Politik

Daß sich die Basis durchaus an der Diskussion über das
gesundheitspolitische Geschehen beteiligen möchte, zeigten rund 600
Teilnehmer der berufspolitischen Diskussion in Davos, die in diesem Jahr
am Donnerstag im normalen wissenschaftlichen Kongreßprogramm ihren
Platz fand. Unter der Moderation des Vizepräsidenten der
Bundesapothekerkammer (BAK), Dr. Hermann Vogel, stellten sich den
Fragen der Kongreßteilnehmer der Präsident der BAK Dr. Hartmut
Schmall, der Sprecher der ABDA-Geschäftsführung, Dr. Johannes Pieck,
und der ABDA-Geschäftführer Pharmazie Professor Dr. Rainer Braun.
Großen Raum in der Diskussion nahmen die schon während der
Eröffnungsansprache von Schmall mit Unruhe aufgenommenen Äußerungen zur
Vertraulichkeit der Beratung in der Apotheke ein, die ab 1. Januar 1999 ,durch
Apothekenbetriebsordnung vorgeschrieben, garantiert werden muß. Schmall machte
noch einmal klar, daß die Vertraulichkeit nicht unbedingt nur in einem separaten
Raum oder durch eine Beratungsecke gewährleistet werde, sondern daß
grundsätzlich bei jeder Abgabe eines Arzneimittels eine vertrauliche Beratung
möglich sein sollte. Dies lasse sich in erste Linie durch die Umgestaltung des
HV-Tisches vollziehen. Ideen seien jetzt gefordert.
Die ABDA werde zur Expopharm einen Ideenwettbewerb unter den Einrichtern
ausschreiben, um geeignete Lösungsansätze zu finden. Beratungsraum
bezwischungsweise -ecke sei in erster Linie zweckmäßig bei Dienstleistungen wie
Anmessen von Stützstrümpfen oder der Durchführung phsyiologischer
Untersuchungen. Vielen kritischen Äußerungen aus dem Plenum war zu entnehmen,
daß zum Teil der Regelungsbedarf nicht gesehen wird und die Meinung durchaus
Beifall fand, der Markt beziehungsweise der Kunde solle entscheiden, ob er mit der
Beratung in der Apotheke zufrieden sei.
Pieck wies daraufhin, daß es nicht darum gehe, ob Regelungsbedarf bestehe,
sondern es gehe um die Umsetzung einer Vorschrift, die bereits seit 1994 in der
Verordnung stehe. Dabei strebe der Verordnungsgeber nicht Perfektionismus,
sondern lediglich ein Mehr an Diskretion an. Das Nachtdienstzimmer könnte in
Einzelfällen für die Beratung genutzt werden. Die Lösung müsse aber in der Offizin
gefunden werden. Für diejenigen, die durch räumliche Begebenheiten nur schwer zu
einer befriedigenden Lösung kommen könnten, hatte Pieck den Trost, daß es auch
eine Ausnahmeregelung gebe. Es dem Markt zu überlassen, hält Pieck für falsch: "Es
gibt Situationen in der Apotheke, die sich eben nicht mit marktwirtschaftlichen
Prinzipien regeln lassen."
Die Chance einer zusätzlichen Honorierung der Beratung sehen die Diskutanten zur
Zeit nicht, da ohnehin der Verordnungsgeber davon ausgehe, daß mit den
Aufschlägen durch die Arzneimittelpreisverordnung die Beratung bei der Abgabe
eingeschlossen sei. Die Notwendigkeit der vertraulichen Beratung wurde am Ende
der Diskussion nicht mehr in Frage gestellt, da diese das auffälligste
Unterscheidungsmerkmal zwischen Apotheke und anderen Vertiebskanälen sei.
Ebenfalls intensiv diskutiert wurde die Änderung des Apothekengesetzes durch einen
Gesetzentwurf des Bundesrates, der den Krankenhausapotheken mehr
Kompetenzen im Bereich der Ambulanzen und der Versorgung von Pflegeheimen
einräumen soll: Krankenhausambulanzen sollen zukünftig ausschließlich ihre
Arzneimittel, die dort am Patienten angewandt werden, aus der
Krankenhausapotheke beziehen. Außerdem sollen Krankenhausapotheken auch
Pflegeheime versorgen dürfen.
Damit wäre die Krankenhausapotheke erstmals zuständig für die Belieferung von
Individualrezepten, konstatierte Pieck. Sie wären Vertragspartner der
Krankenkassen. Außerdem wäre im öffentlichen Bereich Fremd- und Mehrbesitz
zugelassen. Pieck sieht in dieser Gesetzesänderung eine Wettbewerbsverzerrung, die
eindeutig zu Lasten der öffentlichen Apotheken gehe.
Die ABDA habe in ihrer Stellungnahme heftigen Widerstand angekündigt und sei in
diesem Punkt auch zu keinem Kompromiß bereit. Das
Bundesgesundheitsministerium unterstützt die ABDA in diesem Punkt. Keine
Unterstützung findet die ABDA bei der Politik in ihrer Ablehnung eines weiteren
Punktes des Gesetzentwurfes, der die Möglichkeit schafft, Patienten, die zum
Wochenende aus dem Krankenhaus entlassen werden, mit einem maximal
Dreitagesbedarf an Arzneimitel aus dem Krankenhaus zu versorgen. Braun nannte
die Argumente der ABDA dagegen: fehlende Arzneimittelsicherheit und nicht
gegebene Praktikabilität.
Bezogen auf die Versorgung der Alten- und Pflegeheime habe die ABDA einen
Gegenvorschlag gemacht, der die Notwendigkeit eines Versorgungvertrages
gesetzlich verankern soll. Damit wäre gewährleistet, daß in das zur Zeit nicht
befriedigende Arzneimittelversorgungssystem der Alten- und Pflegeheimversorgung
mehr Ordnung käme. Dem sei die Politik nur bedingt gefolgt, indem man dies als
Kann-Vorschrift für eine Gesetzesänderung vorsehen wolle. Die ABDA habe hier
widersprochen, da eine Kann-Vorschrift an dem augenblicklichen Zustand nichts
ändere.
Der Forderung der ADKA, Krankenhaus versorgende Apotheken abzuschaffen,
wird die ABDA nicht unterstützen.
Natürlich durfte in dieser "berufspolitischen Sprechstunde" die Frage nach der
Zukunft des ZLs und den Gründen der Trennung von seinem Leiter Professor Dr.
Henning Blume nicht fehlen. Bedauern, Betroffenheit und Fassungslosigkeit wurden
von einigen Teilnehmern geäußert und der Appell an die Verantwortlichen daran
geknüpft, die Entscheidung noch einmal zu überdenken. Vogel bat um Verständnis,
die Pläne zur Umstrukturierung des ZLs, die aufgrund der Steuergesetzgebung
notwendig wurde, seien noch nicht in dem Stadium, daß sie öffentlich diskutiert
werden könnten. Zum Ausscheidung Blumes bat Vogel ebenfalls um Verständnis,
daß die Gründe nicht öffentlich diskutiert werden können, da es sich um eine
Personalangelegenheit handele.
PZ-Artikel von Hartmut Morck, Davos


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