So bleiben Apothekenteams belastbar |
Jennifer Evans |
21.10.2025 11:00 Uhr |
Jedes Mitglied eines Apothekenteams muss sich gut aufgehoben fühlen, um die Belastungen im Alltag zu meistern. / © Adobe Stock/Andrey Popov
Die Arbeit im Gesundheitswesen ist stressig – schwierige Gespräche und kritische Entscheidungen gehören genauso dazu wie menschliches Leid, Aggression, Verzweiflung, Wut oder Trauer. Auch Apothekenteams haben mit Leben und Tod zu tun, sei es im Krankenhaus oder in der Offizin. »Es ist nicht ungewöhnlich, dass Menschen hereinkommen und zusammenbrechen«, berichtet Kay Dunkley, Geschäftsführerin des australischen »Pharmacists’ Support Service«, in einem Webinar des Weltapothekerverbands FIP.
Deshalb ist Resilienz essenziell für den Berufsstand, insbesondere in Katastrophen, Hungersnöten oder humanitären Krisen, wenn Akutversorgung oder Triage gefragt sind. Wie Apothekerinnen und Apotheker solche Situationen meistern können, hat Dunkley während ihrer mehr als 40-jährigen Karriere zu einer Herzensangelegenheit gemacht.
So simpel ihre Ratschläge manchmal klingen, so herausfordernd ist ihre Umsetzung. Beschäftigte im Gesundheitswesen gerieten »sehr leicht an ihre Grenzen« und vernachlässigten dabei oft, auf sich selbst aufzupassen, betonte sie.
Dunkley spricht dabei von Selbstfürsorge. Ein erster Schritt ist die Priorisierung: »Zuerst selbst die Sauerstoffmaske aufsetzen und auf sich achten, damit wir auch für andere sorgen können.« Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, die eigene emotionale Intelligenz zu stärken. Um sich selbst und andere besser zu verstehen, sei es entscheidend, über Ereignisse nachzudenken und sich zu fragen: »Wie haben wir mit anderen interagiert? Wie sind wir mit Individuen und schwierigen Erfahrungen umgegangen?«
Dabei sei es auch wesentlich, offen für Feedback zu sein oder es aktiv einzufordern. »Einen Mentor zum Reden zu haben, kann sehr hilfreich sein.« Ein weiterer zentraler Baustein innerer Stärke besteht darin, sich auf das zu konzentrieren, was innerhalb der eigenen Kontrolle liegt, und alles andere loszulassen.
Wer gelernt hat, sich anzupassen, profitiert besonders in Ausnahmesituationen. Veränderungen müssten Heilberuflerinnen und Heilberufler während einer Katstrophe oft sehr schnell umsetzen, sei es beruflich oder privat. Leichter werde es, diese als kontinuierlichen Prozess zu verstehen, sagte sie.
Darüber hinaus haben widerstandsfähige Menschen einen Sinn und klare Ziele im Leben, auf die sie sich konzentrieren. »Das gibt uns die Motivation, weiterzumachen.« Eine positive Einstellung, das Geschehen immer wieder in die Perspektive zu rücken und das große Ganze im Blick zu behalten, zahlen sich langfristig aus.
Belastbarkeit ist jedoch nicht nur für den Einzelnen entscheidend, sondern auch für Teams. Ziel einer Führungskraft muss es sein, psychologische Sicherheit zu schaffen – ein Umfeld, in dem jeder und jede seine Meinung äußern kann, ohne Angst vor Kritik zu haben. Rückmeldung zu geben und aktiv zuzuhören sind dabei zentrale Elemente. In Krisen ist es zudem entscheidend, allen Teammitgliedern die Möglichkeit zu geben, an Entscheidungen mitzuwirken. Anerkennung, Wertschätzung, Respekt und gute Kommunikation stärken die Teamresilienz nachhaltig.
Ein Konzept der »gemeinsamen Verantwortung für Stress« unterstützt diese Bemühungen. Es bedeutet gegenseitige Unterstützung. Aber damit ein Team belastbar bleibt, müssen auch ausreichend Ressourcen vorhanden sein – sowohl personelle als auch psychische Unterstützung oder der Zugang dazu.
Und schließlich müssen Apothekerinnen und Apotheker ebenfalls auf die emotionalen, sozialen und psychischen Bedürfnisse ihrer Kundschaft eingehen – Aufgaben, die weit über die reine Arzneimittelabgabe hinausgehen. Praktisch jeden Tag erzählen Patientinnen und Patienten in der Vor-Ort-Apotheke, was in ihrem Leben passiert. »Wir bauen Beziehungen auf.«
Dunkley betont, dass viele Apothekenbesucherinnen und -besucher auch nach Antworten oder Lösungen suchen. Psychosoziale Unterstützung bedeutet hier, zuzuhören, ohne zu urteilen, und Empathie zu zeigen. »Es geht darum, Menschen zu begleiten und zu unterstützen, statt sie direkt zu beeinflussen.« Dazu gehören beispielsweise soziale Verschreibungen – Aktivitäten, die das Wohlbefinden verbessern. Solche Möglichkeiten existieren bereits auf der ganzen Welt. Unter anderem in Ländern wie Österreich, Irland, UK, Australien, Japan, Kanada sowie in den skandinavischen Ländern und den USA.
Wenn Menschen in Krisensituationen oder mit Traumata in die Apotheke kommen, reagieren sie oft über oder schweigen. »Wir müssen ihnen versichern, dass es normal ist, sich gestresst und verärgert zu fühlen, und dass dieses Gefühl der Verzweiflung ein natürlicher Teil des Umgangs mit belastenden Ereignissen ist«, erklärt Dunkley. Dabei sollten Heilberuflerinnen und Heilberufler auch kulturelle Unterschiede berücksichtigen.
Kommunikation kann das Apothekenteam vor Herausforderungen stellen. Oft ist es schwer, die richtigen Worte zu finden. Dunkley empfiehlt daher: Seien Sie mitfühlend, versetzen Sie sich in die Lage der Person, unterbrechen Sie nicht und hören Sie aufmerksam zu. Vermeiden Sie, eigene Geschichten zu erzählen, oder Sätze wie: »Ich weiß, wie Sie sich fühlen« oder »Es wird alles gut werden.« Das würde die Lage trivialisieren. Besser sei es, die Not anzuerkennen: »Es ist wirklich schwer, so etwas durchzumachen« oder »Das ist eine harte Zeit für Sie.«
In einzelnen Fällen kann es zudem hilfreich sein, gezielte Fragen zu stellen: »Wäre es hilfreich, darüber zu sprechen?« oder »Sie hatten eine schwere Zeit – wie geht es Ihnen?« Um zu signalisieren, dass die Information angekommen ist, kann man auch das Gesagte paraphrasieren: »Es klingt, als ob Sie …« oder »Kein Wunder, dass Sie sich so fühlen, wenn …« und »Habe ich Sie da richtig verstanden?«
Manchmal ist es die größte Unterstützung, einfach Zeit mit den Betroffenen zu verbringen, über andere Dinge zu sprechen oder praktische Hilfe anzubieten. Täglich etwas Zeit für Gesellschaft einzuplanen, kann laut Dunkley ebenso wertvoll sein. »Es ist wichtig, dass Menschen, die ein Trauma durchmachen, sich nicht isolieren oder abschotten.« Und Apotheken könnten für sie eine wichtige erste und niedrigeschwellige Anlauflaufstelle bedeuten.