Scharf auf Säureneutralisation |
Bei typischen Refluxbeschwerden ohne Alarmsymptome wie Schluckstörungen, Gewichtsverlust oder Blutungen und ohne positive Familienanamnese für Malignome ist laut Leitlinie ohne weitere Diagnostik ein Protonenpumpeninhibitor (PPI) wie Omeprazol (verschiedene Generika), Esomeprazol (wie Nexium® Control) und Pantoprazol (wie Pantozol® Control) einzusetzen. Aber: Wenn Alternativen wie Antacida, Alginate und Co. ausreichen, soll leitliniengemäß auf PPI verzichtet werden. Als Alternativen kommen Heilerde, Alginate oder Antacida infrage. Labenz: »Nicht nur wegen der Sicherheitsdebatte brauchen wir Alternativen zu PPI. Sie sind laut Leitlinie zurückhaltend einzusetzen und nicht unbedingt zur Dauertherapie und für jeden gedacht.«
Labenz berichtete von Beobachtungsstudien, bei denen eine PPI-Langzeittherapie von mehr als einem Jahr nicht unbedingt zu einem zufriedenstellenden Ergebnis geführt habe. »Die Hälfte der Patienten hatte nach wie vor zweimal pro Woche Beschwerden und jeder Fünfte war mit der Therapie unzufrieden.« Diese Ergebnisse kommen laut des Internisten nicht von ungefähr. »PPI vermögen nur den pH-Wert im Magen zu ändern, aber auf den Reflux, also auf den Sphinktermuskel, haben sie keinen Einfluss.«
Verwendung finden vor allem Magnesium-, Aluminium- und Calciumverbindungen, vor allem ihre Hydroxide, Carbonate und Hydrogencarbonate, oder Kombinationen daraus (etwa Maaloxan®). Schichtgitterantacida (etwa Hydrotalcit in Talcid®, Magaldrat in Riopan®) enthalten im Wechsel positiv und negativ geladene Schichten. Ihre Löslichkeit ist abhängig vom pH-Wert der Umgebung: Bei niedrigem pH-Wert setzt die Wirkung rasch ein und nimmt mit steigendem pH-Wert ab. Experimentell sind zudem schleimhautprotektive Effekte nachgewiesen. Angewendet werden sie in Form von Kautabletten, Suspensionen oder Gelen. Ihre Wirkung tritt bereits wenige Minuten nach der Anwendung ein, hält jedoch meist nur bis zu drei Stunden an.
Labenz ist ein großer Anhänger sowohl von Heilerde, die neu in die Leitlinie mitaufgenommen worden sei, als auch von Alginaten. Beide brächten einen neuen Aspekt in die Therapie mit ein. Bei Heilerde (daran denken: Heilerde ist nicht gleich Heilerde, Luvos® Heilerde ist als Arzneimittel zugelassen) überzeugten die hohe Säurebindungskapazität dank ihrer großen Oberfläche und der sofortige Wirkeintritt. Die Gastrinausschüttung wird heruntergefahren, was zusätzlich die Belegzellen hemmt, Salzsäure zu produzieren. Die Heilerde lege sich nach der Einnahme wie ein Schutzfilm über die strapazierte Schleimhaut der Speiseröhre, habe also einen mukosaprotektiven beziehungsweise schleimhautsensitiven Effekt.
Die Schleimhautschutz sei auch der Pluspunkt der Alginate, wie der Experte ausführte. Sie greifen nämlich an der sogenannten Säuretasche (Acid Pocket), eine Ansammlung von Magensäure am Übergang vom Magen zur Speiseröhre, an. Alginate, die meist mit einem Antacidum kombiniert sind (wie Gaviscon® Dual, Reluba®), bilden einen Schaum auf der Acid Pocket und eliminieren diese, sagte Labenz. Zusätzlich bewirken sie eine mechanische Refluxblockade, ein auf dem Speisebrei schwimmendes Gel, das gleichzeitig wie ein Schutzfilm in der Speiseröhre wirkt.
Neueren Datums auf dem Markt ist ein Medizinprodukt, in dem neben Calcium- und Magnesiumcarbonat ein Extrakt aus Feigenkaktus (Opuntia ficus-indica (L.) Mill.) enthalten ist (Refluthin®). Dieser enthält Opuntia-Polysaccharide, die mit Wasser eine viskose Gelstruktur ausbilden, die sich als mukoadhäsiver Film auf die Schleimhaut der Speiseröhre legt.
Die mucoadhäsiven Eigenschaften beansprucht auch das Medizinprodukt Neobianacid für sich. Zusätzlich soll es die Integrität der Schleimhäute schützen können. Dazu enthält es den Wirkstoffkomplex Poliprotect®, der aus Polysacchariden, Mineralstoffen (Limestone und Nahcolite) sowie Flavonoiden besteht. Während die Polysaccharid-Komponenten an der Barrierewirkung beteiligt sind, wirken die Flavonoide antientzündlich und schaffen eine Mikroumgebung, die die Integrität und Funktionalität der Schleimhäute schützt. Eine im vergangenen Jahr im Fachjournal »American Journal of Gastroenterology« veröffentlichte randomisierte, doppelt verblindete Studie belegt, das Poliprotect bei Sodbrennen gegenüber Omeprazol nicht unterlegen ist.
»Sind die Beschwerden nach zwei bis vier Wochen der Anwendung nicht in den Griff zu bekommen, hält die Leitlinie die Ärzte an, über einen Zeitraum von acht Wochen mit einer höheren Standarddosierung PPI Symptomenkontrolle zu erreichen«, so Labenz. Erst dann seien genauere Diagnostikmethoden angesagt. Goldstandard sei die Kombination aus Endoskopie, Impedanz-pH-Metrie (Refluxmessung) und hochauflösender Manometrie (Beurteilung der Motilität der Speiseröhre und der Verschließmuskeln).