Reicht eine Impfdosis nach Corona-Infektion? |
Theo Dingermann |
16.04.2021 13:28 Uhr |
Die Forscher nahmen bei ihren Probanden an vier Zeitpunkten Blutproben, um Antikörpertiter und Gedächtniszellen zu messen. / Foto: Getty Images/Lucas Ninno
Sowohl eine Infektion als auch eine Impfung führen zur Produktion von Antikörpern durch Antikörper-sezernierende Zellen (ASC), ebenso wie zur Ausbildung langlebiger Gedächtnis-B-Zellen. Obwohl Antikörper zweifelsfrei von zentraler Bedeutung für die Impfstoffwirksamkeit sind, sind Gedächtniszellen wichtig für eine langanhaltende Immunität. Sie sind die Garanten für einen Langzeitschutz, da sie bei nachfolgenden Infektionen das spezifische Immunsystem wieder »aufwecken«.
Bisherige Daten deuten an, dass im Kontext einer akuten SARS-CoV-2-Infektion das immunologische Gedächtnis in Form von Antikörpern und Gedächtnis-B-Zellen über mindestens acht Monat aktiv ist. Für Geimpfte ist die Bildung bindender und/oder neutralisierender Antikörper gut belegt. Doch Daten zur Induktion von Gedächtnis-B-Zellen durch Impfstoffe sind nach wie vor kaum verfügbar. Davon hängt auch ab, ob und wann eine Booster-Impfung nötig sein könnte oder ob gar die einmalige Impfung reicht. Unbeantwortet ist auch die Frage, ob Gedächtnis-B-Zellen einen Basisschutz gegenüber neu auftretenden Virusvarianten sicherstellen könnten.
Einen wichtigen Beitrag für eine solidere Impfempfehlung liefern nun Rishi R. Goel und Kollegen von der University of Pennsylvania Perelman School of Medicine in Philadelphia. Das Forscherteam rekrutierte 44 gesunde Personen, die mit einem der beiden mRNA-Impfstoffe Tozinameran (Comirnaty®, BNT 162b2) oder Moderna (mRNA-1273) an der University of Pennsylvania geimpft wurden. Elf dieser Probanden waren zwischen 65 und 275 Tagen vor der Impfung an Covid-19 erkrankt, zum Zeitpunkt der Impfung aber vollständig genesen.
Im Laufe der Studie wurde ihr Blut zu verschiedenen Zeitpunkten analysiert: vor der Impfung (Zeitpunkt 1), zwei Wochen nach der ersten Dosis (Zeitpunkt 2), am Tag der zweiten Dosis (Zeitpunkt 3) und eine Woche nach der zweiten Dosis (Zeitpunkt 4). Dieses Studiendesign ermöglichte es, den Verlauf der Immunantworten sowohl nach der ersten als auch nach der zweiten Impfung zu untersuchen.
Erwartungsgemäß ließen sich zu Beginn der Studie bei den SARS-CoV-2 naiven Patienten keine spezifischen IgG-Antikörper gegen das komplette Spike-Protein oder gegen die Rezeptor-Bindedomäne (RBD) im Spike-Protein des Virus nachweisen. Durch die Impfung wurde bei diesen Probanden ein signifikanter Anstieg der SARS-CoV-2-spezifischen Antikörper induziert, der nach der Booster-Dosis weiter anstieg.
Im Gegensatz dazu hatten alle von Covid-19 genesenen Personen bereits vor der ersten Impfung nachweisbare Mengen Anti-Spike- als auch an Anti-RBD-IgG-Konzentrationen, die ebenfalls nach der ersten Impfdosis signifikant anstiegen. Bei den von SARS-CoV-2 Genesenen kam es nach der zweiten Impfstoffdosis zu keinem weiteren Anstieg der Antikörperspiegel. Bemerkenswerter Weise waren die Anti-RBD-IgG-Spiegel bei naiven und genesenen SARS-CoV-2-Patienten eine Woche nach der Auffrischung (Zeitpunkt 4) ähnlich hoch.
Mit Hilfe von Pseudovirus-Neutralisationstests untersuchten die Wissenschaftler, inwieweit die impfstoffinduzierten Seren in der Lage waren, pseudotypisierte Viren zu neutralisieren, die entweder das Spike-Protein der topfitten D614G-Mutation oder das Spike-Protein der südafrikanische Variante B.1.351 exprimierten.
