Real-Life-Daten zur bivalenten HPV-Impfung |
Carolin Lang |
10.11.2023 16:30 Uhr |
Humane Papillomaviren (HPV) treten weltweit sowohl bei Frauen als auch bei Männern auf. Laut dem Robert-Koch-Institut wird davon ausgegangen, dass HPV-Infektionen zu den häufigsten sexuell übertragbaren Infektionen gehören. / Foto: Getty Images/Koshiro Kiyota
Die Arbeitsgruppe um Erstautor Dr. Ville N. Pimenoff vom Karolinska Institut in Stockholm hat untersucht, wie sich verschiedene HPV-Varianten in 33 Städten in Finnland über die Zeit ausgebreitet haben, nachdem dort entweder Mädchen und Jungen, nur Mädchen oder niemand geimpft wurde. Es zeigte sich, dass die Herdenimmunität in den Gemeinden am stärksten war, wo Mädchen und Jungen geimpft wurden. Doch breiteten sich HPV-Varianten, gegen die nicht geimpft wurde, dort stärker aus.
Der Impfstoff, der in der Studie zum Einsatz kam, war gegen die HPV-Varianten 16 und 18 gerichtet, die etwa 70 Prozent der HPV-bedingten Gebärmutterhalskrebs-Fälle verursachen, zeigte aber auch einen Kreuzschutz gegen die Varianten 31 und 45. Auch diese Varianten gelten als kanzerogen. Die Studie schloss Kinder ein, die zwischen 1992 und 1994 geboren waren, und im Alter von 18 Jahren (n = 11.396) beziehungsweise 22 Jahren (n = 5602), entsprechend vier beziehungsweise acht Jahre nach der HPV-Impfung, nachuntersucht wurden. Die Forschenden testeten auf das Vorkommen von insgesamt 16 HPV-Varianten.
Acht Jahre nach der Impfung war die Prävalenz der HPV-Varianten 16 und 18 in den Städten, in denen geimpft wurde, signifikant zurückgegangen. Während dort, wo nur Mädchen geimpft wurden, außerdem die Prävalenz der HPV-Variante 31 zurückging, war in den Städten, wo geschlechtsübergreifend geimpft wurde, darüber hinaus ein deutlicher Rückgang der HPV-Variante 45 zu verzeichnen. »Dies zeigt, dass man eine stärkere Herdenimmunität erhält, wenn man sowohl Jungen als auch Mädchen impft«, kommentiert Pimenoff die Ergebnisse in einer Mitteilung des Karolinska Instituts.
Die Arbeitsgruppe beobachtete darüber hinaus, dass die durch den Impfstoff eliminierten Virustypen durch andere HPV-Varianten mit geringer Onkogenität ersetzt wurden. Dieses sogenannte Type Replacement sei kein neues Phänomen, erklärt Dr. Tim Waterboer vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg. Wenn durch eine Impfung bestimmte Varianten erfolgreich eliminiert wurden, besetzten andere Virusvarianten die frei gewordene ökologische Nische.
Waterboer streicht zwei Ergebnisse der Studie heraus. Zum einen sei das Type Replacement dort, wo genderübergreifend geimpft wurde, stärker ausgeprägt gewesen als dort, wo nur Mädchen geimpft wurden. Das sei damit zu erklären, dass sich Herdenimmunität immer auf die gesamte Bevölkerung bezieht und nicht zu erreichen sei, wenn nur Mädchen geimpft werden. Zum anderen überrasche ihn die die Schnelligkeit des Type Replacements. »Dass bei dem sich langsam verändernden HPV schon nach acht Jahren ein Type Replacement nachweisbar ist, ist eine Neuigkeit, die so nicht unbedingt erwartbar war«, so Waterboer.
Ob sich das Type Replacement auf das Krebsrisiko auswirkt, sei noch nicht zu sagen, so der Infektiologe weiter. »Erstmal gilt der Trend, dass durch Impfung weniger Krebserkrankungen entstehen. Wenn Virusvarianten durch andere ersetzt werden, muss das nicht zu einem Anstieg des Krebsrisikos führen, sondern eher zu einer Abschwächung des Abwärtstrends.«