Schmieren gegen den Schmerz |
Eine Therapie mit topischen NSAR ist besonders dann wirksam, wenn der Wirkort in den Extremitäten am Knie, Sprunggelenk oder an der Hand nah am Applikationsort liegt. / Foto: Adobe Stock/Photo Sesaon
Zur Behandlung von Schmerzen des Muskel- und Skelettapparats stehen verschiedene Arzneistoffe zur Verfügung. Unter den OTC-Präparaten haben nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) einen hohen Stellenwert; nicht zuletzt fragen viele Patienten in der Apotheke auch gezielt nach »etwas zum Einreiben«. Bei vielen Arten von orthopädisch bedingtem Schmerz, beispielsweise durch eine Arthrose, sind Topika tatsächlich eine effektive und verträgliche Alternative, wenn nicht gar Mittel der Wahl. »Zur Behandlung der Kniearthrose empfehlen alle renommierten internationalen sowie die deutsche AWMF-Leitlinie, die medikamentöse Therapie mit topischen NSAR zu starten«, sagt Professor Dr. Jürgen Steinmeyer, Pharmakologe und Forschungsleiter an der Orthopädischen Universitätsklinik Gießen sowie Mitglied der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) im Gespräch mit der Pharmazeutischen Zeitung.
Damit die Wirkstoffe Schmerzen lindern können, müssen sie in ausreichender Konzentration am Wirkort ankommen und durch die Haut diffundieren können. Die Haut als schützende Barriere gegenüber Keimen und Schadstoffen besteht aus verschiedenen Schichten mit jeweils unterschiedlichen Funktionen. Als oberste Hautschicht sorgt die Epidermis mit ihrem hohen Lipid- und geringen Wassergehalt für den benötigten Schutz gegen äußere Einflüsse. Sie stellt für Wirkstoffe aus topisch applizierten Arzneimitteln die wichtigste Barriere dar.
Darunter liegt die Dermis, die mit ihrem dichten Bindegewebe garantiert, dass die Haut stabil und elastisch bleibt. Die Subcutis als unterste Schicht speichert Wärme und Nährstoffe und polstert bei Stoß und Druck ab. NSAR aus äußerlich zu applizierenden Zubereitungen können durch die Haut diffundieren und reichern sich dann auch tatsächlich in den schmerzenden Strukturen wie Muskulatur, Gelenkkapsel, Sehnen oder Kreuzbändern in ausreichender Konzentration an, bestätigen zahlreiche Studien. »Interessanterweise lässt sich sogar eine stärkere Anreicherung in Meniskus, Knorpel und Synovialgewebe nachweisen als im Blutplasma und in der Gelenkflüssigkeit«, berichtet der Experte.
Diclofenac und Ibuprofen erfüllen mit ihren physikalisch-chemischen Eigenschaften die nötigen Voraussetzungen, um sich im Zielgewebe anzureichern. Wie gut Wirkstoffe aus der Formulierung freigesetzt und ins Gewebe eindringen können, hängt im Einzelfall von der Rezeptur und Galenik des Präparats ab. Sowohl die Konzentration in der Grundlage als auch die Dosierung und die chemische Struktur der Substanz haben einen Einfluss.
Diclofenac ist als schmerzstillende und entzündungshemmende Substanz lokal appliziert gegen Rücken-, Muskel- und Gelenkschmerzen im Einsatz. Typisch ist die Formulierung als Gel. In Emulsionsgelen liegt ein Öl verteilt in einem Hydrogel vor. Der Wirkstoff befindet sich im lipophilen Depot innerhalb des Gels und diffundiert durch die hydrophilen Bereiche in die Haut. Emulsionsgele kann man am milchig-trüben Erscheinungsbild erkennen. In Hydrogelen wiederum bauen klassischerweise hydrophile Polymere wie Carbomer (Polyacrylatderivat) oder ein Celluloseether ein hochdisperses Gerüst auf, in das sich Wasser einlagert.
In einer von Ratiopharm unterstützten Studie verglichen Wissenschaftler die transdermale Permeation von drei unterschiedlichen topischen Diclofenac-Formulierungen: eine einprozentige liposomale Gelformulierung mit Diclofenac-Natrium (etwa in Diclo-ratiopharm® Schmerzgel) und zwei Emulsionen mit 1,16 Prozent beziehungsweise 2,32 Prozent Diclofenac-Diethylamin (etwa in Voltaren® Schmerzgel/forte). Es zeigte sich, dass Wirkstoff aus der liposomalen Gelformulierung besser durch die Haut aufgenommen wurde als aus dem einprozentigen Emulsionsgel. Erstere sorgte dafür, dass die eingedrungene Wirkstoffmenge nach neun Stunden dreimal so hoch wie beim einprozentigen Emulsionsgel war.
