Sicherheit hat oberste Priorität |
Bisher haben zwei Corona-Impfstoffe in Deutschland eine bedingte Marktzulassung erhalten. Auch danach erfolgt eine ständige Kontrolle zur Wirksamkeit und Sicherheit. / Foto: picture alliance / Laci Perenyi
Laut der Online-Befragungsstudie »Covid-19 Snapshot Monitoring« (COSMO) wollen sich, Stand Anfang Dezember, 48 Prozent der Menschen in Deutschland (eher) gegen Covid-19 impfen lassen. Bei denen, die noch zögern, sind Sicherheitsbedenken ein häufig genannter Grund. Die COSMO-Wissenschaftler stellten in ihrer »Sondererhebung zu Impfungen und Lockdown« fest: »Die Impfbereitschaft gegen Covid-19 ist geringer bei Personen, die Nutzen und Risiken der Impfung abwägen wollen oder glauben, dass Impfnebenwirkungen verheimlicht werden.«
Auch wenn die Entwicklung der neuen Impfstoffe extrem schnell ging, bedeutet das nicht, dass sie weniger gut verträglich oder gar gefährlich sind. Die Hersteller haben Sicherheit, Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit in klinischen Studien der Phasen I, II und III untersucht und die Daten bei den Behörden eingereicht. Dort verlief die Prüfung zwar schneller als gewöhnlich, was allerdings lediglich einem gesonderten Prüfverfahren geschuldet ist: Die begutachtenden Experten bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) bewerteten bereits einzelne sukzessive eingereichte Datenpakete, auch wenn der vollständige Zulassungsantrag noch nicht vorlag (»Rolling Review«).
Die Sicherheitsbewertung ist mit erteilter Zulassung, in diesem Fall einer »bedingten Zulassung«, prinzipiell nicht beendet. Auch nach der Genehmigung für das Inverkehrbringen erfolgt eine ständige Kontrolle (»Surveillance«), um Daten zur Wirksamkeit und zu möglichen Nebenwirkungen zu erhalten. Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und Impfkomplikationen erfasst und bewertet in Deutschland zentral und unabhängig das Paul-Ehrlich-Institut (PEI).
Ziel der Überwachung nach der Zulassung ist es, Risikosignale, zum Beispiel für sehr seltene Impfnebenwirkungen festzustellen, die wegen der geringen Häufigkeit von unter 1 von 10.000 Impflingen in klinischen Studien nicht sicher erfasst werden können.
Aufgabe des PEI ist es dabei, unter anderem zu prüfen, ob es sich im Einzelfall um eine bloß in zeitlichem Zusammenhang mit der Impfung auftretende Störung handelt oder ob der Impfstoff die Ursache sein könnte. Um möglichst viele Daten zu bekommen, sollten Patienten und Angehörige Verdachtsfälle von Nebenwirkungen ohne viel Aufwand melden können. »Einfach und unbürokratisch geht das über die Online-Plattform www.nebenwirkungen.bund.de«, sagt Professor Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts, Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel in Langen auf Anfrage der Pharmazeutischen Zeitung (PZ). Standesrechtlich sind Ärzte und Apotheker verpflichtet, ihnen zugetragene, mutmaßliche Nebenwirkungen zu melden. Ärzte unterliegen darüber hinaus der gesetzlichen Verpflichtung nach dem Infektionsschutzgesetz, Impfreaktionen zu melden. Weiterhin sind Zulassungsinhaber verpflichtet, unerwünschte Wirkungen zu melden, und natürlich können Impflinge sich bei Verdachtsfällen von Nebenwirkungen auch direkt an das PEI wenden.
Erschwert wird die Auswertung der Daten dadurch, dass viele Meldungen die Zulassungsbehörde zeitverzögert oder unvollständig erreichen. Speziell bei den Pandemie-Impfstoffen verfolgt das PEI daher noch einen weiteren Weg. In der nationalen Impfstrategie ist auch eine proaktive Überwachung vorgesehen. Das PEI beteiligt sich daran mit einer Beobachtungsstudie, bei der die Sicherheit von Covid-19-Impfstoffen mithilfe der Smartphone-App SafeVac 2.0 erfasst wird. Mit der App, die beim PEI entwickelt wurde, will man Daten zur Verträglichkeit und Wirksamkeit sammeln. Die Beobachtungsstudie steht aber nicht in Konkurrenz zum etablierten Meldeverfahren für Verdachtsfälle von Nebenwirkungen. Die im Rahmen der Studie gemeldeten Fälle fließen in das etablierte Meldesystem ein.
