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Depression bei Kindern
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Raus aus dem Seelentief

Die Zahl der Kinder und Jugendlichen mit einer diagnostizierten Depression hat sich in den letzten 15 Jahren mehr als verdoppelt. Infolge der Coronavirus-Krise erwarten Fachleute einen weiteren Anstieg. Nur bei einem Bruchteil der Betroffenen wird die Erkrankung frühzeitig erkannt und behandelt.
AutorKontaktClara Wildenrath
Datum 28.02.2021  08:00 Uhr

Wann ist eine Behandlung nötig?

Die verfügbare Leitlinie für die Behandlung depressiver Störungen bei Kindern und Jugendlichen entspricht zwar dem Stand von 2013 und ist formal abgelaufen. Bei der für 2021 erwarteten Neuauflage gebe es aber keine großen Veränderungen, erklärt Schulte-Körne. Er leitete als Gesamtkoordinator die erste Leitlinienfassung und koordiniert jetzt auch die Überarbeitung.

»Die Evidenz für die psychotherapeutischen Behandlungsmethoden ist nach wie vor sehr hoch.« Auch für die Therapie von Depressionen im Erwachsenenalter gebe es keine neuen pharmakologischen Ansätze. Nach wie vor sei die Studienlage für Kinder generell sehr mager und es mangele insbesondere an Daten aus Deutschland für die Wirksamkeit von stationären Behandlungen. Aufgrund der unterschiedlichen Versorgungssysteme seien Ergebnisse aus den USA nicht immer übertragbar.

Bei leichten depressiven Störungen können entsprechend der bisherigen Leitlinie aktiv abwartende Maßnahmen (»watchful waiting«) ausreichen, wenn keine Risikofaktoren oder familiären Vorbelastungen vorliegen und das Kind seinen Alltag altersgerecht bewältigen kann. Allerdings wird diese Empfehlung nach Schulte-Körnes Einschätzung in der revidierten Form voraussichtlich so nicht mehr gegeben. Unterstützend sollten auf jeden Fall gesundheitsfördernde Maßnahmen wie Entspannungstraining oder achtsamkeitsbasierte Stressreduktion angeboten werden. Regelmäßige körperliche Aktivität könne ebenfalls depressive Symptome lindern; allerdings sei die Studienlage für Kinder mager.

Eine ambulante Therapie ist spätestens dann erforderlich, wenn die Symptomatik nach sechs bis acht Wochen fortbesteht, komorbide Erkrankungen oder schwierige familiäre Bedingungen vorliegen. In schweren Fällen, vor allem bei sehr hoher psychosozialer Belastung, Suizidalität, mangelnder familiärer Unterstützung oder unzureichender Alltagsbewältigung, kann auch eine stationäre oder teilstationäre Behandlung ratsam sein.

Verhaltenstherapie als erste Maßnahme

Als Behandlung der ersten Wahl rät die Leitlinie bei Kindern über acht Jahren und Jugendlichen zur kognitiven Verhaltenstherapie (KVT). In der Regel werden vor allem bei jüngeren Kindern die Eltern mit eingebunden. Auch sie brauchen oft psychischen Beistand und müssen Strategien erlernen, wie sie ihr Kind zu Hause positiv unterstützen können.

Depressive Kinder im Alter von drei bis sieben Jahren wurden bisher nur vereinzelt in randomisiert-kontrollierten Studien untersucht. Wegen »mangelnder empirischer Evidenz« gibt es noch keine Therapieempfehlungen. Trotzdem betonen die Leitlinienautoren, dass eine frühe Behandlung in diesem Alter sehr wünschenswert sein könnte.

Noch mehr als bisher könnten sich nach Ansicht von Schulte-Körne künftig auch online-basierte Interventionen durchsetzen – nicht zuletzt aufgrund der Coronavirus-Pandemie. »Schon vor dem derzeitigen Hype gab es sehr interessante Daten zu digitalen Methoden.« Das Angebot reiche dabei von Psychoedukation bis zu gezielten Therapieangeboten. Einige Angebote seien online nachweislich genauso wirksam wie ein persönliches Setting. Allerdings zeigten bisherige Studien, dass computergestützte Methoden vor allem dann eine gute Wirksamkeit zeigen, wenn die Kinder und Jugendlichen nicht auf sich alleine gestellt sind, sondern persönlich angeleitet werden, zum Beispiel durch einen zugeschalteten Psychotherapeuten.

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