Nach 48 Stunden lag die permeierte Wirkstoffmenge bei der einprozentigen Liposomenformulierung mit fast 20 Prozent immer noch deutlich höher als beim einprozentigen Emulsionsgel mit 11 Prozent. Ein Vergleich mit dem zweiprozentigen Emulsionsgel ist nur bedingt möglich, da hier eine doppelt so große Menge Gel aufgetragen wurde. Ist zwischen dem einprozentigen Emulsionsgel und dem Liposomengel zu wählen, ist Letzteres also der Punktsieger.
Worauf ist die gute Wirksamkeit des Liposomengels zurückzuführen? Es besteht aus kleinen, mit Flüssigkeit gefüllten Vesikeln, eben den Liposomen, deren Hülle ähnlich wie eine Zellmembran aus einer Phospholipid-Doppelschicht aufgebaut ist. Dank der ähnlichen Struktur können die Liposomen mit der Haut fusionieren und den Wirkstoff einschleusen.
Zu beachten ist, dass die verbesserte Galenik streng genommen nur auf das Produkt des Herstellers zu beziehen ist, für das die optimierte Wirkung gezeigt werden konnte. Die Übertragbarkeit auf ähnliche Präparate mit dem gleichen Wirkstoff ist nicht eins zu eins möglich.
Auch die Darreichungsform spielt eine Rolle, wenn es um die Wirksamkeit geht. Eine 2018 publizierte Netzwerkmetaanalyse zeigt, dass vor allem Diclofenac-Pflaster, Ibuprofen-Creme und Piroxicam-Gel bei Kniearthrose gut wirksam sind, wobei ein Diclofenac-Pflaster am effektivsten die Schmerzen linderte und sich topisches Piroxicam am stärksten funktionsverbessernd erwies. »Interessanterweise zeigt diese Analyse erstmalig, dass das Diclofenac-Pflaster eine stärkere analgetische Wirkung entfaltet als Diclofenac-Gel und -Lösung. Das beruht vermutlich auf der konstanten Diffusion gleich hoher Diclofenac-Mengen in den räumlich begrenzten schmerzenden Bereich im Vergleich zu herkömmlichen topischen Formulierungen wie Gel und Lösung«, sagt Steinmeyer. Ist eine schnelle Schmerzlinderung gewünscht, sollte das Apothekenteam also bevorzugt ein Diclofenac-Pflaster anbieten.
Auch für die Wirksamkeit einer topischen Ibuprofen-Zubereitung ist die Galenik entscheidend. Besonders günstig sind Mikrogele (wie doc® Ibuprofen Schmerzgel, dolgit® Mikrogel), die in einer In-vitro-Hautpermeations-Studie gegenüber einer Ibuprofen-haltigen O/W-Cremeformulierung (wie ibutop® Creme) bei gleicher Ibuprofen-Konzentration eine um den Faktor 4 größere permeierte Wirkstoffmenge pro Fläche und Zeit aufwiesen.
Mikrogele sind transparent, kennzeichnend ist ein hörbarer Resonanzeffekt bei mechanischer Beanspruchung. Diese hörbare Schwingung führte zur Bezeichnung Brummgel. Im Gel ist der Wirkstoff in Nano-Mizellen, im untersuchten Fall bestehend aus dem tensidähnlichen Poloxamer 407, vollständig eingeschlossen und kann sehr schnell in die Haut eindringen. Poloxamer ist ein oberflächenaktives Block-Copolymer, das aus Ethylenoxid und Propylenoxid besteht. Es weist ein hohes Solubilisationsvermögen sowohl für hydrophile als auch für lipophile Wirkstoffe auf. Beim Auftragen auf die Haut interagieren die Tenside mit den Hornhautlipiden, führen zu Strukturveränderungen, wodurch sich die Permeabilität der Haut verbessert.
Topische NSAR punkten aber nicht nur mit einem hohen Anreicherungsvermögen im schmerzenden Gewebe, sie sind allgemein auch sehr gut verträglich. Zudem empfinden viele Patienten das Einmassieren als wohltuend und entspannend. Dennoch: Lokale Nebenwirkungen wie Hautirritationen sind im Bereich des Möglichen. Eine Photodermatitis ist eine seltene Nebenwirkung von Ketoprofen, die dazu führte, dass es zum 1. Juni 2012 verschreibungspflichtig wurde. Bei der Abgabe ist der Hinweis wichtig, starkes Sonnen- und UV-Licht zu meiden.
