»RSV mindestens so gefährlich wie Influenza« |
Die meisten RSV-Infektionen verlaufen auch bei Senioren mild, doch jährlich müssen auch einige Tausend deshalb ins Krankenhaus. / Foto: Getty Images/momentimages
»RSV ist aus meiner Sicht eine völlig unterschätzte Atemwegserkrankung nicht nur für Kleinkinder, sondern auch für ältere Erwachsene«, sagte der Chefarzt der Infektiologie an der München Klinik Schwabing. RSV sei ähnlich ansteckend wie die Omikron-Variante des Coronavirus, bei der die Basisreproduktionszahl bei 3 liege – die Zahl der Personen, die im Schnitt von einem Erkrankten angesteckt werden, sofern keine Immunität vorhanden ist. Das Virus sei damit deutlich ansteckender als die Influenza mit einem Wert von 1,2.
Insgesamt bewerte er das RSV-Virus als »mindestens so gefährlich wie Influenza«, sagte Wendtner. Er sei selbst angesichts von neuen Zahlen aus den USA beunruhigt, wie viele Menschen an RSV sterben. In den USA kamen demnach im vergangenen Jahr 177.000 erwachsene Erkrankte ins Krankenhaus, 14.000 starben. Demgegenüber wurden 58.000 Kinder unter fünf Jahren stationär mit RSV behandelt, rund 500 Kleinkinder seien gestorben.
In Deutschland habe es vor der Pandemie in der Wintersaison 2018/19 rund 383.000 nachgewiesene RSV-Infektionen gegeben, rund 34.000 Menschen mussten ins Krankenhaus, 2500 starben. Demgegenüber gab es bei einer sehr milden Influenzawelle 45.000 Fälle, 21.000 Betroffene mussten stationär behandelt werden. 743 starben. Allerdings hatte es in der vorangegangenen schweren Grippe-Saison 25.000 Tote gegeben.
Für die beiden neu zugelassenen RSV-Impfstoffe Arexvy und Abrysvo gebe es bisher »leider« keine STIKO-Empfehlung. Lediglich die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) empfiehlt explizit eine RSV-Schutzimpfung bei immunsupprimierten Patienten sowie Menschen mit Krebserkrankungen. Wendtner plädiert ebenfalls für eine Impfung bei Älteren ab 60 Jahren sowie Risikopatienten.
Zugelassen ist der Impfstoff Abrysvo auch für Schwangere, um das Ungeborene zu schützen. Zweifelhaft sei aber, ob sich werdende Mütter in größerer Zahl für die Impfung entscheiden. Deshalb sei auch diesem Winter eine Welle bei den Kleinsten zu erwarten – mit vollen Kinderkliniken. Für die Zukunft sei es wichtig, ein für Kinder zugelassenes Vakzin zu entwickeln. Derzeit werde an weiteren Impfstoffen gearbeitet, etwa sei ein mRNA-Impfstoff in der Überprüfungsphase.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.