Mit der App SafeVac 2.0 sollen daten zur Wirksamkeit und Sicherheit gesammelt werden. / Foto: Imago images/Eibner
Je mehr Menschen die App nutzen und Informationen übermitteln, desto aussagekräftiger sind die entsprechenden Daten. »Wir bitten alle geimpften Menschen, an der Studie teilzunehmen«, sagte der PEI-Präsident. Angst vor einem Datenmissbrauch braucht niemand zu haben, wie Cichutek bestätigt: »Die Angaben werden verschlüsselt übermittelt. Eine Rückverfolgbarkeit ist nicht möglich.«
Auch ist die Furcht unbegründet, dass unerwünschte Impfreaktionen vertuscht werden könnten, um die Bevölkerung nicht davon abzuhalten, sich impfen zu lassen. Das Gegenteil ist der Fall: Gibt es Hinweise auf mögliche Komplikationen bei oder nach der Impfung, wird darüber aufgeklärt und reagiert. So zeigte sich zum Beispiel in Ländern wie den USA und England, die vor Europa mit dem Impfen begannen, dass es Fälle anaphylaktischer Reaktionen gab, die ärztlich behandelt werden müssen.
Solche Zwischenfälle sind von anderen Impfungen bekannt. Bei den Covid-19-Impfungen sind die Mitarbeiter in den Impfzentren beziehungsweise die mobilen Teams darauf vorbereitet, nach bestehenden Allergien zu fragen und auf allergische Reaktionen zu achten.
Im Internet sorgen auch Meldungen, dass anders als sonst die Hersteller der Corona-Impfstoffe von Haftungen freigestellt seien, bei einigen Menschen für Misstrauen. Diese Berichte geben aber nur einen Teil der Wahrheit wieder. Korrekt ist, dass es eine Regelung gibt, nach der in bestimmten Fällen der Staat für Impfschäden haftet. Sie gilt aber für alle Impfungen, an denen staatlicherseits ein hohes Interesse besteht und die von der STIKO empfohlen werden, und nicht nur für Corona-Impfstoffe.
Das bestätigt eine Sprecherin des Bundesministeriums für Gesundheit gegenüber der PZ: »Im Infektionsschutzgesetz (§ 60 Abs. 1 S. 1 IfSG) ist genau geregelt, wann jemand einen Antrag auf Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz stellen kann. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn jemand durch eine Impfung, die von einer zuständigen Landesbehörde öffentlich empfohlen wurde, gesundheitlichen Schaden erlitten hat.« Die Regelung bedeutet also keinen Vorteil speziell für die Hersteller von Covid-19-Impfstoffen.
Die Smartphone-App SafeVac 2.0 ist Teil einer aktiven Surveillance der Impfstoffsicherheit. Sie lässt sich sowohl mit den Betriebssystemen iOS (Apple) als auch Android (Google) nutzen. Die App ist zweisprachig (deutsch, englisch) und benötigt zur Initialisierung folgende Informationen: Impfstoffname (Handelsname), Chargennummer, Dosisnummer, Impfdatum und Indikation. Teilnehmer sollen Angaben zur Verträglichkeit der Covid-19-Impfstoffe zu sieben (erste Dosis) beziehungsweise acht (zweite Dosis) Zeitpunkten innerhalb von drei beziehungsweise vier Wochen nach jeder Impfung (erste/zweite Dosis) dokumentieren. Auch aktiv wird nachgefragt: Nach sechs und zwölf Monaten beantworten die Teilnehmer Fragen nach ihrem Gesundheitszustand und können berichten, ob seit der letzten Impfung eine Covid-19-Erkrankung aufgetreten ist und, wenn ja, wie schwer die Erkrankung war.
Einen QR-Code zum Herunterladen der App stellt das PEI auf seiner Website zur Verfügung.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.