Sicherheit der TI steht stärker im Fokus |
Mit dem Gesundheits-Digitalagentur-Gesetz (GDAG) will die Bundesregierung die Digitalisierung des Gesundheitswesens vorantreiben. Laut dem Kabinettsentwurf soll die neue Digitalagentur mehr Kompetenzen erhalten, um Störungen zu beseitigen. / Foto: Getty Images/ismagilov
Mit dem Gesetz zur Schaffung einer Digitalagentur für Gesundheit (GDAG) will die Bundesregierung die Handlungsfähigkeit der Gematik stärken, damit diese die Digitalisierung des Gesundheitswesens effektiver steuern kann. Am 17. Juli hatte das Bundeskabinett dem Gesetzentwurf zugestimmt.
Im Vergleich zum Referentenentwurf, den Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) im Mai vorgelegt hatte, enthält die Kabinettsfassung einige Ergänzungen und Präzisierungen. Insgesamt kommen der Abwehr von Gefahren und der Sicherheit der Telematik-Infrastruktur (TI) ein höherer Stellenwert zu.
So ist bei Ausschreibungen künftig zusätzlich ein externes Gutachten zur Sicherheit einzuholen. Die Digitalagentur soll zudem mehr Rechte erhalten, um Störungen zu beseitigen. Zu diesem Zweck soll sie künftig Informationen von Herstellern und Anbietern anfordern und die Beteiligten verpflichten dürfen, Maßnahmen zu ergreifen. Sie kann auch selbst aktiv werden, um Störungen zu beseitigen.
Im Vergleich zum Referentenentwurf soll die neue Digitalagentur laut der Kabinettsfassung auch zusätzliche hoheitliche Aufgaben übernehmen. Dazu gehören die Zulassung, das Zertifizierungsverfahren sowie die Erteilung von Anordnungen, um Gefahren innerhalb der TI abzuwehren. Um die Sicherheit der TI zu stärken, sollen Bußgeldtatbestände erweitert und die Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) als Bußgeldbehörde verstärkt werden.
Weitere Regelungen bleiben im Wesentlichen so wie im Referentenentwurf. So soll die Digitalagentur bei der Entwicklung und Bereitstellung von Komponenten und Diensten der TI künftig unterschiedliche Rollen wahrnehmen: Anwendungen, die auf dem Markt vielfach angeboten werden, soll sie weiterhin spezifizieren und in unterschiedlichen Abstufungen von den Anbieter entwickeln lassen.
Außerdem soll sie wesentliche Komponenten und Dienste der TI zentral per Vergabeverfahren beschaffen und den Leistungserbringern bereitstellen. Komponenten und Dienste der TI, die zentral und nur einmalig vorhanden sind, soll sie selbst entwickeln und betreiben können. Um Anwendungen schneller bereitzustellen, soll sie laut Entwurf externe Stakeholder früher und strukturierter einbeziehen.
Das Kompetenzzentrum für Interoperabilität im Gesundheitswesen (KIG) erhält ebenfalls weitere Aufgaben. Als zentraler Akteur für die Förderung der Interoperabilität soll es unter anderem qualitative und quantitative Anforderungen an informationstechnische Systeme im Gesundheitswesen festlegen. Bei den Praxisverwaltungssystemen soll es die Anforderungen an deren Architektur und Funktionalitäten vorschreiben.
Die Digitalagentur soll zudem die Institutionen der Selbstverwaltung partnerschaftlich bei der Digitalisierung von Versorgungsprozessen im Gesundheitswesen und der Pflege unterstützen. Weiterhin soll sie nicht nur Standards der Benutzerfreundlichkeit festlegen, sondern künftig direkt gegen Hersteller vorgehen können, die diese Standards nicht erfüllen.
Die koordinierende Stelle bei der Digitalagentur erhält die zusätzliche Aufgabe, Anliegen entgegenzunehmen, die mit dem elektronischen Rezept sowie den sicheren Kommunikationsverfahren Kommunikation im Medizinwesen (KIM) und dem TI-Messenger (TIM) im Zusammenhang stehen. Hierdurch sollen die Nutzerinnen und Nutzer eine zentrale Stelle für ihre Anliegen zur Verfügung haben.
Die Reaktionen auf den Gesetzentwurf fielen unterschiedlich aus. Janosch Dahmen, gesundheitspolitischer Sprecher der Grünen, begrüßte, dass die Ampelregierung mit dem Gesetzentwurf eine zentrale Vereinbarung des Koalitionsvertrags umsetze. »Zusammen mit den bereits im letzten Jahr beschlossenen Digitalgesetzen ist dies ein wichtiger Schritt hin zu einer schnelleren und zielgerichteteren Digitalisierung im Gesundheitswesen«, so Dahmen.
Der Digitalverband Bitkom und der Bundesverband Gesundheits-IT (bvitg) kritisierten hingegen in einer gemeinsamen Pressemitteilung, der Gesetzentwurf gehe an vielen Stellen zu weit und greife teilweise tief in den freien Wettbewerb ein. »Durch den Gesetzesentwurf findet nicht nur eine Wettbewerbsverzerrung statt. Zusätzlich werden auch marktwirtschaftliche Akteure gehindert, durch Kreativität optimale Lösungen und Mehrwerte für die Nutzenden entwickeln zu können«, monierte bvitg-Geschäftsführerin Melanie Wendling.
Nach Ansicht von Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder werde eine Digitalagentur für Gesundheit gebraucht, die Standards festzulegen und ihre Einhaltung zu überwachen. »Was wir aber nicht brauchen, ist eine Gematik, die selbst bestimmte Anwendungen entwickelt oder ausschreibt. Digitale Lösungen müssen im Wettbewerb entstehen und entwickelt werden, der Wettbewerb ist der beste Treiber von Innovationen zum Wohle der Patientinnen und Patienten«, sagte Rohleder. Eine »überbordende Regulation« schaffe keine dringend notwendigen Innovationen.
Erwin Rüddel, Berichterstatter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für Digitalisierung im Gesundheitswesen, äußerte Verständnis für die Kritik der Industrieverbände. Der Ausbau der Gematik »zu einem staatsmedizinischen Eingriffsinstrument in das digitale Gesundheitswesen« könne man »nur als Misstrauensvotum gegenüber der privatwirtschaftlich orientierten Gesundheitsversorgung in Deutschland verstehen«, monierte Rüddel. Er forderte die Schaffung einer Gesundheitsdigitalagentur, die »den Rahmen setzt und die Akteure des Gesundheitswesens arbeiten lässt«.
Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) befürchtet, dass infolge der zusätzlichen Aufgaben der Digitalagentur höhere Kosten auf die Beitragszahler der GKV zukommen werden. Er bemängelte, dass die neue Digitalagentur Gesundheit zwar weiterhin zu 93 Prozent von den gesetzlichen Kassen finanziert werde, diese aber keinen Einfluss auf einen wirtschaftlichen Einsatz der Gelder hätten. Kostenrelevante Entscheidungen sollten daher nur mit Zustimmung der GKV möglich sein.
Die ABDA hatte Anfang Juni in einer Stellungnahme zum Referentenentwurf kritisiert, dass der Bund mit dem GDAG seinen Einfluss auf die Gematik weiter ausbaue. Der Einfluss der Gesellschafterversammlung werde hingegen weiter beschnitten. Die ABDA forderte, die Vergabe von Aufträgen durch die Digitalagentur nicht an das Benehmen mit dem BMG zu knüpfen. Entscheidend sollten ausschließlich und transparent die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung sein.