Rote-Hand-Brief zu Astra-Zeneca-Impfstoff |
Daniela Hüttemann |
13.04.2021 11:20 Uhr |
Vaxzevria wird weiter verimpft, da nach Einschätzung der Europäischen Arzneimittelagentur das Nutzen-Risiko-Verhältnis positiv ist. Zwar kommt es häufig zu Thrombozytopenien;Thrombosen mit Thrombozytopenien seien jedoch sehr selten. / Foto: imago images/ZUMA Wire
»Ein kausaler Zusammenhang zwischen Impfungen mit Vaxzevria und dem Auftreten von Thrombosen in Kombination mit Thrombozytopenie wird als plausibel angesehen«, heißt es in dem Rote-Hand-Brief. »Obwohl solche Nebenwirkungen sehr selten sind, übertraf die Anzahl die erwartete Häufigkeit in der Allgemeinbevölkerung.«
Das Unternehmen weist darauf hin, dass noch keine spezifischen Risikofaktoren identifiziert werden konnten. Daher wird weiterhin vorerst niemand aufgrund von Geschlecht, Alter oder Vorerkrankungen durch Kontraindikationen von der Impfung ausgeschlossen. Auch die Europäische Arzneimittelagentur EMA hatte vergangene Woche nach ihrer neuesten Bewertung keinen Anlass gesehen, bestimmten Bevölkerungsgruppen von der Impfung abzuraten, und blieb bei ihrer positiven Nutzen-Risiko-Einschätzung. Bekanntlich hatte die Ständige Impfkommission (STIKO) jedoch für Deutschland, wo ein Großteil der gemeldeten Fälle auftrat, empfohlen, vorerst nur Personen ab 60 Jahren mit Vaxzevria zu impfen und Jüngeren nur nach gründlicher Aufklärung und bei deren explizitem Willen. Die Bestätigung durch die Gesundheitsminister steht zwar noch aus, es wird jedoch dem Vernehmen nach bundesweit bereits so gehandhabt. Im Rote-Hand-Brief heißt es nun, »die Anwendung dieses Impfstoffs sollte im Einklang mit den offiziellen nationalen Impfempfehlungen erfolgen«. Zugelassen ist Vaxzevria ab 18 Jahren.
Wichtig ist nun vor allem, dass Angehörige der Gesundheitsberufe auf Anzeichen und Symptome von Thromboembolien und/oder Thrombozytopenien achten und die Geimpften entsprechend darüber aufklären. Dies macht auch der Rote-Hand-Brief noch einmal deutlich. Bei Symptomen wie starken anhaltenden Kopfschmerzen, Kurzatmigkeit, Beinschwellungen, anhaltenden Bauchschmerzen, neurologischen Symptomen oder punktförmigen Hautblutungen sollten Betroffene umgehend ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen, insbesondere wenn später als drei Tage nach der Impfung starke Kopfschmerzen beginnen und anhalten oder punktförmige Hautblutungen auftreten.
»Eine Kombination von Thrombose und Thrombozytopenie, in einigen Fällen einhergehend mit Blutungen, wurde sehr selten nach einer Impfung mit Vaxzevria beobachtet«, konstatiert Astra-Zeneca. Dies schließe schwere Fälle ein, die als venöse Thrombose in Erscheinung treten, einschließlich des Auftretens in ungewöhnlichen Bereichen wie Sinusthrombose (Venenthrombosen im Hirn), Venenthrombose im Splanchnikus-Gebiet (also im Bauchraum) sowie arterielle Thrombose, bei gleichzeitiger Thrombozytopenie. Einige Fälle verliefen tödlich, wobei Astra-Zeneca hier keine konkrete Zahl nennt.
Die meisten Fälle seien innerhalb der ersten 14 Tage nach der Impfung und meistens bei Frauen unter 60 Jahren aufgetreten. »Bisher traten die gemeldeten Fälle nach Verabreichung der ersten Vaxzevria-Dosis auf. Die Erfahrungen nach der zweiten Dosis sind noch immer begrenzt«, schränkt Astra-Zeneca ein.