Und wenn Patienten etwas zum Einnehmen wünschen? Prinzipiell sind oral applizierte NSAR eine bewährte Methode, um muskuloskelettale Schmerzen zu behandeln. Doch es gibt auch Schattenseiten, wie der Pharmakologe aus Gießen erklärt: »NSAR in Form von Oralia bringen gastrointestinale und kardiovaskuläre Risiken mit sich. Zur Risikominimierung setzen daher viele Leitlinien zunächst auf topische Formulierungen. Bei lokaler Anwendung sind die systemisch erreichbaren Konzentrationen niedrig und liegen im Bereich von bis zu zehn Prozent der Werte nach oraler Gabe.« Eine umfangreiche Metaanalyse aus 2018 bestätigt entsprechend, dass die topische Applikation von NSAR zu keinem erhöhten Risiko für gastrointestinale Nebenwirkungen führt.
Reicht die Behandlung mit Externa jedoch nicht aus, um die Schmerzen zu lindern, sollte der Arzt Risikofaktoren und Kontraindikationen für die orale Einnahme prüfen. »Das Apothekenteam sollte bei der Beratung zur Selbstmedikation auf mögliche gastrointestinale Symptome wie Oberbauchbeschwerden, Sodbrennen, Dyspepsie und Teerstuhl hinweisen«, sagt Steinmeyer. Treten diese Symptome auf, ist die Behandlung in der Regel abzubrechen beziehungsweise Rücksprache mit dem Arzt zu halten. Ein wichtiger weiterer Hinweis: »Protonenpumpenhemmer (PPI) bieten nur einen eingeschränkten Schutz gegenüber den gastrointestinalen Komplikationen, da sie nicht im Dünn- und Dickdarm wirksam sind«, informiert der Experte.
Für Patienten, die zusätzlich Herz-Kreislauf- beziehungsweise gastrointestinale Risikofaktoren aufweisen, könnte die Gabe von Chondroitin und Glucosamin (meist als Sulfatsalze) eine längerfristige Alternative bieten. Beide Substanzen werden den – neudeutsch – SADOA (Slow Acting Drugs in Osteoarthritis) zugeordnet. Beide sind physiologische Bestandteile der Knorpelsubstanz. Ihre Wirksamkeit ist zwar bislang nicht zweifelsfrei belegt, auch wenn die Wissenschaftler der Cochrane Collaboration in einem Review mit über 9000 Kniearthrose-Teilnehmern für die Chondroitin-Monotherapie und vor allem für die Kombination mit Glucosamin unter dem Strich ein positives Fazit zogen, was Schmerzreduktion, Verbesserung der Funktionalität und eine verlangsamte Gelenkspaltverschmälerung angeht. Zahlreiche Mono- und Kombinationspräparate sind als Nahrungsergänzungsmittel im Handel (wie Orthomol® arthroplus). Einige Glucosamin-haltige Präparate sind als Arzneimittel zugelassen (wie dona®, Voltaflex®).
Einige Patienten bevorzugen auch pflanzliche Alternativen. Gut, dass verschiedene Untersuchungen der vergangenen Jahre den Kenntnisstand über die Wirkweise von traditionellen Arzneipflanzen erheblich erweitern konnten. So können heute Topika mit Pflanzenextrakten etwa aus Arnika (wie Doc® Arnika Creme, Arnika-Salbe Weleda®) oder Beinwell als Alternative zu topischen NSAR sowohl bei stumpfen Sportverletzungen als auch bei Gelenkerkrankungen und Muskelschmerzen gesehen werden.
Klinische Studien belegen sowohl für eine Salbe mit Pyrrolizidin-freiem Beinwellkonzentrat aus Blüten und Blättern (wie Traumaplant® Schmerzcreme) als auch mit Pyrrolizidin-freiem Beinwellwurzelfluidextrakt (wie Kytta® Schmerzsalbe) eine abschwellende, antiinflammatorische und analgetische Wirksamkeit. Und die war gemäß einer Studie mit Erwachsenen, die sich eine unkomplizierte Sprunggelenksverletzung zugezogen hatten, mit der von Diclofenac-Gel vergleichbar. Traumaplant ist die einzige halbfeste Zubereitung zur Behandlung von stumpfen Sportverletzungen, die auch auf begleitende Schürfwunden aufgetragen werden darf.
Sportmediziner vertrauen alternativ auf homöopathische Komplexmittel, etwa die fixe Kombination aus pflanzlichen und mineralischen Extrakten (wie Traumeel® Salbe, Injektion und Tabletten). Anwendungsbeobachtungen dokumentieren die Wirksamkeit dieses Homöopathikums, so etwa im Vergleich zu NSAR-haltigen Topika.
Damit die Resorption interstitiell eingelagerter Zelltrümmer, also solcher in den Zellzwischenräumen, beschleunigt wird und sich Hämatome und Ödeme schneller auflösen, können hoch dosierte Heparin-haltige Externa (wie Exhirud® Heparin Salbe, Venalitan® Salbe) aufgetragen werden. Als Gelformulierung (wie Vetren® Gel) wirken sie zudem kühlend.