Pharmazeutische Zeitung online Avoxa
whatsApp instagram facebook bluesky linkedin xign
Kreuzimmunität

Pockenimpfung schützt auch gegen Affenpocken

Das Affenpockenvirus breitet sich außerhalb Afrikas aus und hat jetzt auch Deutschland erreicht. Ein Grund für den Ausbruch könnte der schwindende Impfschutz gegen Pocken sein. Möglicherweise werden Nachimpfungen nötig.
AutorKontaktChristina Hohmann-Jeddi
Datum 20.05.2022  18:00 Uhr

Die Affenpocken sind eine an sich seltene Infektionserkrankung, die seit ihrer Entdeckung im Jahr 1958 vor allem in den Endemiegebieten West- und Zentralafrikas aufgetreten ist und in Einzelfällen in andere Länder exportiert wurde. Nun werden vermehrt Erkrankungen aus einer Reihe von Ländern gemeldet: Nach Großbritannien, Portugal, Spanien, USA und Kanada kommen entsprechende Berichte jetzt auch aus Italien, Schweden und Belgien. Heute wurde auch die erste bestätigte Infektion in Deutschland gemeldet. »Die jetzt außerhalb Afrikas auftretenden Fälle sind schon ungewöhnlich und müssen genau untersucht und eine etwaige weitere Verbreitung genau beobachtet werden«, hieß es am Donnerstag vom Friedrich-Loeffler-Institut (FLI).

Eigentlich ist der Erreger der Affenpocken ein Tiervirus, das vor allem Nager und Hörnchen befällt. Das Affenpockenvirus (Monkeypox virus, MPV, veraltet Orthopoxvirus simiae) befällt nur selten Menschen und war bislang nur schlecht von Mensch zu Mensch übertragbar. Der aktuelle Ausbruch deute auf eine veränderte Mensch-zu-Mensch-Übertragung hin, twitterte der Virologe Professor Dr. Leif Erik Sander von der Berliner Charité. Auch die schwindende Immunität gegen das nah verwandte Pockenvirus könnte hier eine Rolle spielen.

Diese Hypothese vertraten Virologen um Karl Simpson vom britischen Unternehmen JKS Bioscience Limited schon im Juli 2020 im Fachjournal »Vaccine« (DOI: 10.1016/j.vaccine.2020.04.062). Der Hintergrund ist, dass der Erreger der Pocken, das Variolavirus auch Orthopoxvirus variolae, 1980 weltweit für ausgerottet erklärt wurde. Die massiven Impfkampagnen, die zur Eradikation geführt hatten, wurden eingestellt. Seitdem ist der Immunschutz gegen das Virus weltweit stark gesunken.

Schätzungen zufolge seien etwa 70 Prozent der Weltbevölkerung nicht mehr gegen Pocken geschützt – und somit auch nicht mehr gegen Affenpocken, schrieben Simpson und Kollegen. Da die Erreger der humanen Pocken und der Affenpocken nah verwandt sind, schützt die Pockenimpfung gegen beide. In der nun zunehmend ungeimpften Populationen seien vermehrt Affenpocken-Infektionen aufgetreten. Affenpocken seien somit eine wiederkehrende Erkrankung.

Eine aktuelle Analyse der epidemiologischen Daten gibt den Autoren Recht. Wie ein Team um Eveline Bunge Anfang 2022 im Fachjournal »Plos Neglected Tropical Diseases« berichtete, sei die Zahl der Affenpocken-Infektionen bei Menschen seit den 1970er-Jahren bis in die Jahre 2010 bis 2019 mindestens um den Faktor 10 angestiegen. Dabei würden die Betroffenen immer älter: Das Durchschnittsalter der Patienten sei im gleichen Zeitraum von vier auf 21 Jahre gestiegen. Insgesamt entwickelten sich die Affenpocken zu einer Erkrankung von »globaler Relevanz«, heißt es in der Publikation. 

Mögliche Nachimpfungen und Ringimpfungen um Infizierte

Wenn der sinkende Immunschutz gegen Pocken zu dieser Entwicklung beträgt, könnten Nachimpfungen helfen, um die Verbreitung des Virus einzudämmen. Aber auch nachträgliches (postexpositionelles) Impfen der Kontaktpersonen von Infizierten kann hilfreich sein. Wenn die Impfung innerhalb von vier Tagen nach der Infektion erfolge, könne sie den Krankheitsverlauf modifizieren oder den Ausbruch der Erkrankung sogar verhindern, so das Team um Simpson in »Vaccine«.

Entsprechend empfiehlt die europäische Seuchenschutzbehörde ECDC nun auch, dass enge Kontakte von Infizierten nach einer Nutzen-Risiko-Analyse einen Pockenimpfstoff erhalten könnten, wenn dieser verfügbar ist. In Großbritannien werden entsprechende Ringimpfungen bereits durchgeführt.

In der EU ist ein Impfstoff gegen Pocken zugelassen. Bei dem Präparat Imvanex® (USA: Jynneos®, Kanada: Imvamune®) des dänischen Impfstoffherstellers Bavarian Nordic A/S handelt es sich um einen Lebendimpfstoff, der auf einem veränderten Pockenvirus, dem Modifizierten Vacciniavirus Ankara (MVA), basiert. Er ist in der EU ab 18 Jahre ausschließlich zur Immunisierung gegen Pocken zugelassen, wird aber off Label auch gegen Affenpocken eingesetzt. In den USA und Kanada hat er laut Hersteller eine Zulassung für beide Indikationen.

Das Impfvirus ist im Fall von Imvanex so verändert, dass es im Menschen weder eine Krankheit auslösen noch sich replizieren kann. Die Pockenimpfstoffe, die vor der Elimination des Erregers eingesetzt wurden, enthielten dagegen noch replikationsfähige Viren. An der Einstichstelle der Impfung am Oberarm bildete sich aufgrund der Vermehrung des Impfvirus eine Hautläsion, die später die charakteristische Narbe der Pockenimpfung hinterließ. Es bestand die Gefahr, dass sich das Impfvirus in andere Regionen des Körpers verbreitete oder sogar auf Kontaktpersonen des Geimpften übertragen wurde. Dieses Risiko besteht bei Imvanex nicht, heißt es auf der Informationsseite der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) zu dem Präparat

Imvanex wird subkutan, bevorzugt am Oberarm injiziert. Bislang nicht gegen Pocken immunisierte Personen sollten laut EMA zwei Dosen à 0,5 ml im Abstand von 28 Tagen erhalten, bei bereits immunisierten Personen reicht eine Dosis aus.

Aufgrund des aktuellen Ausbruchs gehen bei dem Impfstoffhersteller mit Sitz in Kopenhagen offenbar erste Anfragen ein: Am 19. Mai gab er bekannt, dass er einen Vertrag mit einem »nicht genannten europäischen Land« über die Lieferung des Pockenimpfstoffs Imvanex ausgehandelt habe. 

Frag die KI
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
BETA
Menü
Zeit
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
Zeit
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
Senden
SENDEN
KI
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
KI
KI
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.

Mehr von Avoxa