Polioviren im Abwasser deutscher Städte gefunden |
Polio wird auch Kinderlähmung genannt, weil der Erreger einst so verbreitet war, dass der Kontakt damit meist schon im Kindesalter erfolgte. Vor allem Kleinkinder waren von den poliotypischen Lähmungen betroffen, meist mit bleibenden Schäden fürs ganze Leben. Eine Therapie gibt es bisher nicht.
Schluckimpfstoff-abgeleitete Polioviren waren in den vergangenen Jahren ebenfalls in anderen hochentwickelten Regionen wie dem US-Bundesstaat New York, London und Jerusalem nachgewiesen worden. Auch Erkrankungen wurden gemeldet. Da eine Infektion nach RKI-Angaben nur in etwa einem von 200 Fällen zu den für Polio typischen irreversiblen Lähmungen führt, und das zudem nur bei Ungeimpften, kann ein solcher Fall hunderte Infizierte ohne Symptome in der Region bedeuten.
Verbreitet wird das hochansteckende Virus meist über kontaminierte Hände als sogenannte Schmierinfektion, in Ländern mit unzureichendem Hygienestandard auch über verunreinigtes Wasser. Polio gilt aufgrund engagierter Impfkampagnen seit Jahren als weltweit nahezu ausgerottet. Menschen, die vollständig gegen Polio geimpft wurden, sind vor der Erkrankung geschützt. In Deutschland werden Babys ab zwei Monaten geimpft.
Das Poliovirus ist ein Enterovirus, das in erster Linie den Verdauungstrakt infiziert. Vor Einführung von Schutzimpfungen gab es allein in Deutschland Tausende Erkrankte und Hunderte Todesfälle jährlich. Es gibt zwei Arten von Impfstoffen: eine Schluckimpfung, die abgeschwächte vermehrungsfähige Impfviren enthält (OPV), und ein inaktivierter Polioimpfstoff (IPV), der in den Muskel gespritzt wird. In Deutschland wird seit 1998 ausschließlich IPV-Impfstoff verimpft.
Doch wenn es eine ungefährliche Alternative gibt, warum ist die Schluckimpfung dann überhaupt noch im Einsatz? Ursache ist vor allem eine Eigenheit der inaktivierten Polio-Impfstoffe: Sie verhindern zwar Erkrankungen sehr gut, nicht aber eine Infektion und die Weitergabe des Erregers. In der Folge kann das Virus unbemerkt weite Kreise ziehen. Gerade in Ländern mit niedriger Impfquote kann das gefährlich werden. Vor allem in Afrika und Asien wird darum noch verbreitet auf die Schluckimpfung gesetzt, die auch vor Ansteckung und damit vor einer großflächigen Weitergabe schützt. Das sehr geringe Risiko eines Impfpolio-Falls wird in Kauf genommen zugunsten einer großflächigen Immunisierung der Bevölkerung.
Das Ziel, nach der Ausrottung der Pocken 1980 auch Polio Geschichte werden zu lassen, wurde bislang verfehlt, auch wenn Polio-Wildviren fast nur noch in Pakistan und Afghanistan zirkulieren. Ein Problem ist, dass Routine-Impfungen wie die gegen Polio in den Pandemie-Jahren in vielen Ländern unterbrochen wurden. Dadurch stieg auch das Risiko, dass Polio sich international wieder ausbreitet.