Scharf auf Säureneutralisation |
PPI nicht immer und für jeden: Sie vermindern zwar die Aggressivität des Magenbreis, beeinflussen aber nicht den Reflux. Deshalb sind sie nicht immer ausreichend wirksam. Antacida mit schleimhautprotektiven Eigenschaften helfen oft weiter. / Foto: © Luvos
Bei gastroösophagealen Refluxbeschwerden (GERD) wie Sodbrennen und saures Aufstoßen kann der Rückfluss von Mageninhalt in die Speiseröhre ohne Läsionen (NERD, nicht erosive Refluxkrankheit) oder mit Entzündungen ablaufen (Refluxösophagitis). Die überwiegende Mehrheit der Betroffenen mit mehr oder weniger regelmäßigen Beschwerden – mindestens 15 Millionen Betroffene über alle Altersgruppen hinweg sollen es in Deutschland sein – »weisen keine relevanten organischen Schäden an der Speiseröhre auf«, sagte Professor Dr. Joachim Labenz vom Diakonie Klinikum Jung-Stilling in Siegen beim Internistenkongress in Wiesbaden.
Das Risiko, dass eine Refluxösophagitis tumorös entartet, sei zwar prinzipiell gegeben. Die relative Häufigkeit habe man aber in der Vergangenheit deutlich überschätzt, informierte der Referent. Die Symptomstärke korreliere auch nicht mit dem Ausmaß der Läsionen. »Die unreflektierte Langzeitverordnung der betroffenen Patienten mit PPI machte einen neuen Therapiealgorithmus notwendig.« Die aktualisierten S2k-Leitlinie »Gastroösophageale Refluxkrankheit und eosinophile Ösophagitis« der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten trägt dem Rechnung und gewichtet Therapiemaßnahmen nun anders.
»Die neue Leitlinie definiert die Therapieziele bei GERD-Patienten neu. Früher wurden bereits leichte Läsionen überbewertet. Das verfolgte Therapieziel »Remission« führte zur Übertherapie mit PPI. Und: Der Versuch einer Karzinomprävention durch Medikamente wurde aufgegeben, da dies in der Mehrheit der Fälle unnötig und bei den restlichen 4 von 10.000 Patienten gar nicht möglich ist«, so der Gastroenterologe und Internist, der auch Leitlinienautor ist. »Erstens bekommen die lebensstilbeeinflussenden Faktoren einen höheren Stellenwert, zweitens sollten bei Refluxbeschwerden nicht automatisch Protonenpumpenhemmer gegeben werden und drittens ist nicht sofort die Diagnostik so hochzuhängen. Ziel ist die Symptomenkontrolle – auch mithilfe des Apothekenteams«, fasste er die Änderungen zusammen.
So sind bei leichteren Beschwerden Allgemeinmaßnahmen zu empfehlen. Dazu gehören Gewichtsreduktion, Zwerchfelltraining (Bauchatmung) und Rauchstopp. Laut Labenz ist das Hochstellen des Kopfendes des Bettes nur wenig effektiv, er empfiehlt vielmehr das Schlafen in Linksseitenlage. »Das hat anatomische Gründe: Der Mageneingang befindet sich auf der rechten Körperseite. Schläft man auf der linken Seite, kann der Mageninhalt nicht so leicht in die Speiseröhre zurückfließen.« Eine spezifische Antireflux-Diät gebe es nicht, doch könnten eine Reduktion des Alkoholkonsums sowie Verzicht auf Kaffee (»maximal zwei Tassen pro Tag«), scharfe und fette Speisen, Zitrusfrüchte und kohlensäurehaltige Getränke individuell helfen.
