Rolle rückwärts beim digitalen Impfnachweis in der Apotheke? |
So ähnlich könnte der digitale Covid-19-Impfnachweis aussehen: Der Impf-Token soll dafür genutzt werden, um beispielsweise auch ins Ausland reisen zu können. / Foto: Adobe Stock/Nattakorn
Rund 23,8 Millionen Menschen haben mindestens eine Erstimpfung gegen das Coronavirus erhalten (Stand 4. Mai 2021), davon sind mehr als 6,7 Millionen Menschen bereits vollständig immunisiert. Damit sind auch Millionen Stempel und Einträge in die gelben Impfpässe der WHO in den vergangenen Wochen und Monaten erfolgt. Mit diesen Einträgen sollen Geimpfte bald ihre Grundrechte und damit ein Stück normalen Alltag zurückerlangen. Ein entsprechender Verordnungsentwurf könnte schon in wenigen Tagen in Kraft treten.
Allerdings ist es nicht sehr praktisch, das gelbe Impfbuch immer in der Tasche zu haben, um ins Restaurant, ins Kino oder auf Reisen zu gehen. In Deutschland hatte das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) im März 2021 die Firmen IBM, Ubirch, govdigital und Bechtle mit der Entwicklung einer Impfpass-App beauftragt. Dieser digitale Impfnachweis soll dann Mitte Mai bis spätestens Ende Juni dieses Jahres verfügbar sein, kündigte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am gestrigen Montag im Rahmen einer Pressekonferenz an.
Klar ist: Sobald der digitale Impfnachweis als sogenannter Impfbescheinigungstoken (2D-Barcode) verfügbar sein wird, werden Millionen Menschen, die bereits geimpft sind, diesen einfordern. Nachträglich kann der digitale Impfnachweis in den Arztpraxen und Impfzentren erzeugt werden, wo die Personen geimpft wurden. Der Impf-Token selbst soll in einer App, die laut BMG kostenfrei zum Download bereitgestellt wird, einmalig einlesbar und an das einlesende Smartphone gebunden sein. Nach derzeitigen Plänen von SPD und CDU/CSU sollen künftig auch Apotheken Anlaufstellen für die Erzeugung der digitalen Impfnachweise bilden. Dies ist in einem Gesetzesentwurf, der das Infektionsschutzgesetz ändern soll, festgehalten.
Allerdings hat Spahn dieses Vorhaben der Regierungsfraktionen am Dienstag im Rahmen des Deutschen Ärztetags nun in Frage gestellt. Diese Lösung, also jedes Impfzentrum, jede Arztpraxis und jede Apotheke miteinzubinden (alle Leistungserbringer, die an die Telematik-Infrastruktur angebunden sind), sei zwar eigentlich angedacht, damit alle bereits Geimpften nicht exakt zu der Stelle zurückmüssen, an der sie geimpft worden sind, so Spahn. Denn wenn alle zu einer bestimmten Stelle zurückmüssten, sei das zwar am einfachsten, würde aber auch lange Schlangen produzieren. »Deswegen überlegen wir, wie wir das auf breitere Füße stellen können«, so der Minister.
Gleichzeitig gab Spahn zu bedenken, dass die Überlegungen zur Einbeziehung anderer Leistungserbringer noch nicht abgeschlossen seien. Denn: »Die Wahrheit ist aber: Je breiter die Füße sind, desto weniger kann jemand nachschauen, ob der- oder diejenige an der Stelle geimpft worden ist. Wir suchen da noch den richtigen Mittelweg«, sagte Spahn wörtlich. Damit verwies der CDU-Politiker indirekt auf die derzeitige Debatte über die Fälschungssicherheit der analogen Impfbücher. Zwar nannte er hier nicht explizit die Apotheken. Er sagte aber, dass einige Bundestagsabgeordnete diesbezüglich Bedenken hätten und es es präferierten, wenn nur die Stellen die Übertragungen vornehmen, an denen die Impfungen auch stattfanden. Deswegen »müssen wir dies in den nächsten zwei Wochen in der Gesetzgebung miteinander bestmöglich lösen«, kündigte Spahn am Dienstag an.
Was ist das Problem möglicher Fälschungen? Mit einem gefälschten, analogen Impfpass könnte ein digitaler Impfnachweis erzeugt werden, weil die zuständigen Stellen nachträglich nur schwer abschätzen könnten, ob es sich bei dem vorliegenden Impfpass um eine Fälschung handelt oder nicht. Und die WHO-Impfpässe sind aufgrund ihrer Papierform leicht zu fälschen, erklärte auch das BMG gegenüber der PZ: »Bisher wird der WHO-Impfausweis in den meisten Ländern in Papierform gehandhabt und weist daher natürlich Schwächen hinsichtlich der Fälschungssicherheit auf.« Allerdings habe der gemeinsame Krisenstab des BMG und des Bundesinnenministerium (BMI) »bisher keine Erkenntnisse zu konkreten Sachverhalten über Fälschungen deutscher Corona-Impfpässe in Deutschland oder dem europäischen Ausland vorliegen«. Das BMG hatte allerdings Ende April darauf hingewiesen, dass Fotos der Einträge von Covid-19-Impfungen im Impfpass nicht ins Internet gestellt werden sollten, um nicht als Vorlage für Fälschungen (aufgrund der sichtbaren Chargennummern, Praxisstempeln oder die Unterschrift der Ärzte) zu dienen.
Fraglich ist demnach, wie die Apotheker gefälschte von originalen Impfpässen unterscheiden könnten und ob Konsequenzen drohen würden, wenn sie ohne es zu wissen, gefälschte Impfausweise in einen digitalen Nachweis übertragen. Das BMG informiert, dass wer eine Schutzimpfung nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig dokumentiert, nach Paragraph 73 Absatz 1a Infektionsschutzgesetz (IfSG) ordnungswidrig handelt. Das Ausstellen und der Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse sind Straftaten, die laut Strafgesetzbuch geahndet werden, so das Ministerium. Ob dies auch für Stellen, die einen Impfnachweis erzeugen, zutreffen könnte, kann allerdings nicht pauschal beantwortet werden, so ein Ministeriumssprecher. Unabhängig davon werde zudem in Deutschland derzeit eine Anpassung der rechtlichen Regelungen zur Strafbarkeit der Fälschung von Covid-19 Gesundheitszertifikaten bzw. des Führens gefälschter Zertifikate geprüft.
Die Debatte, wer künftig die Impfnachweise übertragen soll, wird am Freitag im Bundestag weiter geführt. Dann berät das Parlament auch über die mögliche Einbindung der Apotheker. Die Gesetzesvorlage zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes soll nach der halbstündigen Aussprache in den Gesundheitsausschuss des Bundestags überwiesen werden.