Dopaminagonisten bei M. Parkinson |
29.12.1997 00:00 Uhr |
Pharmazie
L-Dopa wurde in der Vergangenheit zum Goldstandard erhoben, da es vor allem in
der Frühphase - als Monothein mit einem Decarboxylase-Hemmer - alle Symptome
deutlich bessert. Doch nach etwa fünf bis sieben Jahren läßt die Wirkung nach; die
Einnahmeintervalle müssen von anfangs fünf bis sechs Stunden auf bis zu zwei
Stunden verkürzt werden, berichtete Professor Dr. Dieter Müller aus Hamburg. In
der End-of-dose-Phase variiert die Wirkung stark mit dem Blutspiegel.
Unvorhersehbar sind dagegen die On-off-Fluktuationen: abrupte Wechsel zwischen
guter Beweglichkeit und erheblicher Bewegungsunfähigkeit (Hypokinese bis
Akinese). In der On-Phase treten vom Patienten nicht kontrollierbare
Überbewegungen (Dys- und Hyperkinesien) auf. Die Off-Phasen mit völliger
Akinese werden immer länger. Psychische Komplikationen, von Alpträumen bis zu
Trugwahrnehmungen und Halluzinationen, können hinzukommen.
L-Dopa und oxidativer Streß
Das Langzeitsyndrom wird als Folge zu langer und zu hoch dosierter
Levodopa-Therapie angesehen. Möglicherweise hat L-Dopa ein toxisches Potential,
berichtete Professor Dr. Peter Riederer von der Nervenklinik der Universität
Würzburg. Und es könnte die Progredienz der Erkrankung negativ beeinflussen. Die
L-Dopa-Substitution verstärkt die Bildung von Dopamin im Gehirn (erwünschter
Effekt); bei dessen Abbau entstehen jedoch auch Sauerstoffradikale, was den
oxidativen Streß in den Zellen fördern könnte, postulierte Riederer.
MAO-B-Hemmstoffe wie Selegilin verbessern durch Abbauhemmung ebenfalls die
Konzentration von Dopamin, verringern aber die Radikalbildung. Dopaminagonisten
stimulieren die postsynaptischen Dopaminrezeptoren und verringern damit den
Dopaminumsatz und die Radikalbildung. Aus Sicht des Grundlagenforschers
favorisiere er eine neuroprotektive Frühbehandlung: Neben MAO-B-Hemmern und
glutamatergen NMDA-Rezeptorantagonisten seien Dopaminagonisten
empfehlenswert. Diese Agonisten, zum Beispiel Bromocriptin, Lisurid, Piribedil,
Cabergolin, Pergolid, Ropinirol und Pramipexol, bewirken keine Dyskinesien,
Fluktuationen treten seltener auf.
Professor Dr. Heinz Reichmann von der neurologisclien Universitätsklinik Dresden
differenzierte die Therapie klar nach dem Alter des Patienten. In der Frühtherapie
empfiehlt er Selegilin, NMDA-Antagonisten und Dopaminagonisten, oft in
Kombination. Dies ermögliche eine maximale L-Dopa-Reduktion. Bei Patienten
über sechzig Jahren ergänzt er die Palette um L-Dopa und eventuell einen
COMT-Hemmstoff wie Tolcapon oder Entacapon (in Deutschland noch nicht
zugelassen). Im Spätstadium und hohen Alter kombiniere er L-Dopa mit einem
Dopaminagonisten, eventuell ergänzt durch einen COMT-Hemmer und einen
NMDA-Antagonisten.
PZ-Artikel von Brigitte M. Gensthaler, München
© 1997 GOVI-Verlag
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