Regionale Lösungen finden |
Christina Hohmann-Jeddi |
19.04.2024 17:38 Uhr |
Eine Rückführung der Arzneimittelherstellung nach Europa sei aber nicht nur aus finanziellen Gründen schwierig, machte die Pharmazieprofessorin Holzgrabe am Beispiel von Paracetamol deutlich. Einige Schritte der Herstellung seien stark umweltbelastend. »Das wollen wir in Europa nicht gern machen«, sagte Holzgrabe. Nur der letzte Schritt der Synthese sei einfach und nur diesen fertigten die französischen Unternehmen bei der Paracetamol-Herstellung im eigenen Land selbst. Die Kernchemikalien würden aber immer in China gekauft. Dies zeige die extreme Abhängigkeit von Asien, so die Pharmazeutin.
Der AOK-Plus-Vertreter Striebel machte in der Diskussion deutlich, dass die Rabattverträge nicht allein für die Lieferengpässe verantwortlich und die Ursachen deutlich komplexer seien. »Wir sollten die Rabattverträge abschaffen, wenn das die Probleme lösen würde.« Dies würde aber nicht funktionieren. Schon vor Einführung der Rabattverträge seien viele Hersteller aufgrund der Umweltauflagen und der hohen Lohnkosten in Billiglohnländer abgewandert.
EVP-Politikerin Walsmann fügte an, dass globale Arbeitsteilung und Outsourcing nicht vernünftig gewesen seien, und kritisiert die immer strengeren politischen Auflagen in Europa. »Es kann nicht sein, dass wir uns auf einzelne Produzenten verlassen und dann feststellen, dass das nicht gutgehen kann.«
Eine strategische Souveränität, also Unabhängigkeit der Wirtschaft gebe es nicht mehr und werde es auch nicht mehr geben, so Walsmann. Aber man müsse mit Handelsverträgen und weiteren Vorkehrungen sicherstellen, dass man nach wie vor Forschung und Entwicklung und einen Teil der Herstellung in der Europäischen Union halten könne.
Nicht nur die Lieferengpässe, sondern auch das Ausdünnen der Strukturen gefährden nach Ansicht der KV-Vorsitzenden Rommel die Arzneimittelversorgung. Bewährte Strukturen würden durch die Lauterbach'schen Gesetze zerstört werden, sagte die Medizinerin. »Es wird zu einem Praxen- und Apothekenkollaps kommen.«
Die Heilberufler in Thüringen setzen sich gemeinsam dafür ein, dass es nicht soweit komme. Von der Politik fehle das Signal die Strukturen erhalten zu wollen, betonte auch Fink.
Dem widersprach Rudolph scharf und nannte die Einschränkung der Nullretaxation, die Vereinfachung der Präqualifizierung und den Bürokratieabbau als positive Punkte für die Apothekerschaft. Absichtlich an Strukturen der Arzneimittelversorgung zu sägen, sei keinesfalls das Ziel der aktuellen Gesundheitspolitik. Mehr Geld in das System fließen zu lassen, bedeute aber auch, dass die Versichertenbeiträge steigen müssen, sagte die SPD-Politikerin.
Striebel, Fink und Rommel forderten, dass in Thüringen, wo Heilberufler traditionell und vor allem seit ARMIN eng zusammenarbeiten, gemeinsame regionale Lösungen für die Gesundheitsversorgung gefunden werden sollten. Rommel: »Wir machen hier gemeinsam Vorschläge; wir alle sind Experten auf unserem Gebiet und wollen gehört werden!« Striebel riet, den Grundsatz der Subsidiarität wieder ernst zu nehmen und forderte mehr Handlungsspielraum für regionale Akteure. Fink betonte, dass die Akteure des Gesundheitswesens wichtige Garanten für den sozialen Frieden seien. Das müsse der Politik etwas wert sein.
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