Im Rote-Hand-Brief wird kurz erklärt, dass die plausibelste Hypothese für den Pathomechanismus angesichts der Ähnlichkeiten sowohl beim serologischen Profil als auch bei der klinischen Symptomatik und dem Verlauf bei den Patienten eine atypische Heparin-induzierte Thrombozytopenie (aHit) ähnliche Störung ist. Vermutet wird, dass sich nach der Impfung Autoantikörper mit einer hohen Bindungsaffinität zum Plättchenfaktor 4 (PF4) bilden und dadurch die Struktur dieses Faktors so verändert wird wie bei einer Heparin-induzierten Thrombozytopenie. Bei allen Betroffenen, deren Seren analysiert wurden, seien hohe Titer von Anti-PF4-Antikörpern gefunden worden.
»Es wird eine Reihe von Studien durchgeführt werden, um den genauen pathophysiologischen Mechanismus für das Auftreten dieser thrombotischen Ereignisse zu identifizieren und das genaue Ausmaß des Risikos zu definieren«, so Astra-Zeneca.
Der Pharmakovigilanzausschuss (PRAC) der EMA hat eine Aktualisierung der Produktinformation von Vaxzevria empfohlen. Unter anderem wurde im Abschnitt 4.8 der Fachinformation die Thrombozytopenie als unerwünschte Reaktion mit einer Häufigkeit von »häufig« eingefügt, basierend auf Daten aus klinischen Studien. »Häufig« bedeutet, dass ein bis zehn von 100 Behandelten betroffen sind. Die Thrombose in Kombination mit Thrombozytopenie wird als »sehr selten« eingestuft. Das bedeutet, dass weniger als einer von 10.000 Behandelten betroffen ist.
Nach dem neuesten Sicherheitsbericht des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) vom Freitagabend wurden in Deutschland bis zum 2. April 42 Verdachtsfälle von Sinusthrombosen nach Vaxzevria-Impfung gemeldet. In 23 dieser Fälle kam es zusätzlich zu einer Thrombozytopenie. Mit Ausnahme von sieben Fällen waren Frauen im Alter von 20 bis 63 Jahren betroffen gewesen. Allerdings waren bis dahin auch vor allem Frauen unter 60 mit Vaxzevria geimpft worden. Fünf Frauen und drei Männer sind laut PEI bislang an einem solchen Ereignis verstorben.
Im PEI-Sicherheitsbericht heißt es aber auch, dass es zu sieben weiteren Verdachtsfällen von Sinusthrombosen nach Impfung mit Tozinameran (Comirnaty®), dem Covid-19-Impfstoff von Biontech und Pfizer, gekommen ist. Hier seien drei Frauen im Alter von 34 bis 81 Jahren und vier Männer im Alter von 81 bis 86 Jahren betroffen gewesen. In keinem dieser Fälle wurde eine Thrombozytopenie berichtet. Die Zahl der gemeldeten Fälle sei jedoch unter Berücksichtigung der verimpften Dosen im Vergleich zur gewöhnlich erwarteten Zahl dieser Thrombosen nicht erhöht.
Der PRAC hatte darüber hinaus am Freitag verkündet, auch Sinusthrombosen im Zusammenhang mit Janssens Vektorimpfstoff, der in der EU zwar bereits zugelassen, aber noch nicht verimpft wurde, zu untersuchen. Diese vier Fälle waren vor und nach der Zulassung in den USA aufgetreten.
Bis zum Stichtag des aktuellen Wochenberichts, dem 2. April, wurden laut Robert-Koch-Institut (RKI) in Deutschland 14.381.068 Impfungen vorgenommen, davon 10.722.876 Impfungen mit Comirnaty, 713.067 Impfungen mit dem Covid-19-Impfstoff Moderna und 2.945.125 Impfungen mit Vaxzevria.