Rezeptfreie Therapieoptionen |
Migränepatienten wünschen sich ein rasches Ende der Beschwerden. Neben einer geeigneten Medikation benötigen Patienten gezielte Informationen. / Foto: Getty Images/fizkes
Migränekopfschmerz tritt anfallsweise und häufig einseitig pulsierend-pochend auf. Charakteristisch nimmt seine Intensität bei – oft bereits leichter – körperlicher Betätigung zu. Fast immer kommt es zudem zu Appetitlosigkeit, häufig zu Übelkeit (80 Prozent), Erbrechen (40 bis 50 Prozent) sowie einer Lichtscheu (60 Prozent), Lärmempfindlichkeit (50 Prozent) und mitunter zu einer Überempfindlichkeit gegenüber Gerüchen (10 Prozent), so die S1-Leitlinie »Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne« der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) in Zusammenarbeit mit der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG). Manche Patienten leiden nur gelegentlich daran, andere trifft es mehrmals monatlich. Gemeinsam ist vielen: In der akuten Attacke ist Rückzug angesagt. Und: Rasche Schmerzlinderung wird dringend gewünscht.
Handelt es sich um leichten bis mittelstarken Migräne-Kopfschmerz, können klassische Analgetika/nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) zum Einsatz kommen. Sie wirken aber auch bei manchen Patienten mit schweren Migräneattacken. Von den in der Leitlinie genannten Optionen sind einige im Rahmen der Selbstmedikation verfügbar: Acetylsalicylsäure (ASS) 1000 mg (etwa Aspirin®), Ibuprofen 200 oder 400 mg (etwa Dolormin®), Phenazon 500 bis 1000 mg (etwa Migräne-Kranit®) sowie Kombinationen aus ASS 250 mg/265 mg plus Paracetamol 200mg/265 mg plus Coffein 50 mg/65 mg (zum Beispiel Thomapyrin® beziehungsweise Neuralgin® PAC). Bei Letzteren beträgt die Einzeldosis zwei Tabletten.
Bei Kontraindikationen gegen NSAR können Paracetamol 1000 mg oder Phenazon 500 bis 1000 mg angewendet werden. Ebenfalls zur Linderung leichter bis mittelstarker Schmerzen zugelassen, aber (noch) nicht in der Leitlinie erwähnt, ist eine Kombination aus Ibuprofen und Paracetamol (etwa Synofen®). Sie stellt insbesondere dann eine Option dar, wenn die Einzelsubstanzen allein nicht den gewünschten Effekt gezeigt haben.
Bei Migräneattacken, die nicht auf klassische Analgetika/NSAR ansprechen und bei starkem Migränekopfschmerz können Serotonin-5-HT1B/1D-Rezeptoragonisten (Triptane) eingesetzt werden. Voraussetzung für eine Anwendung im Rahmen der Selbstmedikation ist eine ärztliche Diagnose. Zur Auswahl stehen derzeit Almotriptan 12,5 mg (etwa Dolortriptan® bei Migräne), Naratriptan 2,5 (etwa Formigran®) und Sumatripan 50 mg (etwa Sumatriptan Hexal® bei Migräne). Mit Rizatriptan 5 mg in oraler Form (etwa Maxalt®) steht bald ein weiteres Triptan in der Selbstmedikation zur Verfügung.
Die einzelnen Triptane unterscheiden sich in der Dauer bis zum Wirkeintritt und in ihren Halbwertszeiten/ihrer Wirkdauer. Wird eine möglichst rasche Wirkung gewünscht, eignen sich Almotriptan und Sumatriptan besser als Naratriptan. Ist vor allem eine möglichst lang anhaltende Wirkung erforderlich – etwa bei erfahrungsgemäß häufigem Wiederkehrkopfschmerz – kann Naratriptan die geeignetere Wahl darstellen. Stichwort Wiederkehrkopfschmerz: Bei allen drei Triptanen ist eine erneute Anwendung möglich, wenn die Schmerzen nach anfänglicher Besserung erneut auftreten. Unterschiede gibt es aufgrund der Halbwertszeiten jedoch hinsichtlich der Zeiträume zwischen erster und erneuter Anwendung. Während bei Almotriptan und Sumatriptan ein Abstand von mindestens zwei Stunden erforderlich ist, sind es bei Naratriptan mindestens vier Stunden.
Als Substanz mit dem besten Nebenwirkungsprofil nennt die Leitlinie (neben dem verschreibungspflichtigen Eletriptan 40 mg) Almotriptan 12,5 mg. Berichten Patienten, dass ein bestimmtes Triptan nicht gewirkt habe, muss dies nicht für die gesamte Wirkstoffklasse angenommen werden. Es kann bei einer erneuten Attacke ein anderes Triptan versucht werden.
Keine Selbstmedikation mit Triptanen darf bei Patienten unter 18 Jahren und über 65 Jahren erfolgen. Auch bei Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Durchblutungsstörungen in den Beinen, Bluthochdruck oder mit einem Schlaganfall in der Vorgeschichte verbietet sich eine Selbstmedikation. Auch Wechselwirkungen sind möglich. So sollte insbesondere nach gleichzeitig angewendeten Antidepressiva aus der Gruppe der selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) und der Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) gefragt werden, da hier eine gleichzeitige Anwendung das Risiko für ein Serotonin-Syndrom erhöhen kann. Monoaminoxidase-Hemmer sollten nicht innerhalb der letzten beiden Wochen vor Einnahme des Triptans angewendet worden sein.
Sowohl für klassische Analgetika/NSAR als auch für Triptane gilt: Die Wirksamkeit der Arzneimittel ist höher, wenn sie möglichst früh in der Kopfschmerzphase eingenommen werden. Kombinations-Analgetika und Triptane sollten außerdem nicht häufiger als zehn Tage im Monat angewendet werden, Monoanalgetika nicht häufiger als 15 Tage, da andernfalls das Risiko für Kopfschmerz durch Übergebrauch von Schmerzmitteln (»Analgetika-Kopfschmerz«) steigt. Patienten mit häufigen Attacken sollten außerdem über die Möglichkeiten der Prophylaxe informiert und an den Arzt verwiesen werden.
Aber auch rezeptfreie Prophylaxe-Möglichkeiten haben sich als wirksam erwiesen. Dazu gehört insbesondere Ausdauersport. Auch ihre Migränetrigger zu kennen, kann für manche Betroffene hilfreich sein. Zu diesen gehören unter anderem ein unregelmäßiger Schlaf-Wach-Rhythmus, Stress, geringe Trinkmengen, hormonelle Schwankungen sowie bestimmte Lebens- oder Genussmittel.