Naive SARS-CoV-2-Patienten reagierten nur mäßig nach der Primärimmunisierung, wobei jedoch circa 50 Prozent dieser Gruppe zwei Wochen nach der Primärimmunisierung auch nachweisbare Mengen an neutralisierenden Antikörpern gegen die D614G-Variante entwickelten.
Im Gegensatz dazu war die primäre Immunisierung weitgehend ineffektiv, um funktionelle Antikörper gegen die B.1.351-Variante zu induzieren, denn nur vier von 25 Personen entwickelten nach der Erstdosis gegen diese Variante neutralisierende Antikörper-Titer oberhalb der Nachweisgrenze. Die neutralisierenden Titer waren nach der zweiten Dosis bei naiven SARS-CoV-2-Patienten signifikant erhöht, wobei alle Teilnehmer eine Neutralisierung gegen D614G und 26 von 27 Probanden eine nachweisbare Neutralisierung gegen B.1.351 sieben Tage nach der Booster-Impfung zeigten.
In Übereinstimmung mit den Anti-Spike- und Anti-RBD-Antikörperspiegeln ließ sich bei von Covid-19 Genesenen ein robuster Anstieg der neutralisierenden Antikörper gegen die D614G- und B.1.351-Varianten nach der ersten Immunisierung demonstrieren. Allerdings erhöhte sich die Menge an neutralisierenden Antikörpern nach der zweiten Dosis nicht.
Vor der zweiten Dosis korrelierten die Titer der Anti-Spike-Antikörper nur mäßig mit denen an neutralisierenden Antikörpern gegen die D614G- und erst recht nicht gegen die B.1.351-Variante. Anti-RBD-Antikörper vor der Zweitdosis erwiesen sich zudem als aussagekräftiger für Neutralisationstiter gegen die beiden Virustypen als Anti-Spike-Antikörper. Dagegen korrelierten sowohl Anti-Spike- als auch Anti-RBD-Antikörper nach der zweiten Dosis sehr gut mit den Neutralisationstitern gegen beide Virusvarianten, was auf eine deutliche Verbesserung der Qualität der Antikörperreaktion hindeutet.
Zusammengenommen unterstützen diese Daten die Bedeutung eines Zwei-Dosis-Schemas bei SARS-CoV-2-naiven Personen für eine effektive Antikörperantwort, insbesondere gegen die B.1.351-Variante. Umgekehrt konnte mit einer einzigen Impfstoffdosis eine hochwirksame Antikörperantwort bei von Covid-19 genesenen Personen erzielt werden, die sich durch eine Auffrischung nicht verbessern ließ.
Die Analysen zeigen zudem, wie wichtig es ist, neben den serologischen Analysen auch die durch den Impfstoff induzierten Gedächtnis-B-Zell-Reaktionen zu untersuchen. So wurde bei den naiven SARS-CoV-2-Patienten keine Korrelationen zwischen den Serum-Antikörperspiegeln nach der Impfung und den Gedächtnis-B-Zellen gefunden, was darauf hindeutet, dass die Induktion von Antikörpern und Gedächtnis-B-Zellen unabhängige Merkmale der Immunantwort auf eine mRNA-Impfung sein könnten.
Hingegen korrelierten präexistierende Memory-B-Zellen bei Probanden, die zuvor an Covid-19 erkrankt waren, stark mit den Antikörperspiegeln nach der Impfung, was den immunologischen Zusammenhang zwischen Memory-B-Zellen und Antikörper-Reaktivierungsreaktionen unterstreicht.
Obwohl hohe zirkulierende Titer von neutralisierenden Antikörpern übliche Surrogate einer schützenden Immunität sind, gibt es viele Szenarien, in denen zirkulierende Antikörper möglicherweise keine sterilisierende Immunität erreichen und zusätzliche Immunantworten von Gedächtniszellen notwendig sind. Wenn zirkulierende Antikörper im Laufe der Zeit abnehmen, deute das darauf hin, dass langlebige B-Gedächtniszellen bei einer erneuten SARS-CoV-2-Exposition wahrscheinlich eine schnelle Quelle für schützende Antikörper darstellen.
Schließlich könnte eine Infektion mit varianten Stämmen, die teilweise der Neutralisierung durch vorhandene zirkulierende Antikörper entgehen, starke Gedächtnis-B-Zellpopulationen erfordern, die Keimzentren neu besiedeln und sich diversifizieren können, um auf neue Spike-Antigene zu reagieren.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.