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Thüringer Apothekertag

Regionale Lösungen finden

Um die Arzneimittel-Versorgungssicherheit in Krisenzeiten zu stärken, sollte nach regionalen Lösungen gesucht werden. Diese Forderung kam beim Auftakt zum Thüringer Apothekertag gestern in Erfurt auf.
Christina Hohmann-Jeddi
19.04.2024  17:38 Uhr

»Die schwierigste Aufgabe für Apotheker ist aktuell, mit Lieferengpässen umzugehen«, leitete Sabine Kratky, Vizepräsidentin der Landeapothekerkammer Thüringen (LAKT) die Podiumsdiskussion ein, die den 17. Thüringer Apothekertag gestern in Erfurt eröffnete. In der Diskussionsrunde suchten Heilberufler und Vertreter von Krankenkassen und aus der Politik nach Ideen, die Arzneimittel-Versorgungssicherheit zu stärken.

An der Diskussion nahmen Professor Dr. Ulrike Holzgrabe, Alt-Präsidentin der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft, Dr. Annette Rommel, Erste Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen, Tina Rudolph (SPD), Mitglied des Bundestages und im Gesundheitsausschuss, Marion Walsmann (EVP), Mitglied des Europäischen Parlaments, Stefan Fink, Vorsitzender des Thüringer Apothekerverbands (ThAV), Sebastian Schütze, Mitglied der Geschäftsführung des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie (BPI) sowie Rainer Striebel, Vorstandsvorsitzender der AOK-Plus, teil.

»Die Coronapandemie hat uns plastisch gezeigt, was es bedeutet, wenn die Transportwege gestört werden«, sagte die Moderatorin der Diskussionsrunde, Dr. Anette Schenk, Leiterin des Lektorats Fachmedien bei der Avoxa Mediengruppe. Auch wenn die Pandemie inzwischen beendet ist, gebe es heute weitere Katastrophen wie Kriege, die neben allem menschlichen Leid auch aufzeigen, wie anfällig Lieferketten sind. 

Das Vertrauen schwindet

Fink berichtete, dass ihm im Rahmen der Protestveranstaltung in Thüringen am Vortag aufgefallen sei, dass das Vertrauen der Bevölkerung in das Gesundheitssystem schwinde. Der Vertrauensverlust aus der Mitte der Bevölkerung in die Strukturen sei erschreckend groß. »Dies ist die größte Gefahr derzeit«, so der ThAV-Vorsitzende. Rudolph entgegnete, dass die Politik einiges auf den Weg bringe, was die Strukturen und speziell die Apothekenlandschaft erhalten soll und nannte die Digitalisierung im Gesundheitswesen. Vor allem die Lieferengpässe hätten aber viel Vertrauen gekostet, bestätigte die SPD-Politikerin. Diese seien aber nicht ad hoc entstanden und hätten zudem komplexe Ursachen. Das Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG), das letzten Sommer in Kraft trat, ziele darauf ab, dass man bei der Produktion langfristig planen müsse und dass Lieferketten so divers gestaltet seien sollten, dass ein Einbruch an einer Stelle kompensiert werden könne.

Als eine Ursache von Lieferengpässen sieht Schütze vom BPI die Preispolitik der letzten Jahre: »Die Preisschraube wurde massiv überdreht.« Dies habe sogar Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vor Kurzem gesagt. »Vor 15 Jahren hatten wir noch viel mehr Anbieter für ein Arzneimittel«, sagt Schütze. Beim Wirkstoff Tamoxifen sei die Zahl von 15 auf inzwischen drei herstellende Unternehmen zurückgegangen. Eine 100er-Packung eines Tamoxifen-Präparats koste 8,20 Euro. »Zu diesem Preis kann man das nicht herstellen, schon gar nicht in Europa«, so Schütze. Das müsse berücksichtigt werden, wenn über Rückführung der Arzneimittelproduktion nach Europa diskutiert werde. Der hohe Preisdruck bestehe auch international; dies sei kein rein deutsches Problem.

