Schätzung geht von 4.000 Coronavirus-Infektionen aus |
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat trotz der rasanten Zunahme von nachgewiesenen Infektionen mit einem neuen Virus in China vorerst keine «gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite» ausgerufen. Der Notfallausschuss, der die WHO berät, sah dafür am Mittwochabend keinen Anlass, wollte aber am Donnerstag erneut tagen. «Die Situation ist komplex und in ständiger Entwicklung», sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus.
Der Notfall-Ausschuss empfahl, den Informationsaustausch unter den Staaten weiter zu verbessern, wie der Vorsitzende Didier Houssin sagte. Allerdings waren sich die Mitglieder des Notfallausschusses in der Beurteilung der Situation nicht einig, sagte Houssin. Etwa die Hälfte der Mitglieder sei für die Erklärung einer Notlage von internationaler Tragweite gewesen. Der Ausschuss bestand nach WHO-Angaben aus 16 Mitgliedern.
Mit einer offiziellen «Notlage» wären weitere konkrete Empfehlungen an Staaten verbunden gewesen, um die Ausbreitung über Grenzen hinweg möglichst einzudämmen. Zu solchen Empfehlungen kann beispielsweise gehören, dass Reisende auf Krankheitssymptome geprüft werden, und dass medizinisches Personal besser geschützt wird.
Eine «gesundheitlichen Notlage mit internationaler Tragweite» (Public Health Emergency of International Concern – PHEIC) ist laut WHO ein «außerordentliches Ereignis, das eine Bedrohung für die öffentliche Gesundheit in anderen Ländern infolge einer grenzüberschreitenden Ausbreitung bildet und das möglicherweise abgestimmte internationale Gegenmaßnahmen erfordert». Seit 2005 erklärte die WHO fünf Mal solche Notlagen, zuletzt im vergangenen Jahr wegen des Ebola-Ausbruchs im Kongo.
Das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten ECDC hat das Risiko, dass der Erreger in die Europäische Union eingeschleppt wird, von »gering« auf »moderat« hochgestuft. Dies teilte die EU-Präventionsbehörde am späten Mittwoch im schwedischen Solna mit. Mit dem erhöhten Reiseverkehr zum chinesischen Neujahr Ende des Monats wachse die Wahrscheinlichkeit, dass Fälle in der EU auftauchen.
ECDC-Direktorin Andrea Ammon warnte, es gebe erhebliche Unsicherheit, wie schwerwiegend und wie tödlich die Krankheit sei. «Mehr epidemiologische Daten sind dringend erforderlich, um ein besseres Verständnis des Virus zu gewinnen.» In Europa gibt es bislang keine Nachweise. In Brüssel berieten die Mitglieder des EU-Ausschusses für Gesundheitsschutz über die Lage. Bei dem Expertentreffen informierten die Mitgliedsstaaten über bereits getroffene Maßnahmen.
Ob es bei der Eindämmung der Krankheit hilft, an Flughäfen die Temperatur von ankommenden Passagieren aus der betroffenen Region zu messen, ist umstritten. Forscher an der Universität von Perth in Australien kamen in einer Studie 2015 zu dem Schluss, dass solche Maßnahmen nicht effektiv waren. Sinnvoll seien sogenannte Exit-Screenings in Gebieten, die von einer Erkrankungswelle besonders betroffen sind, hieß es beim Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin. Wuhan hat entsprechende Kontrollen bei der Ausreise bereits eingeführt.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.