Bei typischen Refluxbeschwerden ohne Alarmsymptome wie Schluckstörungen, Gewichtsverlust oder Blutungen und ohne positive Familienanamnese für Malignome ist laut Leitlinie ohne weitere Diagnostik ein Protonenpumpeninhibitor (PPI) wie Omeprazol (verschiedene Generika), Esomeprazol (wie Nexium® Control) und Pantoprazol (wie Pantozol® Control) einzusetzen. Aber: Wenn Alternativen wie Antacida, Alginate und Co. ausreichen, soll leitliniengemäß auf PPI verzichtet werden. Als Alternativen kommen Heilerde, Alginate oder Antacida infrage. Labenz: »Nicht nur wegen der Sicherheitsdebatte brauchen wir Alternativen zu PPI. Sie sind laut Leitlinie zurückhaltend einzusetzen und nicht unbedingt zur Dauertherapie und für jeden gedacht.«
Labenz berichtete von Beobachtungsstudien, bei denen eine PPI-Langzeittherapie von mehr als einem Jahr nicht unbedingt zu einem zufriedenstellenden Ergebnis geführt habe. »Die Hälfte der Patienten hatte nach wie vor zweimal pro Woche Beschwerden und jeder Fünfte war mit der Therapie unzufrieden.« Diese Ergebnisse kommen laut des Internisten nicht von ungefähr. »PPI vermögen nur den pH-Wert im Magen zu ändern, aber auf den Reflux, also auf den Sphinktermuskel, haben sie keinen Einfluss.«
Verwendung finden vor allem Magnesium-, Aluminium- und Calciumverbindungen, vor allem ihre Hydroxide, Carbonate und Hydrogencarbonate, oder Kombinationen daraus (etwa Maaloxan®). Schichtgitterantacida (etwa Hydrotalcit in Talcid®, Magaldrat in Riopan®) enthalten im Wechsel positiv und negativ geladene Schichten. Ihre Löslichkeit ist abhängig vom pH-Wert der Umgebung: Bei niedrigem pH-Wert setzt die Wirkung rasch ein und nimmt mit steigendem pH-Wert ab. Experimentell sind zudem schleimhautprotektive Effekte nachgewiesen. Angewendet werden sie in Form von Kautabletten, Suspensionen oder Gelen. Ihre Wirkung tritt bereits wenige Minuten nach der Anwendung ein, hält jedoch meist nur bis zu drei Stunden an.
Labenz ist ein großer Anhänger sowohl von Heilerde, die neu in die Leitlinie mitaufgenommen worden sei, als auch von Alginaten. Beide brächten einen neuen Aspekt in die Therapie mit ein. Bei Heilerde (daran denken: Heilerde ist nicht gleich Heilerde, Luvos® Heilerde ist als Arzneimittel zugelassen) überzeugten die hohe Säurebindungskapazität dank ihrer großen Oberfläche und der sofortige Wirkeintritt. Die Gastrinausschüttung wird heruntergefahren, was zusätzlich die Belegzellen hemmt, Salzsäure zu produzieren. Die Heilerde lege sich nach der Einnahme wie ein Schutzfilm über die strapazierte Schleimhaut der Speiseröhre, habe also einen mukosaprotektiven beziehungsweise schleimhautsensitiven Effekt.
Die Schleimhautschutz sei auch der Pluspunkt der Alginate, wie der Experte ausführte. Sie greifen nämlich an der sogenannten Säuretasche (Acid Pocket), eine Ansammlung von Magensäure am Übergang vom Magen zur Speiseröhre, an. Alginate, die meist mit einem Antacidum kombiniert sind (wie Gaviscon® Dual, Reluba®), bilden einen Schaum auf der Acid Pocket und eliminieren diese, sagte Labenz. Zusätzlich bewirken sie eine mechanische Refluxblockade, ein auf dem Speisebrei schwimmendes Gel, das gleichzeitig wie ein Schutzfilm in der Speiseröhre wirkt.
Neueren Datums auf dem Markt ist ein Medizinprodukt, in dem neben Calcium- und Magnesiumcarbonat ein Extrakt aus Feigenkaktus (Opuntia ficus-indica (L.) Mill.) enthalten ist (Refluthin®). Dieser enthält Opuntia-Polysaccharide, die mit Wasser eine viskose Gelstruktur ausbilden, die sich als mukoadhäsiver Film auf die Schleimhaut der Speiseröhre legt.
Die mucoadhäsiven Eigenschaften beansprucht auch das Medizinprodukt Neobianacid für sich. Zusätzlich soll es die Integrität der Schleimhäute schützen können. Dazu enthält es den Wirkstoffkomplex Poliprotect®, der aus Polysacchariden, Mineralstoffen (Limestone und Nahcolite) sowie Flavonoiden besteht. Während die Polysaccharid-Komponenten an der Barrierewirkung beteiligt sind, wirken die Flavonoide antientzündlich und schaffen eine Mikroumgebung, die die Integrität und Funktionalität der Schleimhäute schützt. Eine im vergangenen Jahr im Fachjournal »American Journal of Gastroenterology« veröffentlichte randomisierte, doppelt verblindete Studie belegt, das Poliprotect bei Sodbrennen gegenüber Omeprazol nicht unterlegen ist.
»Sind die Beschwerden nach zwei bis vier Wochen der Anwendung nicht in den Griff zu bekommen, hält die Leitlinie die Ärzte an, über einen Zeitraum von acht Wochen mit einer höheren Standarddosierung PPI Symptomenkontrolle zu erreichen«, so Labenz. Erst dann seien genauere Diagnostikmethoden angesagt. Goldstandard sei die Kombination aus Endoskopie, Impedanz-pH-Metrie (Refluxmessung) und hochauflösender Manometrie (Beurteilung der Motilität der Speiseröhre und der Verschließmuskeln).