Bordbezogenheit und die Zielgruppe medizinische Laien gelegt. Die Anweisungen für Therapiemaßnahmen sind mit der an Bord zur Verfügung stehenden medizinischen Ausstattung abgestimmt.