Rückführung der Arzneimittelproduktion nach Europa ist problematisch

Eine Rückführung der Arzneimittelherstellung nach Europa sei aber nicht nur aus finanziellen Gründen schwierig, machte die Pharmazieprofessorin Holzgrabe am Beispiel von Paracetamol deutlich. Einige Schritte der Herstellung seien stark umweltbelastend. »Das wollen wir in Europa nicht gern machen«, sagte Holzgrabe. Nur der letzte Schritt der Synthese sei einfach und nur diesen fertigten die französischen Unternehmen bei der Paracetamol-Herstellung im eigenen Land  selbst. Die Kernchemikalien würden aber immer in China gekauft. Dies zeige die extreme Abhängigkeit von Asien, so die Pharmazeutin.

Der AOK-Plus-Vertreter Striebel machte in der Diskussion deutlich, dass die Rabattverträge nicht allein für die Lieferengpässe verantwortlich und die Ursachen deutlich komplexer seien. »Wir sollten die Rabattverträge abschaffen, wenn das die Probleme lösen würde.« Dies würde aber nicht funktionieren. Schon vor Einführung der Rabattverträge seien viele Hersteller aufgrund der Umweltauflagen und der hohen Lohnkosten in Billiglohnländer abgewandert.

EVP-Politikerin Walsmann fügte an, dass globale Arbeitsteilung und Outsourcing nicht vernünftig gewesen seien, und kritisiert die immer strengeren politischen Auflagen in Europa. »Es kann nicht sein, dass wir uns auf einzelne Produzenten verlassen und dann feststellen, dass das nicht gutgehen kann.«

Eine strategische Souveränität, also Unabhängigkeit der Wirtschaft gebe es nicht mehr und werde es auch nicht mehr geben, so Walsmann. Aber man müsse mit Handelsverträgen und weiteren Vorkehrungen sicherstellen, dass man nach wie vor Forschung und Entwicklung und einen Teil der Herstellung in der Europäischen Union halten könne.

Strukturen des Gesundheitssystems sind in Gefahr

Nicht nur die Lieferengpässe, sondern auch das Ausdünnen der Strukturen gefährden nach Ansicht der KV-Vorsitzenden Rommel die Arzneimittelversorgung. Bewährte Strukturen würden durch die Lauterbach'schen Gesetze zerstört werden, sagte die Medizinerin. »Es wird zu einem Praxen- und Apothekenkollaps kommen.«

Die Heilberufler in Thüringen setzen sich gemeinsam dafür ein, dass es nicht soweit komme. Von der Politik fehle das Signal die Strukturen erhalten zu wollen, betonte auch Fink.

Dem widersprach Rudolph scharf und nannte die Einschränkung der Nullretaxation, die Vereinfachung der Präqualifizierung und den Bürokratieabbau als positive Punkte für die Apothekerschaft. Absichtlich an Strukturen der Arzneimittelversorgung zu sägen, sei keinesfalls das Ziel der aktuellen Gesundheitspolitik. Mehr Geld in das System fließen zu lassen, bedeute aber auch, dass die Versichertenbeiträge steigen müssen, sagte die SPD-Politikerin.

Striebel, Fink und Rommel forderten, dass in Thüringen, wo Heilberufler traditionell und vor allem seit ARMIN eng zusammenarbeiten, gemeinsame regionale Lösungen für die Gesundheitsversorgung gefunden werden sollten. Rommel: »Wir machen hier gemeinsam Vorschläge; wir alle sind Experten auf unserem Gebiet und wollen gehört werden!« Striebel riet, den Grundsatz der Subsidiarität  wieder ernst zu nehmen und forderte mehr Handlungsspielraum für regionale Akteure. Fink betonte, dass die Akteure des Gesundheitswesens wichtige Garanten für den sozialen Frieden seien. Das müsse der Politik etwas wert sein.

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