| Brigitte M. Gensthaler |
| 26.11.2025 18:00 Uhr |
Die hormonelle Kontrazeption ist seit Jahrzehnten etabliert. Jedoch stehen viele Frauen dieser Verhütungsmethode zunehmend kritisch gegenüber. / © Adobe Stock/nenetus
Gestagene, Estrogene, orale Kontrazeptiva und andere Applikationswege: Die Vielfalt der hormonellen Kontrazeptiva ist groß. »Die Mehrheit der Kontrazeptiva unterdrückt den LH-Gipfel und damit die Ovulation, auch die Notfallkontrazeptiva«, informierte Professor Dr. Martina Düfer vom Institut für Pharmazeutische und Medizinische Chemie, Universität Münster, beim Heidelberger Herbstkongress der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg am vergangenen Wochenende.
Monopräparate mit Levonorgestrel bewirken keine Ovulationshemmung, sondern erhöhen die Viskosität des Zervikalschleims. Dagegen unterdrücken die Gestagene Desogestrel und Drospirenon die Ovulation. »Sie sind in puncto Kontrazeption gleichwertig zu Estrogen-haltigen Kombipräparaten.«
Bekanntlich soll die Frau ein orales Kontrazeptivum täglich zur annähernd gleichen Zeit einnehmen. Hat sie dies vergessen und ist das Einnahmenintervall zu lang, kann es zum Wirkungsverlust kommen. Apothekenteams sollten Frauen informieren, dass sie bei Levonorgestrel-Monopräparaten nur drei Stunden maximal »überziehen« dürfen. Bei Kombipräparaten und Desogestrel-Pillen dürfen maximal 36 Stunden zwischen den Einnahmen liegen, während es bei dem Nomegestrol-Estradiol-haltigen Präparat Zoely® und bei Drospirenon sogar bis zu 48 Stunden sein können. Sind die Intervalle länger, muss die Frau zusätzlich verhüten.
Eine zu schnelle Magen-Darm-Passage sowie Erbrechen und Diarrhö können die Resorption vermindern. »Eine Breitbandantibiose beeinträchtigt den enterohepatischen Kreislauf der Wirkstoffe«, warnte Düfer.
Und Inkretinmimetika wie Semaglutid, Liraglutid und Tirzepatid? Zu den möglichen Nebenwirkungen gehören ungeplante Schwangerschaften. Die GLP-1-Agonisten verminderten die gastrointestinale Motilität, was die Resorption der Hormone verändern könne, informierte die Apothekerin. »Bei Therapiestart oder Dosiserhöhung muss die Frau zusätzlich verhüten.« Ebenso müsse man stark übergewichtige Frauen aufklären, dass ihre Fertilität natürlicherweise ansteigt, wenn sie deutlich abnehmen. Eventuell müssten sie auf eine andere Kontrazeptionsmethode wechseln.
Schließlich erhöhen auch CYP-Induktoren wie Antiepileptika, Protease-Inhibitoren, Johanniskraut und viele andere Stoffe die Abbaugeschwindigkeit der Hormone.
Auch das Risikoprofil der Pille verunsichere die Frauen häufig, berichtete Düfer. Bekanntlich steigt die Thrombosegefahr unter Estrogenen wie Ethinylestradiol und mit deren Dosierung. Am besten schnitten hier Gestagen-Monopräparate ab: Gestagene mit einem geringeren Risiko für venöse Ereignisse sind Levonorgestrel, Norgestimat und Norethisteron. Ein relativ hohes Risiko hätten Darreichungsformen wie Dreimonatsspritze, Vaginalring und TTS («Hormonpflaster«), berichtete Düfer.
Man solle keine kombinierten oralen Kontrazeptiva einsetzen bei Frauen mit Thromboembolien in der Vorgeschichte, Adipositas, schwerer Hypertonie oder Migräne mit Aura sowie bei Raucherinnen und Frauen über 35 Jahren. Nach Absetzen der Hormone gehe das Thromboserisiko langsam zurück.
Als wichtiges Beratungsthema nannte Düfer auch psychische Veränderungen unter hormoneller Verhütung. 2016 und 2018 hätten zwei Studien aufgeschreckt, die ein erhöhtes Risiko für Suizidalität unter Kontrazeptiva gezeigt haben. Das Risiko war verdoppelt bei jungen Frauen (15 bis 19 Jahre); das höchste Risiko bestand in den ersten beiden Monaten nach Pillenstart, während es nach mehreren Jahren absank. Sie empfahl, eine depressive Störung vor Beginn der Pilleneinnahme auszuschließen.
Apothekenteams sollten in der Beratung darauf achten, ob Frauen bereits Antidepressiva, Anxiolytika oder Sedativa einnehmen. Sie sollten ihnen empfehlen, sich vor allem bei Ersteinnahme und im ersten Jahr zu beobachten, ob sich ihre Stimmung verändert und gegebenenfalls den Arzt informieren.